Ex-RAF-Terroristin will aussagen Respekt für Verena Becker

"Wird sie sagen, dass sie geschossen hat?" Diese Frage wurde am Donnerstag im Stuttgarter Oberlandesgericht heiß diskutiert. Die Verteidiger der Ex-RAF-Terroristin Verena Becker haben im Prozess um den Buback-Mord eine Aussage ihrer Mandantin angekündigt - nach eineinhalbjähriger Verhandlung.
Verena Becker 2010 im Gericht in Stuttgart-Stammheim: Aussage nach eineinhalb Jahren

Verena Becker 2010 im Gericht in Stuttgart-Stammheim: Aussage nach eineinhalb Jahren

Foto: Bernd Weissbrod/ dpa

Bisher hat die Angeklagte geschwiegen, sehr zum Missfallen des Nebenklägers Michael Buback. Denn der Sohn des am 7. April 1977 von der RAF ermordeten Generalbundesanwalts Siegfried Buback scheint an nichts mehr interessiert zu sein als an der Klärung der Frage, welche vermummten Personen damals in Karlsruhe von einem Motorrad der Marke Suzuki aus auf den Dienst-Mercedes seines Vaters geschossen, Sie töteten dabei drei Personen - den Generalbundesanwalt, den Fahrer Wolfgang Göbel und den Justizwachtmeister Georg Wurster.

Zwar sind mit Knut Folkerts, Christian Klar und Brigitte Mohnhaupt 1980 und 1985 drei RAF-Mitglieder schon als Buback-Mörder verurteilt worden. Alle drei waren an dem Attentat in unterschiedlicher Weise beteiligt, doch keiner von ihnen saß auf dem Motorrad. Vor allem der Name jener Person, die seinerzeit an der Kreuzung Linkenheimer Tor/Moltkestraße in den Wagen des Generalbundesanwalts hineinschoss, blieb unbekannt.

Verena Becker wird von zwei ausgewiesenen Strafverteidigern, Walter Venedey und Hans Wolfgang Euler, beraten. Es ist nicht vorstellbar, dass sie ihre Mandantin zu einer Aussage ermutigt haben, die sie lebenslang ins Gefängnis bringen würde. Ganz abgesehen davon, dass Frau Becker als Todesschützin nicht angeklagt ist.

Die Bundesanwaltschaft wirft ihr vor, maßgeblich an der Entscheidung, das Attentat zu verüben, und an dessen Planung beteiligt gewesen zu sein. Dass am Kuvert eines Bekennerschreibens, jedoch nicht an diesem selbst, DNA von Frau Becker gefunden wurde, nachdem im April 2008 wieder Ermittlungen aufgenommen worden waren, verstärkte den Verdacht, die Ex-Terroristin könnte "in der Gesamtschau" in das Verbrechen involviert gewesen sein.

Es gibt keine Beweise

Doch die Beweislage ist trotz eines überaus sorgfältig geführten und jedes Detail mehrfach beleuchtenden Strafverfahrens noch immer ausgesprochen dünn. Dafür, dass die Angeklagte die Schützin gewesen sein soll, gibt es keine Beweise. Es gibt sie nur für den, der sich von einer solchen Version um keinen Preis abbringen lassen will.

Michael Buback, dem Nebenkläger, scheint bewusst zu sein, dass ihn eine Aussage der Angeklagten nicht wird zufriedenstellen können. Denn was ist zu erwarten? Frau Becker wird sich voraussichtlich im Wesentlichen zur Anklage äußern, möglicherweise auch zur Frage, welche Rolle sie damals innerhalb der RAF spielte und wo sie sich an jenem 7. April vor 35 Jahren aufgehalten hat. Keiner der im Prozess vernommenen Zeugen hat sie als Täterin ausgemacht, keiner hat sie nachweislich in Karlsruhe gesehen. Ob Verena Becker jemals dort war und Ortskenntnisse besaß - es ist nichts darüber bekannt.

Eine einzige Zeugin will am Vortag des Attentats an der besagten Kreuzung einen weiß-grauen VW wahrgenommen haben, aus dem heraus eine Frau mehreren Personen zuwinkte. Es gibt keinen belastbaren Anhaltspunkt, dass dies Verena Becker war. Wer die Personen auf dem Fußgängerweg waren? Es ist ebenfalls unklar. Und man darf auch die Frage stellen, ob jemand, der einen Tatort auskundschaftet, wohl durch auffälliges Winken auf sich aufmerksam macht.

Die angekündigte Aussage sei bloß Verteidigertaktik, mutmaßen manche Prozessbeobachter. Sie haben offenbar nicht mitbekommen, wie sich die Angeklagte dem Nebenkläger zuwandte und ihm zuhörte, als er im vergangenen November über Stunden als Zeuge aussagte. Sie verhielt sich anders als jene unbelehrbaren Zeugen aus der ehemaligen RAF, die zwar keine Bomben mehr legen und nicht mehr schießen, sich aber weigern, diesem Staat oder einer ihrer Institutionen auch nur einen Schritt entgegenzukommen und daher ihr Wissen nicht preisgeben.

"Wir waren alle so!"

Wer den Prozess gründlich beobachtet hat, gewann durchaus den Eindruck, dass sich diese Angeklagte mit ihrer Vergangenheit und ihren Taten auseinandergesetzt hat, ja, dass ihr das Ausmaß dessen bewusst ist, was damals angerichtet worden ist. Wenn sie jetzt spricht - Verteidigertaktik hin oder her -, verdient dies Respekt.

Dass Verena Becker in der RAF war, ist unbestritten. Dass sie damals auch nicht jene zusammengesunkene Person war, als die sie in dem Stuttgarter Prozess zu beobachten ist, sondern eine junge Frau voller Vitalität - auch das ist unbestritten. Peter-Jürgen Boock, ebenfalls Zeuge in dem Verfahren und auskunftsfreudig wie immer, seit er sein Schweigen gebrochen hat, sagte : "Wir waren alle so!"

Kann man daraus ableiten, ausgerechnet Frau Becker habe den Tatentschluss befördert? Den Tatentschluss der wahren Täter? Ausgerechnet Verena Becker, die nicht zum intellektuellen Kern der Bande gehörte, soll besonders dominant gewesen sein?

Die Verteidigung hat angekündigt, die Angeklagte werde sich am 14. Mai "umfassend zur Sache äußern". Sie werde sich nicht verstecken. Er gehe davon aus, sagt Michael Buback, dass die Angeklagte auf jeden Fall wisse, "wer die Täter auf dem Motorrad waren". Woher weiß er das?

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