Wahlrechtsreform Opposition wirft Innenminister Seehofer Täuschungsmanöver vor

Horst Seehofer hat als Innenminister einen Reformvorschlag der SPD als verfassungswidrig moniert. Grüne, Linke und FDP kritisieren den Vorgang scharf - und wittern eher parteipolitische Motive.
Bundesinnenminister Horst Seehofer: SPD-Modell wäre eine "grundlegende Abkehr" vom bestehenden personalisierten Verhältniswahlrecht.

Bundesinnenminister Horst Seehofer: SPD-Modell wäre eine "grundlegende Abkehr" vom bestehenden personalisierten Verhältniswahlrecht.

Foto: Sean Gallup/ Getty Images

Die Oppositionsparteien Grüne, FDP und Linke werfen Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) ein Täuschungsmanöver bei der Debatte um das Wahlrecht vor. Seehofer hatte mit Briefkopf seines Ministeriums und Verweis auf dessen Zuständigkeit einen Brief an den CSU-Landesgruppenchef im Bundestag, Alexander Dobrindt, geschrieben und darin einen Reformvorschlag der SPD zum Wahlrecht als verfassungswidrig kritisiert.

"Das ist ein klar parteipolitisch motiviertes Täuschungsmanöver von Seehofer", sagte der Wahlrechtsexperte der Linken-Fraktion, Friedrich Straetmanns, dem SPIEGEL. "Seehofer will hier einen Kompromiss sabotieren, um seiner Partei bei der nächsten Wahl Vorteile zu erhalten", sagte Straetmanns.

Auch die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Britta Haßelmann, zeigt sich verwundert über den Vorgang. "Prüft jetzt der Bundesinnenminister auf Anfrage einzelne Modelle und Vorschläge zur Wahlrechtsreform?", sagte sie dem SPIEGEL. Dann müsse man wohl bald mit einer ablehnenden Stellungnahme des Ministers zu den bisher von der CSU angedachten Vorschläge rechnen. "Denn da weiß jede und jeder, die sich mit dem Wahlrecht befassen, dass sie nicht verfassungsgemäß sind. Oder ist das eine kleine Gefälligkeit unter Parteifreunden der CSU?", sagte Haßelmann. "Das Ganze scheint mir doch ein CSU-Ablenkungsmanöver zu sein." Sie forderte die CSU auf, endlich ihre Blockade zur Wahlrechtsreform aufzugeben.

Grüne, FDP und Linke zum SPD-Vorschlag

"Entweder ist die Große Koalition nicht fähig, das Problem zu lösen, oder täuscht Aktivität nur vor, um es in Wahrheit auszusitzen", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Marco Buschmann, dem SPIEGEL. Die Große Koalition streite nun sogar auf offener Bühne über die Reparatur des Wahlrechts, sagte er. "In der Hauptrolle: Bundesinnenminister Seehofer. Dabei drängt die Zeit."

Für den vorgeschlagenen Kompromiss der SPD signalisieren Grüne und Linke vorsichtig Akzeptanz. "Der Vorschlag der SPD ist ein ernst zu nehmender Vorschlag auf der Grundlage des personalisierten Verhältniswahlrechts und er sichert das Zweitstimmenergebnis", sagte Haßelmann. Straetmanns sagte, dass eine einmalige Lösung sehr sicher von dem Bundesverfassungsgericht standhalten werde.

Kritisch sieht den Kompromiss hingegen die FDP. "Die SPD möchte, dass ein Teil der im Wahlkreis direkt gewählten Bewerber trotz Mehrheit vor Ort kein Mandat im Parlament bekommt. Das ist nicht nur aus Sicht des demokratischen Prinzips kritisch; das wird auch in der Bevölkerung nur Kopfschütteln auslösen", sagte Buschmann.

Monatelanger Streit um Reform des Wahlrechts

Seit Monaten streiten sich CDU und CSU über eine mögliche Reform des Wahlrechts. Die CSU sperrt sich vehement gegen jede Option, bei der die Zahl der Wahlkreise verringert wird oder bei der nicht alle Wahlkreissieger in den Bundestag einziehen dürfen. Die Christdemokraten liebäugeln hingegen intern damit, den Vorschlag der Sozialdemokraten notfalls mitzugehen, wenn auch mit einem höheren Deckel der Abgeordnetenanzahl..

Die Sozialdemokraten hatten vorgeschlagen, für die Wahl 2021 den Bundestag einmalig auf 690 Abgeordnete zu begrenzen. Dafür sollen Direktmandate wegfallen, die das niedrigste Erststimmenergebnis in ihren Wahlkreisen erzielen.

Seehofer sieht in dem Modell eine "grundlegende Abkehr" vom bestehenden personalisierten Verhältniswahlrecht, nach dem Wahlkreise allein mit der Mehrheitswahl bestimmt werden, wie es in dem Brief an Dobrindt hieß. "Eine Nichtzuteilung von einzelnen, nach den Regeln der Mehrheitswahl in den Wahlkreisen gewonnenen Direktmandaten verbietet sich daher", schrieb Seehofer darin. Eine solche Lösung "wäre auch der Gefahr von Wahlanfechtungen mit dem Risiko der Ungültigkeit der Wahl" ausgesetzt.

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