Wahlumfragen Merkel muss um Schwarz-Gelb zittern

Bundeskanzlerin Merkel: Schwarz-Gelb in Gefahr
Foto: Markus Schreiber/ APBerlin - Unmittelbar vor der rechnet die Mehrzahl der Wahlforscher und Experten mit einem knappen Wahlausgang. Nach den letzten Befragungen der großen Institute gehen Union (um 35 Prozent) und FDP (13 bis 14) mit einem Vorsprung in die Wahl. SPD (24 bis 26), Linke (10 bis 11,5) und Grüne (10 bis 11) liegen addiert allerdings nicht weit dahinter.
Nach dem am Freitag veröffentlichten Forsa-"Wahltrend" für RTL und "Stern" könnte es sogar einen Gleichstand geben: Union und FDP liegen demnach gemeinsam nur noch bei 47 Prozent und damit gleichauf mit SPD, Grünen und Linkspartei, die zusammen ebenfalls mit 47 Prozent rechnen könnten.
Nach der neuen Forsa-Umfrage verliert die Union im Schlussspurt zwei Punkte und kommt auf 33 Prozent. Die FDP legte erneut einen Punkt auf 14 Prozent zu. Die SPD verliert im Vergleich zum Wochenanfang einen Punkt und liegt bei 25 Prozent. Die Grünen büßen einen Punkt auf 10 Prozent ein. Hingegen legt die Linkspartei um zwei Punkte auf 12 Prozent zu. 26 Prozent der Wähler seien noch unentschlossen, für wen sie am Wahltag stimmen sollten, teilte RTL mit.
Lediglich die für das ZDF arbeitende Forschungsgruppe Wahlen ging am Freitag fest von einem Sieg für Union und FDP aus. "Es gibt keine Trendumkehr", sagte Institutschef Matthias Jung dem "Tagesspiegel". Schwarz-Gelb werde eine knappe, aber sichere Mehrheit gewinnen, die SPD dagegen mit maximal 25 Prozent ihr mit Abstand schlechtestes Ergebnis im Bund einfahren.
Die klare Aussage der Forschungsgruppe Wahlen überraschte vor dem Hintergrund knapper Umfrageergebnisse bei der Instituten und deren Fehlprognosen vor vier Jahren, als alle bis zuletzt von einem Sieg für Union und FDP ausgingen. Auch in den vergangenen Wochen war der Vorsprung von Schwarz-Gelb auf ein Minimum geschrumpft.
Kleine Parteien legen zu
Allerdings verlief der Wahlkampf weniger spektakulär als vor vier Jahren. Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel vermied nahezu jede Konfrontation mit der SPD und setzte vor allem auf ihren Amtsbonus und ihre Beliebtheit. Dennoch lagen CDU und CSU zuletzt in Umfragen lediglich bei dem schwachen Ergebnis von 2005 von gut 35 Prozent. Ihr Wunschpartner FDP aber wird weiterhin auf einem Spitzenwert klar über zehn Prozent gesehen.
Die SPD erlebte in den letzten Wahlkampfwochen - auf niedrigem Niveau - den stärksten Umfrage-Schub. Dieser Trend könnte die Partei von Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier noch in einen halben Wahlerfolg retten. Die kleineren Parteien stehen dagegen nach den aktuellen Umfragen bereits als Sieger der Wahl fest, weil sie nach vier Jahren der Großen Koalition in den Umfragen durchweg zulegen können. Die Union von Kanzlerin Angela Merkel und die SPD müssen dagegen zittern. Verlieren sie mehr oder weniger deutlich, steht ihnen große Unruhe bevor.
Die SPD hat bis zum Schluss ihre Linie durchgehalten - erstes Wahlziel: keine Mehrheit für Schwarz-Gelb; zweites Wahlziel: eine eigene Mehrheit mit Grünen und FDP. Letzteres geben die Umfragen nicht her. Die Union hat zunächst zurückhaltend, später offensiver auf ein Bündnis mit der FDP gesetzt. Sollte es dafür nicht reichen und stehen die Grünen nicht als Mehrheitsbeschaffer zur Verfügung, bleibt auch Merkel nur eine Fortsetzung der Großen Koalition.
Wahlbeteiligung auf Tiefststand?
Dann allerdings gäbe es erneut rechnerisch eine Mehrheit für SPD, Grüne und Linke. Ein solches Linksbündnis hat Steinmeier bis 2013 ausgeschlossen. Ob das auch gilt, falls die SPD in den kommenden Jahren ihr Führungspersonal austauscht, bezweifeln Union und FDP. Die Liberalen haben ihrerseits die Tür zu einer "Ampel" mit SPD und Grünen zugeschlagen. Die Grünen wiederum lehnen eine Jamaika-Koalition mit Schwarz-Gelb strikt ab. So bleiben am Sonntag praktisch nur zwei Machtoptionen: Eine Koalition von Union und FDP - oder eine Neuauflage von Schwarz-Rot.
Doch alle Berechnungen könnten sich auch als Makulatur erweisen. Vor vier Jahren lagen die Meinungsforscher vor der Wahl zum Teil gewaltig daneben. Die Union schätzten sie damals in den letzten Umfragen deutlich stärker ein und die SPD deutlich schwächer. Das Ergebnis: vier Jahre Große Koalition.
Aufgerufen sind am Sonntag 62,2 Millionen Wahlberechtigte, 300.000 mehr als vor vier Jahren. Von ihnen dürfen 3,5 Millionen zum ersten Mal bei einer Bundestagswahl Erst- und Zweitstimme abgeben. Wahlforscher schließen nicht aus, dass die Wahlbeteiligung auf einen neuen Tiefststand fällt. Vor vier Jahren lag sie bei 77,7 Prozent, dem niedrigsten Wert bei Bundestagswahlen.