Französische Attacken gegen Merkel Gutes Deutschland, böses Deutschland

Die Attacken sozialistischer Politiker gegen Kanzlerin Angela Merkel in Frankreich sorgen für Verwunderung in Berlin. Außenminister Guido Westerwelle weist die Kritik zurück. Können Paris und Berlin den Konflikt um den richtigen Euro-Kurs wieder eindämmen?
Merkel und Hollande (Dezember 2012): In einigen Fragen der Euro-Rettung im Dissens

Merkel und Hollande (Dezember 2012): In einigen Fragen der Euro-Rettung im Dissens

Foto: Cornelius Poppe/ dpa

Paris - Kurz nach Jahresende feierten Deutschland und Frankreich ein halbes Jahrhundert Elysée-Vertrag. Der sozialistische Parlamentspräsident Claude Bartolone sprach im Bundestag den schönen Satz: "Der Nährboden unserer Freundschaft ist die Gegenwart."

Doch das deutsch-französische Verhältnis hat sich eingetrübt. Parlamentspräsident Bartolone hat mit seiner Äußerung über die Sparpolitik Angela Merkels in der Euro-Krise für Ärger gesorgt - in Deutschland, aber auch in Frankreich. Staatspräsident François Hollande rief er zur "Konfrontation" mit der deutschen Kanzlerin auf. In der sozialistischen Partei kursiert zudem ein 21 Seiten langes Papier des linken Flügels, in dem es heißt, Merkel denke "an nichts anderes als an die Spareinlagen der Anleger jenseits des Rheins, an die von Berlin verzeichnete Handelsbilanz und an die nächsten Wahlen".

Es sind aufgeregte Töne.

In Deutschland wird die französische Debatte mit einer Mischung aus Verwunderung und leiser Empörung beobachtet. Seit längerem hat sich in Berlin der Eindruck verfestigt, Teile der sozialistischen Partei versuchten, mit der Kritik an Deutschlands Euro-Kurs von den internen Problemen abzulenken - von der Wachstumsschwäche der Wirtschaft, von der hohen Arbeitslosigkeit, vor allem unter den Jugendlichen. Und nicht zuletzt von den schlechten Umfragewerten, die Hollande seit Monaten begleiten.

Mehrere Tage haben führende deutsche Politiker zu den jüngsten Äußerungen aus der Regierungspartei Frankreichs geschwiegen. Am Montag meldet sich Außenminister Guido Westerwelle zu Wort. "Die aktuelle Debatte über die Zukunft Europas ist kein Konflikt zwischen Deutschland und Frankreich, sondern eine notwendige Diskussion zwischen unterschiedlichen politischen Schulen um den richtigen Weg aus der Krise", sagt der FDP-Politiker SPIEGEL ONLINE.

Westerwelle will den Konflikt nicht hochspielen. "Das haut die deutsch-französische Freundschaft nicht um. Aus unserer Sicht muss Europa Kurs halten. Wachstum und Haushaltskonsolidierung gehören zusammen", betonte er. Dennoch: Indirekt mahnt er jene in Paris, die es mit der Sparpolitik nicht so ernst nehmen wollen. "Neue Schulden schaffen kein nachhaltiges Wachstum, sondern führen zurück in die Sackgasse der Schuldenpolitik. Wir brauchen Reformen für mehr Wettbewerbsfähigkeit", so Westerwelle.

Kopfschütteln auch beim FDP-Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl, Rainer Brüderle. "Wir wissen, dass Frankreich in einer schwierigen Situation ist. Sie müssen mutige Reformentscheidungen treffen. Aber sie sollten ihren engsten und besten Partner in Europa nicht als Punchingball für ihre internen Auseinandersetzungen benutzen", sagte der FDP-Fraktionschef im Bundestag SPIEGEL ONLINE.

Schwierige Lage für die SPD

Mittlerweile sind französische Spitzenpolitiker bemüht, Ruhe in die Debatte zu bringen. Frankreichs Außenminister Laurent Fabius sagte am Montag, ein "Streitgespräch" über den richtigen Sparkurs sei "legitim", nicht aber eine "Schlägerei" - Worte, die erkennbar an den linken Flügel der Sozialisten gerichtet sind. Als wahrscheinlich gilt nun, dass das Papier für die im Juni stattfindende Parteikonferenz noch in dieser Woche auf höchster Ebene der sozialistischen Partei beraten und möglicherweise um die Merkel-Passagen entschärft wird.

In der Zwickmühle ist in Deutschland die SPD, die gute Beziehungen zu Hollandes Sozialisten pflegt. Der SPD-Außenpolitiker Rolf Mützenich sagt, die Anmerkungen der französischen Sozialisten stünden auch stellvertretend für die Haltung anderer europäischer Parteien und Partner. "Wir müssen verstehen, dass die tiefen Einschnitte in die sozialen Strukturen existentielle Ängste und Not verursachen. Deshalb waren die Klarstellungen aus Paris gut, dass sich die Kritik nicht auf Personen, sondern auf die Folgen bezog", sagt er. Besonnenheit einerseits und andererseits Anstrengungen für neues Wachstum und das Gemeinwohl seien jetzt notwendig, so der Sozialdemokrat.

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Ruprecht Polenz (CDU), verweist auf jene Stimmen in Frankreich, die sich mäßigend geäußert haben. "Daran sollten auch wir uns in der Diskussion orientieren", lautet seine Empfehlung.

Beide Seiten wüssten doch: Ohne Frankreich und Deutschland geschehe nichts in Europa, deshalb werde man sich zusammenraufen und am Ende auch zusammenkommen müssen. "Je weniger schrill in der Diskussion die Töne sind", sagt Polenz, "umso leichter findet man auch zueinander".

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