Opfer von NS-Militärjustiz Wehrmachtsdeserteur Ludwig Baumann ist tot

Einer der bekanntesten Deserteure aus Hitlers Wehrmacht ist nach SPIEGEL-Informationen gestorben. Ludwig Baumann hatte sich vehement für die Annullierung der NS-Militärgerichtsurteile eingesetzt.
Ludwig Baumann (Archivbild von 2015)

Ludwig Baumann (Archivbild von 2015)

Foto: Daniel Bockwoldt/ picture alliance / dpa

Die NS-Justiz hatte ihn als Deserteur zum Tode verurteilt, nach dem Krieg wurde er als "Volksschädling" und "Verräter" beschimpft: Aus diesen Erfahrungen heraus widmete sich Ludwig Baumann über Jahrzehnte dem politischen Kampf für die Annullierung der NS-Militärgerichtsurteile. Das machte ihn bundesweit bekannt. Nun ist Baumann nach Informationen des SPIEGEL im Alter von 96 Jahren gestorben.

Baumann, Vorsitzender des Bundesverbands Opfer der NS-Militärjustiz, war einer von rund 30.000 Deserteuren, Verweigerern und "Kriegsverrätern", wie sie im NS-Regime genannt wurden, die von der Militärjustiz zum Tode verurteilt worden waren. Etwa 20.000 von ihnen wurden hingerichtet, Baumann galt als der letzte Überlebende.

Baumann wurde am 13. Dezember 1921 in Hamburg geboren. Damals erholte sich Deutschland gerade noch von den Folgen des Ersten Weltkriegs. Die Eltern, gut situiert als Tabakgroßhändler, setzten große Hoffnungen in ihren Jungen, der aber als Legastheniker eher auf eine Ausbildung zum Maurer setzte.

Mit Hitlers Angriffskrieg wollte er nichts zu tun haben. Mit anderen Soldaten desertierte Baumann 1942 als Marine-Gefreiter im französischen Bordeaux. Er wurde gefasst.

Von der Todeszelle ins KZ

Das Gericht des Marinebefehlshaber Westfrankreichs verurteilte Baumann zum Tode. Das Strafmaß wurde nach einer Intervention des Vaters bei einflussreichen Bekannten aber in zwölf Jahre Zuchthaus umgewandelt. Baumann verließ die Todeszelle im April 1943, allerdings nur um in eine andere Hölle weitergeschickt zu werden: das KZ Esterwegen, Wehrmachtsgefängnis Fort Zinna Torgau, und schließlich in ein Strafbataillon an der Ostfront.

Diese Erfahrungen ließen Baumann später zum Kämpfer werden. Sein politisches Engagement begann Anfang der Achtzigerjahre mit der Friedensbewegung. 1990 gründete er mit damals noch 37 Mitstreitern den Bundesverband Opfer der NS-Militärjustiz, dessen beharrliche Aufklärungsarbeit in ein Gesetzgebungsverfahren mündete. 2002 - 60 Jahre nach Baumanns Todesurteil - erklärte der Bundestag die Schandurteile der NS-Militärrichter für nichtig.

Erst 2009 aber hob der Bundestag schließlich auch die Urteile gegen sogenannte Kriegsverräter auf. Auch daran war Baumann maßgeblich beteiligt, er baute öffentlichen Druck auf. Unterstützung bekam er aus der Wissenschaft und der Politik, der Linkspartei-Abgeordnete Jan Korte wurde zu einem seiner wichtigsten Mitstreiter. Korte beschreibt die Zusammenarbeit mit Baumann heute als "bewegende Zeit". "Baumann hat unter widrigsten Umständen mehr für die Aufarbeitung getan als alle Bundestage zusammen." Er habe "unendlich viel geleistet", was immer noch zu wenig gewürdigt werde.

vks, Mitarbeit: Markus Deggerich
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