Abgeordnete verhindern Wahlrechtsreform Warum der Bundestag unfähig ist, sich zu reformieren

Parlamentarier bei namentlicher Abstimmung im Plenarsaal: 800 Abgeordnete oder mehr?
Foto: MONIKA SKOLIMOWSKA / DPASie können den Artikel leider nicht mehr aufrufen. Der Link, der Ihnen geschickt wurde, ist entweder älter als 30 Tage oder der Artikel wurde bereits 10 Mal geöffnet.
Neben der Spree, zwischen Bahngleisen und dem Marie-Elisabeth-Lüders-Haus des Bundestags, liegt heute noch eine Brachfläche. Aber schon Ende des kommenden Jahres sollen dort Abgeordnete in provisorische Büros einziehen, in Eile hochgezogen in "System- oder Modulbauweise". Ein zusammengesetztes Gebäude mit sieben Stockwerken soll entstehen, insgesamt 400 Büroeinheiten, je 18 Quadratmeter, ausgelegt für je zwei Menschen. Mindestens ein Besprechungsraum pro Etage. Schusssicheres Glas für die Pförtner. Das Ganze erst einmal angelegt auf 15 Jahre. So steht es in einer Ausschreibung des Bundesamts für Bauwesen und Raumordnung.
Ein solcher Containerbau wird auch nötig, weil der Bundestag nach der nächsten Wahl noch einmal deutlich wachsen dürfte, wenn sich die Fraktionen nicht schnell auf eine Wahlrechtsreform einigen. Die Verwaltung sorgt vor. Mitglieder des Hohen Hauses in einem Containerbüro: Das wirkt würdelos, albern. Es wäre ein Mahnmal für das Scheitern der Politik, für Reformverschleppung und den Egoismus der Parteien.
Und das in diesen Zeiten, in denen es ohnehin Zweifel an der repräsentativen Demokratie gibt, an "denen in Berlin", den Abgeordneten und Ministern. Schaffen die es nicht einmal, ihre Zahl zu begrenzen? Als interessierten sie sich nur für ihr eigenes Wohl. Schon jetzt sitzen im Bundestag 709 Abgeordnete. 598 sollten es regulär sein. 800 oder mehr sind möglich, wenn nicht bald etwas passiert.
Es muss etwas passieren. Das sagen die Politiker selbst. Seit Jahren schon, in drastischen Worten. Und seit Jahren passiert nichts. Aus Egoismus, vor allem. Jeder will eine Reform des Wahlrechts, aber sie darf nicht die eigene Position verschlechtern.
So hat man das Problem verschleppt, den Kompromiss verweigert, trotz der Dringlichkeit. Für eine grundlegende Reform vor der nächsten regulären Bundestagswahl im Herbst 2021 ist es fast schon zu spät. Das politische System hat versagt.
Systemversagen heißt: Es gibt keinen Alleinschuldigen. Es sind eigentlich alle zu dickköpfig, um eine Lösung zu finden. Die CSU spielt eine entscheidende Rolle, die CDU, auch die SPD, das Bundesverfassungsgericht mischt mit, zwei Bundestagspräsidenten, die Opposition. Alle zeigen auf die anderen, niemand auf sich.
Im Moment zeigen viele auf Alexander Dobrindt, den Vorsitzenden der CSU-Landesgruppe. Er soll sich bewegen. Die Debatte kreist stark um die Wahlkreise. Würden sie neu geordnet, könnte das eine weitere Aufblähung des Bundestags verhindern helfen. Dobrindt ist aber der König der Wahlkreise, seine CSU hat zuletzt alle in Bayern gewonnen.
An einem Januarvormittag sitzt Dobrindt in einem Saal der bayerischen Landesvertretung in Berlin und führt aus, warum sich die anderen bewegen müssten, er jedoch nicht. Jede Reform, die etwas an den Wahlkreisen ändere, sei für die CSU inakzeptabel. "Wer das richtig findet, wird eher die Kritiker der Demokratie bestärken", sagt Dobrindt.
Alle argumentieren mit der Demokratie. Alle wollen sie schützen. Und schaden ihr gemeinsam.
Den Anfang nahm das Leid im Jahr 2012. Damals verwarf das Bundesverfassungsgericht eine Wahlrechtsreform der schwarz-gelben Regierung. Unter anderem, weil zu viele Überhangmandate den Charakter der Wahl als Verhältniswahl zu sehr verzerrten. Eine Neuregelung musste her.
Jetzt weiterlesen. Mit dem passenden SPIEGEL-Abo.
Besondere Reportagen, Analysen und Hintergründe zu Themen, die unsere Gesellschaft bewegen – von Reportern aus aller Welt. Jetzt testen.
Ihre Vorteile:
- Alle Artikel auf SPIEGEL.de frei zugänglich.
- DER SPIEGEL als E-Paper und in der App.
- Einen Monat für einen Euro testen. Einmalig für Neukunden.
Ihre Vorteile:
- Alle Artikel auf SPIEGEL.de frei zugänglich.
- DER SPIEGEL als E-Paper und in der App.
- Drei Monate je 9,99 Euro sparen.
Sie sind bereits Digital-Abonnent? Hier anmelden
Mehr Perspektiven, mehr verstehen.
Freier Zugang zu allen Artikeln, Videos, Audioinhalten und Podcasts
-
Alle Artikel auf SPIEGEL.de frei zugänglich
-
DER SPIEGEL als E-Paper und in der App
-
DER SPIEGEL zum Anhören und der werktägliche Podcast SPIEGEL Daily
-
Nur € 19,99 pro Monat, jederzeit kündbar
Sie haben bereits ein Digital-Abonnement?
SPIEGEL+ wird über Ihren iTunes-Account abgewickelt und mit Kaufbestätigung bezahlt. 24 Stunden vor Ablauf verlängert sich das Abo automatisch um einen Monat zum Preis von zurzeit 19,99€. In den Einstellungen Ihres iTunes-Accounts können Sie das Abo jederzeit kündigen. Um SPIEGEL+ außerhalb dieser App zu nutzen, müssen Sie das Abo direkt nach dem Kauf mit einem SPIEGEL-ID-Konto verknüpfen. Mit dem Kauf akzeptieren Sie unsere Allgemeinen Geschäftsbedingungen und Datenschutzerklärung.