Die Lage am Abend Trump erklärt Twitter den Krieg
Liebe Leserin, lieber Leser, guten Abend,
in den USA sagt US-Präsident Donald Trump dem Kurznachrichtendienst Twitter den Kampf an. Hintergrund: Die Onlineplattform überprüft bestimmte Tweets auf ihren Wahrheitsgehalt. Irreführende Informationen werden mit einem Warnhinweis versehen. Jetzt auch bei Trump, der zuletzt behauptet hatte, dass Briefwahl und Wahlbetrug praktisch dasselbe seien. Der Präsident droht prompt damit, Twitter künftig "streng regulieren oder ganz schließen" zu wollen.
Das Thema des Tages: Trump vs. Twitter
Donald Trump hat einen neuen Feind ausgemacht: Diesmal ist es der Kurznachrichtendienst Twitter, der dem US-Präsidenten bislang als stets verfügbares und extrem wichtiges politisches Sprachrohr diente.
Seit der Kurznachrichtendienst vor etwa zwei Wochen im Zuge der Coronakrise und der immer häufiger zirkulierenden Falschinformationen vermehrt dazu übergegangen ist, irreführende Informationen auf seiner Plattform zu kennzeichnen, und auch vor seinen Lügen nicht haltmachte, ist Trump außer sich.

US-Präsident Donald Trump im Mai 2020: Aushöhlung der Demokratie
Foto: Alex Brandon/ APDer Kurznachrichtendienst mische sich in den US-Wahlkampf 2020 ein, warf Trump der Onlineplattform vor. "Twitter unterdrückt die freie Meinungsäußerung und ich, als Präsident, werde es nicht zulassen, dass das passiert!", kündigte er am Dienstagabend ebendort - auf Twitter - an. Am Mittwoch legte er nach: Die Republikaner würden Social-Media-Plattformen "streng regulieren" oder sie gleich "ganz zumachen", bevor "konservative Stimmen" weiter zum Schweigen gebracht würden. Es ist unklar, wie das rechtlich funktionieren soll. Besorgniserregend ist die Drohung dennoch, denn sie führt dazu, dass die Demokratie in den USA weiter ins Wanken gerät.
Was war passiert? Ausgangspunkt des Eklats sind Trumps Tweets mit falschen Informationen zur Briefwahl. Trump stellte sich gegen diese Mittel der Stimmabgabe, weil er weiß, dass die meisten Briefwähler aus dem demokratischen Lager kommen. So behauptet er, dass der Gouverneur von Kalifornien, der Demokrat Gavin Newsom, die kommende Präsidentschaftswahl 2020 mit der Abstimmung per Brief manipulieren wolle. Es käme im Fall einer Briefwahl zu "massiver Korruption" und "Betrug", twitterte er. Briefkästen würden "ausgeräumt". Stimmzettel würden "gefälscht", "illegal ausgedruckt" und "betrügerisch ausgefüllt" werden.
Sollte Trump im November den Kürzeren ziehen, könnte er mögliche Schwächen im Briefwahlsystem vorschieben, um seinen Amtssitz trotzdem zu verteidigen. Schon jetzt bereite der US-Präsident "den Boden dafür, eine Niederlage bei der Wahl am 3. November einfach zu ignorieren", schreibt US-Korrespondent René Pfister.
Anders als zuvor ließ Twitter Trumps Irreführung diesmal aber nicht unkommentiert. Zwei von Trumps Tweets versah die Plattform mit einem Warnhinweis (lesen Sie hier den Kommentar meines Kollegen Patrick Beuth). Die verlinkte Seite führt zu einer von Twitter zusammengestellten Faktensammlung, die darauf hinweist, dass der Präsident in Bezug auf die Briefwahl Falschaussagen getroffen habe.
Den Angriff auf Twitter muss man auch im Zusammenhang mit der Coronakrise sehen, die die USA so schlimm trifft wie weltweit kaum ein anderes Land. Mehr als 100.000 Menschen sind durch Covid-19 gestorben. Trump geht keinem Konflikt aus dem Weg, um vom eigenen Versagen und jenem seiner Regierung abzulenken. Und jetzt trifft es Twitter.
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Katrin Kuntz