
S.P.O.N. - Der Schwarze Kanal Das AfD-Kabarett

Wie mit der AfD umgehen? Das ist die Frage der Stunde. Wie immer, wenn die Zukunft im Nebel liegt, lohnt der Blick auf Parallelen in der Vergangenheit.
Es ist ja nicht das erste Mal, dass eine Partei mit einem schlechten Leumund in das deutsche Parteiengefüge integriert werden muss. Das letzte Mal tauchte das Problem bei der Linkspartei auf, die erst SED hieß, bevor sie sich PDS nannte, dann Linkspartei und schließlich Die Linke (für alle, die zwischendurch den Überblick verloren haben: Es ist juristisch bis heute die gute alte SED).
Wie bei der AfD gibt es auch in der Linkspartei eine Anzahl von Leuten, die ihre Probleme mit der Demokratie haben. Sahra Wagenknecht hat bis vor ein paar Jahren noch den Bau der Mauer verteidigt, wo der Schießbefehl nicht nur eine theoretische Möglichkeit, sondern Praxis war. Das hat niemanden abgehalten, sie zur Fraktionschefin zu machen.
Es gibt bei der Linkspartei sogar Gruppierungen, die vom Verfassungsschutz beobachtet werden, weil man vermuten muss, dass sie auch ein Vierteljahrhundert nach Mauerfall nicht die Vorstellung begraben haben, die BRD zu erledigen. Das hat die AfD bisher nicht geschafft.
Wenn man den Umgang mit der Linkspartei auf die AfD übertragen würde, ginge es jetzt wie folgt weiter: Als Erstes etabliert sich die Meinung, dass man nicht die Lebensläufe der Anhänger entwerten dürfe. Statt andere zu richten, sollten wir uns lieber unsere Biografien erzählen. Leuchtet ein. Auch bei der AfD haben viele Menschen gebrochene Biografien. Herr Poggenburg zum Beispiel, der die AfD in den Landtag von Sachsen-Anhalt geführt hat, ist bei der Justiz wegen diverser Haftbefehle aufgrund chronischer Zahlungsschwierigkeiten bekannt wie ein bunter Hund.
Als Nächstes heißt es dann, dass man die AfD nicht dämonisieren dürfe. Die Entdämonisierung ist das Gegenstück zur Entzauberung. Wenn man dem Beispiel der SPD folgt, bleiben uns vier Jahre, bis der erste Ministerpräsident ein Angebot für eine Kooperation macht. Ich will damit nicht sagen, dass ich mir eine Koalition mit der AfD wünsche, ganz im Gegenteil. Ich finde es nur eigenartig, wenn sich jetzt vor allem Leute aus dem Fenster hängen, denen es gar nicht schnell genug gehen konnte, die Linkspartei salonfähig zu machen.
Was Linke und Rechte verbindet
Überall ist zu lesen, dass man die AfD argumentativ stellen müsse. Das klingt vernünftig. Ich habe allerdings Zweifel, ob es gelingen wird. Nicht weil ich glaube, dass es keine Gegenargumente gibt, mit denen man der AfD beikommen könnte. Die gibt es zuhauf. Ich habe wenig Zutrauen in die Akteure.
Hannelore Kraft bekommt schon hektische Flecken, wenn Christian Lindner im Landtag das Rednerpult betritt - und der ist bei der FDP. Malu Dreyer mochte sich mit dem Mann von der AfD nicht mal in ein TV-Studio begeben, obwohl zwischen ihr und ihm noch vier andere Kandidaten gestanden hätten.
Linke hören es nicht gern, wenn man auf Gemeinsamkeiten mit den Rechten hinweist. Aber wer nicht gestern zur Welt gekommen ist, dem dürfte vieles bekannt vorkommen: Da ist die Verachtung des Parlaments, die Herabwürdigung gewählter Politiker als Büttel des Systems, dieser ganze antidemokratische Gestus, der das Alte und Gewachsene für moralisch verkommen erklärt.
Wenn man in der Bundesrepublik bleiben und nicht gleich wieder zurück nach Weimar gehen will, landet man bei den 68ern. Wären sie ehrlich, würden viele, die sich jetzt erregen, die Rhetorik und Stilmittel wiedererkennen, die die andere Seite von ihnen geborgt hat.
Der Spott ist eine mächtige Waffe
Die 68er haben immer für sich in Anspruch genommen, das Land freier und fortschrittlicher gemacht zu haben. Hier liegt die eiserne Grenze, die sie nach rechts ziehen: Wo bitte schön, so fragen sie, sind die Beiträge der Rechten zur Emanzipation?
Aber diese Frage verkennt, dass es nicht selbstverständlich ist, den gesellschaftlichen Fortschritt als Errungenschaft zu empfinden. Genauso gut könnte man fragen: Wo bitte ist euer Beitrag zur Überwindung der Ehe oder der Etablierung der Genderforschung? Dem Rechten ist Fortschritt ein eher suspekter Begriff.
Außerdem haben die 68er nicht beim Einsatz für bedrängte Minderheiten Halt gemacht. Das mag das Ergebnis ihrer Bemühungen gewesen sein, aber der Anspruch war viel umfassender. Die Linke wäre nie so erfolgreich gewesen, wenn sie es bei Reformen belassen hätte. Ihren Elan verdankte sie weiter reichenden Zukunftsvorstellungen. "Utopie der Säuberung" hat der Historiker Gerd Koenen sein wegweisendes Buch über die kommunistische Welt genannt - er wusste, wovon er sprach. Das sozialistische Paradies ist nicht wesentlich humaner als das völkische. Wer in dieses Paradies nicht hineinpasst, muss weichen.
Die Achillesferse aller radikalen Kräfte ist ihre Ironieunfähigkeit. Mit Hass und Verachtung kommen sie gut zurecht. Die Verdammung, mit der auf ihre Vorstellungen geantwortet wird, ist das Äquivalent zu ihrem Pathos. Gegen Sarkasmus oder Spott ist der Radikale sehr viel schlechter gewappnet.
Der Spott ist eine mächtige Waffe. Niemand versammelt sich gern hinter Leuten, die sich lächerlich machen. Wie mit der AfD umgehen? Vielleicht liegt hier der Schlüssel.
