Infografik der Woche Gute Integration - und das Islamproblem
Was bedeutet Integration im Alltag? Die Debatte um ein Verbot der Ganzkörperverschleierung zeigt, wie umstritten viele Forderungen an Migranten in Deutschland sind. Welche Rolle die Kleidung im Extremfall spielt, betonte jüngst auch die Bundeskanzlerin: "Aus meiner Sicht hat eine vollverschleierte Frau in Deutschland kaum eine Chance, sich zu integrieren", sagte Merkel in einem Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
Eine große Befragung unter türkischstämmigen Menschen in Deutschland belegt eindrücklich, dass einzelne Aspekte der Integration sehr unterschiedlich bewertet werden. Die Infografik der Woche von SPIEGEL ONLINE und Statista stellt vier zentrale Ergebnisse aus der Studie von TNS Emnid für die Wilhelms-Universität in Münster gegenüber.
Besonders häufig wurden demnach das Erlernen der deutschen Sprache (91 Prozent) und das Befolgen hiesiger Gesetze (84 Prozent) als sinnvoll für eine gelungene Integration betrachtet. Nur jeweils knapp ein Drittel der Befragten hielt es hingegen für wirkungsvoll, die eigene Kleidung anzupassen oder die deutsche Staatsangehörigkeit anzustreben.
Während diese Antworten die Positionen der aktuellen Debatte also widerspiegeln, unterscheiden sie sich in einem anderen Punkt stark von denen der Gesamtbevölkerung: Befragt nach ihren Assoziationen mit dem Islam, nannten mehr als 50 Prozent der Türkischstämmigen Begriffe wie Solidarität, Toleranz, Friedfertigkeit und die Achtung der Menschenrechte. Wie eine frühere Studie der Uni Münster zeigt, verbindet unter der Gesamtbevölkerung nicht einmal jeder Zehnte diese Attribute mit dem Islam.
Deutlich stärker sind in dieser Gruppe hingegen negative Assoziationen verbreitet. Gewaltbereitschaft, Fanatismus und die Benachteiligung der Frau wurden vom überwiegenden Teil der Befragten in der Gesamtbevölkerung dem Islam zugeordnet. Unter den Teilnehmern der Studie mit türkischen Wurzeln waren die Anteile für diese Begriffe weitaus geringer.
Wozu derartige Zuschreibungen führen, wird vor allem in Extremsituationen deutlich. Vier von fünf Befragten mit türkischen Wurzeln stimmten der Aussage zu, es mache sie wütend, "wenn nach einem Terroranschlag als Erstes die Muslime verdächtigt werden". Zugleich zeige sich immer wieder "eine vehemente Verteidigung der eigenen religiösen Zugehörigkeit", so die Autoren der Studie.
Damit bestätigt die Befragung, was für viele Menschen in Deutschland längst selbstverständlich ist: Negative Vorurteile und unterschiedliche Erwartungshaltungen behindern die Integration besonders. Gelingen kann sie wohl nur, wenn sich beide Seiten bewegen - und mehr übereinander lernen.