Union und SPD nach der Hessenwahl Auf Bewährung

Der Absturz von CDU und SPD bei der hessischen Landtagswahl destabilisiert die Koalition in Berlin - und die Vorsitzenden Merkel und Nahles. Kandidiert die Kanzlerin im Dezember wirklich erneut als Parteichefin?
Merkel, Nahles

Merkel, Nahles

Foto: AP; AFP

Bei der CDU gibt es an diesem Wahlabend immerhin noch Frankfurter Würstchen und Kartoffelsalat, auch Wein und Bier wird den Gästen in der Parteizentrale am Berliner Tiergarten gereicht. Obwohl es kaum einem hier zum Feiern zumute ist mit Blick auf die hessischen Zahlen, die ab 18 Uhr über die Bildschirme laufen. Aber wenigstens bleibt die CDU trotz massiver Verluste klar stärkste Partei und wird wohl mit Volker Bouffier auch weiterhin den Ministerpräsidenten stellen.

In der SPD-Parteizentrale, einige Kilometer südöstlich, wird neuerdings schon gar niemand mehr eingeladen zu Landtagswahl-Partys - und für die Journalisten gibt's an diesem Abend bei den Statements nur Wasser. Bitterer geht es auch kaum: um die 20 Prozent in Hessen, wo die Sozialdemokraten jahrzehntelang den Ministerpräsidenten gestellt haben.

In Berlin regieren CDU und SPD gemeinsam mit der CSU - nur: wie lange noch? Das ist die Frage, die nach diesem Abend weitere Brisanz erhält. Und gleichzeitig dürfte die Debatte um das jeweilige Spitzenpersonal weitergehen, vor allem in der CDU mit Blick auf Parteichefin und Kanzlerin Angela Merkel.

"Wir haben nicht nur keinen Rückenwind aus Berlin erhalten, sondern wir hatten regelmäßig Sturmböen im Gesicht", sagt SPD-Spitzenkandidat Thorsten Schäfer-Gümbel. Bei seinem Widersacher Bouffier klingt das so: "Die Botschaft, die man von Hessen natürlich nach Berlin geben kann und muss: Die Menschen möchten weniger Streit, sie möchten sachorientierte Arbeit."

Harte Worte sind das Richtung Berliner GroKo.

Aber wer beispielsweise CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer zuhört, als sie gegen halb sieben vor die Journalisten tritt, hört keine Widerworte. Sondern eher eine Art Eingeständnis. Es könne nur eine Schlussfolgerung aus dem hessischen CDU-Absturz geben, sagt sie: Die Koalition müsse "besser werden". SPD-Chefin Andrea Nahles, die sich am Abend im Willy-Brandt-Haus äußert, sagt: "Zu den Verlusten der SPD in Hessen hat die Bundespolitik erheblich beigetragen" - der Zustand der Regierung sei "nicht akzeptabel".

Leugnen wäre ja auch zwecklos: Die Koalition hat sich ein so schlechtes Image erstritten und erzetert, dass die jeweiligen Parteien auch bei Landtagswahlen darunter zu leiden haben - das hatten vor zwei Wochen CSU und SPD bereits in Bayern erfahren müssen.

Im Video: So hat Hessen gewählt

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Aber noch halten die maßgeblichen Akteure an der GroKo fest - sie muss aus Sicht von Kramp-Karrenbauer, Nahles & Co. eben nur besser und vor allem für die Bürger wirkungsvoller agieren. Die CDU-Generalsekretärin will drei Themen identifizieren, die sich die Koalition für die kommenden Monate vornimmt, die SPD-Vorsitzende möchte dem Parteivorstand an diesem Montag ebenfalls Pläne für die Regierung vorstellen.

Nahles spricht von einem "Fahrplan", an dessen Umsetzung man dann bis zur vereinbarten Halbzeitbilanz ablesen könne, "ob wir in dieser Regierung noch richtig aufgehoben sind". Die sogenannte Revisionsklausel zur Hälfte der Legislatur war für die SPD ohnehin Bedingung dieser Koalition - aber inzwischen fragen sich immer mehr Sozialdemokraten, ob man so lange noch weitermachen kann.

Geht das noch mit der SPD - und Merkel?

Kann das noch lange gutgehen mit dieser SPD? Vor dieser Frage wiederum stehen nach der Hessen-Wahl CDU und CSU. Doch in der Union geht es dabei eben auch um die Rolle Merkels. Denn die Kanzlerin steht für diese Regierung, unter großen Mühen hat sie nach den erfolglosen Jamaika-Sondierungen eine Neuauflage der GroKo geschmiedet, das Bündnis ist aus Merkels Sicht alternativlos.

Auf dem CDU-Parteitag im Dezember will die Vorsitzende erneut kandidieren, so ihre Ankündigung. Kanzlerschaft und Parteivorsitz gehören aus Merkels Sicht in eine Hand. Aber hat sie dafür wirklich noch die notwendige Rückendeckung? Merkel ist, das zeigen die Nachwahluntersuchungen zu Hessen, weitaus weniger hilfreich für ihre Partei als früher. Der Merkel-Faktor, von dem die CDU so lange gezehrt hat, ist aufgebraucht - trotz aller Beteuerungen führender Christdemokraten, welch großartige Kanzlerin und Staatsfrau die Parteichefin nach wie vor sei. Vor allem ihrer Flüchtlingspolitik wegen ist Merkel für einen Teil der Bürger ein Malus.

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"Die Bundesvorsitzende hat ganz klar erklärt, dass sie auf dem Parteitag noch mal antreten wird. Und ich habe bis zur Stunde keine anderen Signale", sagt Generalsekretärin Kramp-Karrenbauer am Abend. Sie könnte auch klipp und klar sagen: Ich unterstütze die erneute Kandidatur der Parteichefin. Aber das tut sie nicht. Denn Kramp-Karrenbauer könnte selbst antreten, falls Merkel sich die Sache doch nochmal anders überlebt. Sie gilt sogar als Lieblings-Nachfolgerin der Amtsinhaberin.

Auch Jens Spahn äußert sich nach der Hessenwahl. Dem Bundesgesundheitsminister werden ebenfalls Ambitionen auf den Parteivorsitz nachgesagt. "Ich finde, eine reine Personaldebatte greift da zu kurz", sagt er zu den Problemen seiner Partei. "Das reicht nicht, es geht ja um mehr." Auch das sind Sätze, die einiges offenlassen. Ein anderer möglicher Kandidat, der CDU-Vize und nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet, sagt gar nichts an diesem Abend.

Am Montag tagen die Führungsgremien der CDU, am Wochenende gleich noch mal. Da werden sie alle viele Stunden zusammensitzen - unter anderem Merkel, Kramp-Karrenbauer, Spahn, Laschet.

Anschließend sollte man auf die Signale genau hören.

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