Wahlkampfmannschaft Steinbrücks 23-Prozent-Team

SPD-Kanzlerkandidat Steinbrück: Beinfreiheit, das war einmal
Foto: Hannibal Hanschke/ dpaBerlin - Zugegeben: Es gibt leichtere Dinge, als ein attraktives Schattenkabinett zusammenzustellen, wenn die Wahlchancen schlecht sind. Besonders Überraschungskandidaten sind dann schwer zu finden. Niemand gibt gerne seine Unabhängigkeit oder seinen sicheren Job auf, wenn der mögliche Ministerposten kaum mehr ist als eine nette Träumerei. Insofern war Peer Steinbrück mit seinem Projekt "Kompetenzteam" von Anfang an nicht zu beneiden.
Aber nach seinen ersten Nominierungen muss man sagen: Er hätte es vielleicht besser ganz lassen sollen. Die Berufungen sind enttäuschend. Sie sind fein säuberlich austariert zwischen Geschlechtern, Landesverbänden und Generationen. Und gerade deshalb beweisen sie, dass Steinbrück seine Kernkompetenz verloren hat: Er besitzt nicht mehr die Courage, der Partei etwas zuzumuten. Im Gegenteil - er ist nur noch darauf bedacht, den inneren Frieden der SPD zu bewahren. Beinfreiheit, das war einmal.
Niemand symbolisiert Steinbrücks Kotau vor den sozialdemokratischen Gesetzmäßigkeiten besser als Florian Pronold und Klaus Wiesehügel. Den Agenda-Kritiker Wiesehügel hat Steinbrück nominiert, um das Gewerkschaftslager zu mobilisieren. Mag sein, dass er dafür der richtige Mann ist. Aber Wiesehügel passt schlicht nicht zu Steinbrück.
"Rundgeschliffen wie Eierkohle"
Politisch kommen die beiden aus unterschiedlichen Universen. Während Wiesehügel gegen Hartz IV und die Rente mit 67 jahrelang zu Felde zog, zeigte sich Steinbrück als Fan dieser Entscheidungen. Antipoden gibt es in einer Volkspartei immer wieder. Aber wenn sie zusammen Wahlkampf machen müssen, wird es schwierig. Eine eindeutige Botschaft, wohin die SPD das Land nach einem Wahlsieg steuern würde, ist so kaum vermitteln. Für einen Kanzlerkandidaten, der mit dem Motto antritt, Klartext zu sprechen, ist das ein Problem.
Auch Florian Pronold schadet Steinbrück mehr, als er ihm nutzt. Der bayerische Landeschef besitzt Sachkompetenz, keine Frage. Aber er repräsentiert einen Politikertypus, den Steinbrück früher verachtete.
Pronold ist 40 Jahre alt, vor über 24 Jahren trat er in die SPD ein und stieg vom Unterbezirkschef bis zum stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden im Bundestag auf. Er ist ein Karrieregenosse, wie er im Buche steht. Früher bezeichnete Steinbrück Politiker wie ihn als "rundgeschliffen wie Eierkohle". Heute holt er sie in sein Team, nur weil ein schwächelnder Landesverband im Wahlkampf ein bisschen aufgepäppelt werden muss. Welch eine Wandlung.
Die Funktionärsebene der SPD wird mit den Berufungen zufrieden sein. Ein bisschen links, ein bisschen agendakritisch, das entspricht so ungefähr der Gemütslage vieler Genossen. Für Steinbrück könnten sich die Nominierungen noch rächen. Sie wirken, als habe er einen Wahlsieg schon abgeschrieben und wolle allenfalls noch die Kernwähler mobilisieren. Eigentlich ist Steinbrück Kanzlerkandidat geworden, um über die Parteigrenzen hinweg Menschen anzusprechen. Für die Kernwähler hätte man auch Sigmar Gabriel nehmen können.
Die gute Nachricht: Es kommen noch ein paar Nominierungen. In den nächsten Wochen wird Steinbrück die verbleibenden Mitglieder seines Teams vorstellten. Vielleicht beweist er ja doch noch ein bisschen Mut.