Olaf Scholz in Washington Heiter vor dem Weißen Haus

Ein letztes Mal ist Olaf Scholz als Finanzminister in die US-Hauptstadt gereist. In das Weiße Haus führte ihn dieser Kurztrip noch nicht – doch der guten Laune schadete das kaum.
Aus Washington berichtet Konstantin von Hammerstein
Scholz hält ein Pressestatement vor dem Weißen Haus in Washington

Scholz hält ein Pressestatement vor dem Weißen Haus in Washington

Foto: Thomas Koehler/ photothek.de / imago images/photothek

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Irgendwann ist es selbst ihm zu viel. Da steht Olaf Scholz auf der Dachterrasse des Hive Hotels in Washington, und ihm fallen die Augen zu. Für ein paar Sekunden nickt er weg. Im Stehen. Wer könnte es ihm verdenken?

In Deutschland ist es schon fünf Uhr morgens. Normalerweise läge er im Bett, doch jetzt muss er hier auf der Hotelterrasse stehen und geduldig die Fragen der Korrespondenten beantworten. Was für ein endloser Tag.

Am Dienstagvormittag führte Scholz in Berlin noch die Sondierungsgespräche mit FDP und Grünen. Dann flog er im Regierungsflieger neun Stunden lang nach Washington, machte sich im Hotel kurz frisch und fuhr in die Residenz der kanadischen Botschafterin. Abendessen mit seiner Amtskollegin Chrystia Freeland aus Ottawa. Scholz trinkt schon lange kaum noch Alkohol, aber mit Freeland stieß er an diesem Abend mit einem Glas Champagner an. Man hatte Grund zu feiern.

Scholz kommt in Washington an

Scholz kommt in Washington an

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Die Kanadierin ist Scholz' enge Verbündete. Gemeinsam kämpften die beiden die letzten Jahre für eine globale Mindeststeuer von 15 Prozent für große Unternehmen. Jetzt ist es so weit. »Yes, we made it!«, ruft Scholz am nächsten Vormittag in die Mikrofone. 136 Staaten haben der Vereinbarung inzwischen zugestimmt, darunter die wichtigsten Volkswirtschaften der Welt.

Scholz und Freeland haben sich so aufgestellt, dass im Hintergrund das Weiße Haus zu sehen ist. »Merci beaucoup, Olaf, für die gute Zusammenarbeit«, sagt die Kollegin und gratuliert ihm und der SPD, den »guten Freunden Kanadas«, zu ihrem Wahlerfolg. Da kann selbst Scholz für einen Moment seinen wahren Gemütszustand nicht mehr verbergen. Er lächelt, es geht ihm gut, bald wird er Kanzler sein. Daran hat er keinen Zweifel.

Bundesfinanzminister Olaf Scholz und Chrystia Freeland, Finanzministerin von Kanada, bei einem Spaziergang

Bundesfinanzminister Olaf Scholz und Chrystia Freeland, Finanzministerin von Kanada, bei einem Spaziergang

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Doch jetzt ist er noch ein letztes Mal als Finanzminister unterwegs. Das Jahrestreffen von IWF und Weltbank ist ein Pflichttermin für ihn und seine Kollegen. Man darf es nicht schwänzen, selbst wenn man gerade dabei ist, eine neue Regierung zu bilden. Und so ist Scholz angereist, wenn auch nur für einen Tag. Schon am Mittwochabend geht es zurück, Donnerstagmittag wird er wieder in Berlin landen. Schließlich sollen am Freitag die Sondierungen beendet werden, und da darf er nicht fehlen.

Das Treffen mit Biden muss noch warten

Ob er US-Präsident Joe Biden schon kenne, wird er immer wieder gefragt, doch Scholz kennt ihn nicht. Er wird ihn auch jetzt nicht treffen. Das kann noch warten. Er wird ihn noch früh genug kennenlernen. Nein, jetzt ist er als Finanzminister in Washington und nicht als zukünftiger Kanzler.

Doch natürlich ist das nur die halbe Wahrheit. Die Sondierungen in Berlin treiben ihn mindestens so um wie der Kampf für eine globale Mindeststeuer. Und auch da ist er bester Dinge. Wer Scholz bei seinem Kurztrip in die USA begleitet, erlebt einen Mann, der mit sich und der Welt im Reinen zu sein scheint. Sein Gemütszustand lässt sich mit einem Wort beschreiben: heiter.

Er hat in seinem Leben an genug Koalitionsverhandlungen teilgenommen, um nicht wieder die alten Fehler zu wiederholen. Erfolgreich wird man nur sein, wenn sich alle Partner am Ende in dem Ergebnis wiederfinden können. Das Ergebnis der Verhandlungen darf nicht nur gut für die SPD sein, es muss gut für alle sein. Davon ist Scholz überzeugt. Wer die Koalitionäre von vorneherein in »Koch« und »Kellner« unterteilt, wird verlieren.

Das nächste Mal im Weißen Haus?

Und noch etwas weiß er aus seiner Zeit als Anwalt und Arbeitsrechtler. Gesellschaftsverträge schließt man zwar, aber sobald man glaubt, reinsehen zu müssen, ist klar, dass es ein Problem gibt. Für Koalitionsverträge gilt das Gleiche.

Scholz' Gemütszustand lässt sich mit einem Wort beschreiben: heiter.

Scholz' Gemütszustand lässt sich mit einem Wort beschreiben: heiter.

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Keine der Parteien ist aus dem Wahlkampf so rausgekommen, wie sie reingegangen ist. Alle haben sich verändert, und alle werden sich im Laufe der Verhandlungen weiter verändern, glaubt Scholz. An keiner Partei lässt sich das so gut demonstrieren wie an der SPD. So mutlos, wie sie in den Wahlkampf gezogen ist. Und so optimistisch, wie sie wieder rausgekommen ist. Das wird auch die Koalitionsverhandlungen bestimmen.

Scholz hat aufmerksam studiert, was der britische Labour-Premier Tony Blair einmal gesagt hat. Man solle nie anders regieren, als man es im Wahlkampf versprochen habe. Was umgekehrt heißt: Man soll im Wahlkampf nicht versprechen, was man in der Regierung später nicht halten kann. Scholz hat da eine reine Weste. Er ist sich sicher, dass er die Blair-Regel in den letzten Monaten buchstabengetreu erfüllt hat.

Und so gibt er sich am Mittwochvormittag vor dem Weißen Haus siegessicher. Die nächste Neujahrsansprache als Kanzler werde er halten. Daran lässt er keinen Zweifel. Über Weihnachten wird er ein paar Tage lang Urlaube machen. Und irgendwann dann auch wieder in Washington sein. Dieses Mal als Gast des US-Präsidenten im Weißen Haus.

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