Der Bund erlaubt Familien ein gemeinsames Fest unterm Weihnachtsbaum – aber Hotels sollen geschlossen bleiben. Das hilft weder Bürgern noch Hoteliers. Und auch nicht gegen das Infektionsgeschehen.
Bildschirm mit Hygienemaßnahmen in einem Hotel in München, Juni 2020
Foto: Sven Hoppe / dpa
Es klingt für viele nach frohen Nachrichten, so kurz vor dem Fest: Bis zu zehn Personen dürfen an Weihnachten und Silvester zusammenzukommen, ausgenommen sind Hotspots wie Berlin. Doch wer sich bereits mit der Familie berät, wie und wo die Festlichkeiten unter Einhaltung der Regeln stattfinden sollen, stellt schnell fest, dass es einen Haken bei der Sache gibt: Hotels sollen für Reisende trotzdem geschlossen bleiben. Das ergibt keinen Sinn.
Das Offensichtliche gleich vorweg: Nicht jede Familie hat Platz, Oma, Opa, Tante oder Bruder bei sich unterkommen zu lassen. Nicht jeder hat ein Haus, ein Gästezimmer oder eine große Schlafcouch. Wenn mehr als zwei Haushalte das Fest gemeinsam verbringen möchten, wird es selbst in den größeren Wohnungen eng. Doch auch wenn der Platz reicht – nicht jeder, der Weihnachten mit der Familie verbringen will, möchte bei seiner Verwandtschaft auch schlafen.
Das sehen offenbar auch einige Länder so, weshalb sich mittlerweile fünf von der Empfehlung des Bundes abkoppeln: Berlin, Schleswig-Holstein, Hessen, Nordrhein-Westfalen und seit dem Wochenende auch Mecklenburg-Vorpommern. Wer eine Verwandtenreise mache, »der muss ja auch die Chance haben, irgendwo übernachten zu können«, sagte Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU). Kanzleramtschef Helge Braun ist verärgert, weil seiner Meinung nach die Gefahr eines touristischen Angebots durch die Hintertür bestünde. Und auch Bundeskanzlerin Angela Merkel kritisiert die Entscheidung der Länder, das Übernachtungsverbot nicht mitzutragen.
Es stimmt, dass sich kaum nachprüfen lässt, ob Hotelgäste ihre Familie besuchen möchten oder Touristen sind. Allerdings gilt diese Unsicherheit für die meisten Corona-Beschränkungen. Auch bisher konnte man nicht kontrollieren, wen Hotels als Gäste empfangen: Erlaubt sind »Geschäftsreisen«, keine touristischen Reisen, doch wirklich überprüfen kann auch das keiner. Es braucht also, wie so oft bei den Corona-Regeln, Vertrauen. Denn wer noch immer nicht verstanden hat, dass jetzt nicht die Zeit für Städtetrips über Weihnachten ist, der hat den Ernst der Lage auch mit geschlossenen Hotels nicht erkannt.
Medizinisch betrachtet sind die Weihnachtstage ein Festspiel der Aerosole. Auf engem Raum essen, trinken und lachen viele Menschen stundenlang ohne Maske und Abstand. Verschärft wird die Situation, wenn alle zusätzlich unter einem Dach schlafen. Sind die Hotels offen, gäbe es eine andere, bessere Möglichkeit: Dort gelten strikte Hygienemaßnahmen wie Maskenpflicht, Mindestabstand und mehrmals tägliche Reinigung. Hotelbars sind nach wie vor geschlossen. Viel gefährlicher ist es, wenn Menschen sich aus der Not heraus andere Übernachtungsmöglichkeiten suchen müssen. Schlimmstenfalls weichen sie auf andere Angebote aus, um ein freies Zimmer in einer anderen privaten Wohnung zu mieten.
Auch für die Hotels, die finanziell ums Überleben kämpfen, ist die Situation prekär: Sie hätten die Chance, über die Weihnachtsfeiertage erstmals seit Monaten wieder ein paar Betten zu füllen. Stattdessen können sich jetzt nur die freuen, die in einem der Bundesländer sind, die das Verbot nicht aussprechen wollen. Das ist der altbekannte Flickenteppich in Deutschland, der sowohl für Geschäftsinhaber als auch für Bürger unfaire Folgen hat: Nicht alle haben über die Festtage die gleiche Chance auf einen sicheren Rückzugsort und ein Bett zum Schlafen.