Weihnachtsappell Bischöfe verlangen Familien-Offensive
Frankfurt am Main - Deutliche Worte zum Heiligabend: Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Wolfgang Huber, betont in seiner Weihnachtsbotschaft, nicht nur Erzieher oder Lehrer seien gefordert: Auch Nachbarn, die mit der Vernachlässigung von Kindern konfrontiert seien, müssten handeln. "Im Zentrum unseres Handelns muss das Wohl und die Würde der Kinder stehen." In der Christvesper im Berliner Dom sagte Huber: "Die Bilder von vernachlässigten Kindern haben uns aufgeschreckt."
Auch Christoph Kähler, Landesbischof der Evangelisch-Lutherische Kirche in Thüringen und stellvertretende EKD-Vorsitzender, macht den Schutz der Kinder zum zentralen Thema seines Weihnachtsworts: "Kinder zu lieben, ihnen Geborgenheit und Herzenswärme zu schenken, scheint uns etwas Selbstverständliches", sagt er. "Umso mehr erschrecken uns Nachrichten von Müttern und Vätern, die sich ihrer Kinder entledigen, die sie töten, die Liebe infrage stellen - und damit ihr eigenes Leben." Kähler forderte Begegnungsstätten, wo Menschen offen über ihre Not sprechen können, ohne gleich zu Problemfällen zu werden.
Der Bischof der Pommerschen Evangelischen Landeskirche, Hans-Jürgen Abromeit, rief zu einem neuen Umgang mit der Familie auf. Den Deutschen sei zwar die Familie "heilig". Die Strukturen etwa in der Arbeitswelt und auf dem Wohnungsmarkt seien aber eher familienunfreundlich, sagt er in seiner vorab veröffentlichten Weihnachtspredigt im Greifswalder Dom. Zur Familie als Grundlage des menschlichen Zusammenlebens gebe es keine Alternative.
Frank Otfried July, Bischof der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, erklärt: "Wenn Gott als armes Kind zur Welt kommt, dann hat Armut für ihn einen ganz anderen Stellenwert als für die globalisierte Weltwirtschaft." Gott habe Armut erlebt, deswegen sei die Benachteiligung und Chancenungleichheit von Kindern aus sozial schwachen Familien kein Thema, das die Kirchen aus aktuellem Anlass aufgenommen haben, sondern es gehöre zum Grundton von Weihnachten.
Auch Landesbischöfin Margot Käßmann erinnert in ihrer Predigt in der Marktkirche in Hannover an die misshandelten und getöteten Kinder in Deutschland. Die Bischöfin sagte: "Maria und Josef, so schwierig die Situation sein mag, tun, was sie können für dieses Kind. Solche Eltern, die in aller Armut für ihr Kind da sind, wünschen wir jedem Kind."
Lehmann: "Wir sind im Alltag weit weg von Erbarmen"
Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann, kritisiert einen erbarmungslosen Umgang mit Schwächeren im Allgemeinen. Lehmann bedauerte, dass Mitleid oft verschüttet sei. "Wir sind im Alltag unseres Lebens in vielen Strukturen weit weg von solchem Erbarmen. Oft stoßen wir das, was schwach ist und unsere Hilfe braucht, eher noch weg, geben ihm einen Tritt, erledigen den Konkurrenten gar", schrieb der Kardinal in einem von der "Rhein-Neckar-Zeitung" veröffentlichten Beitrag. "Wir brauchen ein Gegengewicht zu solch unbarmherzigem Tun."
Das Erbarmen gehöre zu den Grundworten der Botschaft von Weihnachten ebenso wie Friede, Freude, Treue und Gerechtigkeit. Zwar könne man die Welt nicht allein nur nach freigebender Barmherzigkeit regieren. "Aber es braucht die Barmherzigkeit auch als einen Stachel, als einen Antrieb für alle Gerechtigkeit, damit wir überhaupt in unserem Herzen gerührt werden; damit wir wahrnehmen können, dass ein anderer leidet, damit wir in und durch Solidarität mit ihm sehen, was ist", schrieb Lehmann. Im Sinne christlicher Barmherzigkeit gebe es kein "Oben" und "Unten". "Wir alle brauchen das Erbarmen Gottes und sind alle in diesem Sinne gleich."
Auch die Bundesregierung nimmt sich zu Weihnachten des Themas Kinderschutz an. Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) und Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) planen, stärker als bisher die Rechte von Eltern einzuschränken, wenn sie an der Erziehung scheitern. Falls Eltern ihrer Fürsorgepflicht nicht nachkämen, müsse es möglich sein, ihnen in letzter Konsequenz das Sorgerecht zu entziehen, sagte von der Leyen.
ase/AP/dpa