Wahlpleiten der Genossen Links draußen

Ein Glas Sekt? Wenn es denn sein muss! Linke-Chefs Ernst und Lötzsch
Foto: Emily Wabitsch/ dpaHamburg/Berlin - Sekt wurde ausgeschenkt, es sollte ein bisschen feierlich zugehen bei der Linken in Berlin, dazu ein paar freundliche Worte - der Dank für den Einsatz der Wahlkämpfer in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg. Auch die Parteichefs Gesine Lötzsch und Klaus Ernst nahmen ein Glas. Aber die Mienen der beiden am Montag: verkniffen bis bemüht freundlich.
Es sind trostlose Tage für die Genossen. Die beiden Landtagswahlen im Südwesten hat die Partei krachend verloren. 2,8 Prozent in Baden-Württemberg, 3,0 Prozent in Rheinland-Pfalz, zwei herbe Niederlagen. Erklärtes Ziel war der Einzug in beide Landtage. Deutlich verfehlt. In Baden-Württemberg fiel das Ergebnis sogar noch schlechter aus als vor vier Jahren.
Für Wahlverlierer ist es am bequemsten, das eigene Scheitern mit externen Faktoren zu begründen, frei nach dem Motto: Nicht wir haben versagt, sondern die äußeren Umstände haben unseren Misserfolg begünstigt. Nach eigenen Fehlern muss man dann nicht suchen. Auch in der Linken funktioniert dieser Reflex offenbar. Bei Parteichefin Lötzsch klingt das so: "Die Fukushima-Katastrophe hat alles überschattet." Klaus Ernst sagt: "Für dieses Ergebnis ist einzig und allein das Thema Atomkraft verantwortlich."
So einfach wollen es sich offenbar nicht alle Parteifreunde machen. In der Sitzung des 44-köpfigen Parteivorstands wurde am Montag eindringlich eine Strategiedebatte gefordert.
Schluss mit Hartz IV und Schluss mit der Rente mit 67, Schluss mit dem Bundeswehreinsatz in Afghanistan - das sind die Kernforderungen der Linken. Bei den letzten zwei Bundestagswahlen und etlichen Abstimmungen in den Ländern konnten die Genossen damit punkten. Dominieren jedoch andere Themen die gesellschaftliche und politische Debatte, steht die Partei mit leeren Händen da. Von rot-rot-grünen Bündnissen träumte die Linke zwischendurch einmal, aber das ist längst vorbei. SPD und Öko-Partei feiern die Renaissance von Rot-Grün, die Linke kann nur aus dem Abseits zuschauen.
Warnung vor der Ein-Thema-Partei
Parteivize Halina Wawzyniak mahnte jetzt die Genossen im Vorstand, die Linke nicht auf das Thema soziale Gerechtigkeit zu beschränken. "Die Wahlergebnisse in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz machen deutlich, dass man unter die Räder gerät, wenn man auf ein einziges Thema festgelegt ist", sagte Wawzyniak SPIEGEL ONLINE. Zwar müsse die Linke ihre Kernforderungen weiter betonen, künftig aber mit weiteren Themen verbinden.
Die jüngsten Wahlpleiten offenbaren das wacklige Fundament der Linken in den westlichen Bundesländern. Im Osten ist sie Volkspartei, im Westen fehlen ihr vielerorts noch verlässliche Strukturen. So kommt es selbst in solchen Regionen zur Zitterpartie, wo sich die Linke eigentlich einigermaßen sicher fühlt. Beispiel Hamburg: Zwar gelang der Wiedereinzug in die Bürgerschaft Ende Februar mit 6,4 Prozent deutlich, vor der Wahl jedoch wollte kein Spitzengenosse auf einen Erfolg in der Hansestadt wetten.
Was bleibt, ist Verunsicherung: "Für die Linke sind die Folgen ihres Scheiterns an der Fünf-Prozent-Hürde noch gar nicht abzuschätzen. (…) Ernste Fragen sind absehbar", kommentierte die Parteizeitung "Neues Deutschland" die Niederlagen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz.
"Oskar Lafontaine schaltet sich selbstverständlich in unsere Debatte ein"
Adressaten für unbequeme Fragen dürften vor allem Lötzsch und Ernst sein. Wahlerfolge sind die Währung erfolgreicher Parteichefs, Pleiten dagegen stellen ihre Position in Frage. Ohnehin gelten beide als angeschlagen. Lötzsch hatte ihre Partei mit einer von ihr ausgelösten Kommunismusdebatte in Schwierigkeiten gebracht, Ernst hatte mit doppelten Bezügen aus Partei und Fraktion den Zorn vieler Parteifreunde auf sich gezogen.
Eine Personaldebatte will die Linke angesichts der drei weiteren bevorstehenden Landtagswahlen in Bremen, Berlin und Mecklenburg-Vorpommern allerdings vermeiden - sie könnten den Abwärtstrend noch weiter verstärken. Personaldiskussionen seien "jetzt völlig fehl am Platze. Denn wir müssen in diesem Jahr noch drei Landtagswahlen bestehen", sagte etwa der Bundestagsabgeordnete Jan Korte. Fraktionsvize Dietmar Bartsch sagte der "Mitteldeutschen Zeitung": "Ich rate zur Ruhe und zu solider Aufarbeitung."
In der Partei glauben inzwischen dennoch viele nicht mehr daran, dass die derzeitige Doppelspitze bei der Vorstandswahl im kommenden Jahr eine neue Chance erhält.
Selbst eine Rückkehr von Oskar Lafontaine schließen manche inzwischen nicht mehr aus. Der Saarländer hatte sich wegen seiner Krebserkrankung vom Partei- und Fraktionsvorsitz zurückgezogen und sich auf seine Posten als Fraktionschef im Saarland konzentriert - zuletzt hatte er sich allerdings optimistisch über seine Genesung geäußert. Er habe "den Krebs wahrscheinlich überwunden", sagte der 67-Jährige der "Saarbrücker Zeitung". Zuletzt war er wieder viel auf Rednerbühnen zu sehen und unterstützte seine wahlkämpfenden Genossen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg.
Und auch die Bundespartei hört immer wieder von ihm. "Oskar Lafontaine schaltet sich selbstverständlich in unsere Debatte ein", sagt Parteichefin Lötzsch. Am Montag schickte Lafontaine bereits ein Signal aus dem Saarland nach Berlin: Seine Partei müsse sich stärker mit den Inhalten der Grünen auseinandersetzen und ihr eigenes Profil schärfen.