
Stuttgarter OB-Kandidat Turner: Vom Werber zum Politiker
Stuttgarter OB-Kandidat Turner Ein Mann, eine Marke
Es gibt dieses Zitat von Sebastian Turner aus einem "Zeit"-Interview von 2008. "Jeder Newcomer hat eine kurze Phase, in der er seinen ersten Eindruck prägen kann", sagte er damals. "In dieser sehr kurzen Phase muss ein Politiker versuchen, das eigene Bild klar zu zeichnen, ehe seine Widersacher seine Schwächen hervorheben können." Die Interviewer sprachen mit dem Werbeprofi Turner als einem, der von außen auf die Politik schaut.
Vier Jahre später ist der einstige Agenturchef Turner selbst ein politischer Newcomer. Er will bei der Wahl am 7. Oktober für die CDU Oberbürgermeister von Stuttgart werden. Als Parteiloser. Jetzt will man natürlich wissen, wie macht Turner das mit dem ersten Eindruck? Was ist das klare Bild, das die Stuttgarter von ihm bekommen sollen? Wofür steht er?
Sebastian Turner, 45 Jahre alt, freundliches Gesicht, Brille, denkt nach. Turner sitzt im Restaurant "Cube", im vierten Stock über dem Schlossplatz, die baden-württembergische Landeshauptstadt liegt ihm zu Füßen. Er wolle von den Bürgern als "parteiloser Unternehmer aus Stuttgart mit Ideen" gesehen werden, sagt er. Punkt.
Typisch Turner: Der Mann ist überlegt, klug, kein Lautsprecher. Er kontrolliert sein Bild in der Öffentlichkeit nahezu perfekt - das Image, der erste Eindruck sollen stimmen. Turner gibt nicht vor, mehr zu sein, als er ist, aber auch nicht weniger. Turner führt einen Wahlkampf wie ein echter Werbeprofi: Er setzt auf klare Botschaften, er präsentiert sich als Marke - als jemand, der viel kann und viel weiß. Als Pragmatiker, Kopfmensch, Macher, gemischt mit einem Schuss Understatement.
Damit stellt sich Turner genau auf seine Zielgruppe ein. Der Schwabe als solcher mag Understatement. Und er mag fleißige Menschen, die es zu etwas gebracht haben. Schaffer nennt man die auf Schwäbisch.
Turner ist ein Schaffer
Turner ist eine Art Super-Schaffer: Schon mit Anfang 40, damals zog er sich aus der Leitung des Reklamegiganten "Scholz & Friends" zurück, war Turner eine Werberlegende. 1600 Mitarbeiter führte er von Berlin aus gemeinsam mit Kompagnon Thomas Heilmann, der inzwischen für die CDU Justizsenator in Berlin ist. Als bislang jüngstes Mitglied nahm man Turner 2006 in die Hall of Fame der deutschen Werbung auf. "Wir können alles außer Hochdeutsch", seit Jahren selbstironischer Slogan des Landes Baden-Württemberg, stammt von ihm, genau wie die "FAZ"-Kampagne "Dahinter steckt immer ein kluger Kopf." Turners Kreativität und Cleverness haben ihn zu einem reichen Mann gemacht.
Sein Know-how und sein Geld setzt er nun für die Werbung in eigener Sache ein. Schon beim Kampf um die Nominierung als CDU-Kandidat zog Turner alle Register des Reklameprofis. Er musste in einer Vorwahl gegen den langgedienten Polit-Funktionär Andreas Renner antreten, früher OB der Stadt Singen und kurzzeitig Sozialminister von Baden-Württemberg. Rechtzeitig vor dem Nominierungsparteitag der Stuttgarter CDU war eine von Turner in Auftrag gegebene Umfrage publik gemacht worden, derzufolge sich die Wähler einen parteilosen Rathauschef wünschen. Wie passend. Und dann tauchte auch noch ein Schreiben des in Stuttgart heldenhaft verehrten Alt-OB Manfred Rommel auf - darin empfahl Rommel die Wahl Turners. In der Werbesprache nennt man das wohl perfektes Timing.
Der Lohn: Turner setzte sich bei der Vorwahl deutlich mit zwei Drittel der Stimmen durch.
Mit dieser Zielstrebigkeit und Cleverness bekämpft Turner nun auch seinen Grünen-Gegenkandidaten Fritz Kuhn, einen erfahrenen Landes- und Bundespolitiker. Turner sieht es so: Kuhn stehe für eine Partei, die parteilose SPD-Kandidatin Bettina Wilhelm - bisher Sozialbürgermeisterin in Schwäbisch Hall - für eine Behörde. "Und ich stehe für den Bürger."
Bei den Piraten blitzte er ab
Die Unterstützung von FDP und Freien Wählern hat sich Turner bereits gesichert. Selbst bei der Piratenpartei warb er um die Nominierung als OB-Kandidat. Ein bisschen Lässigkeit im Wahlkampf macht sich natürlich prima. Sie wollten dann allerdings doch einen richtigen Piraten und keinen, der so wie Turner bis in die höchsten Unionskreise vernetzt ist. Bisher der einzige Rückschlag für den Polit-Neuling.
Der Querdenker, der Seiteneinsteiger, der Geschäftsmann - am Ende soll die Marke Turner haben, was Werber einen Claim nennen, einen Slogan: Turner, der Bürger-OB. Einen griffigen Satz hat Turner bereits parat: "Die Stuttgarter müssen die Stadt so begreifen, dass sie ein Teil von ihr sind." Und wer passt dazu besser als OB als er - der Mit-Bürger. Eben.
Der Kandidat kann gut zuspitzen. Beispielsweise mit der Aussage, der Kommunikationswissenschaftler Kuhn käme vom "Geschwätz", er dagegen vom "Geschäft". Das hat den Grünen-Politiker sehr geärgert, weil Werbung natürlich auch eine ganze Menge mit Worten zu tun hat.
Aber hängen bleibt: Turner, der Macher - Kuhn, der Schwätzer.
Turner und Kuhn als Getränk, die klassische Marktforschungsfrage? Im Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" lautete Turners Antwort: Er wäre "ein Dinkelacker-Bier - wenn das gebraut wurde, zog der Geruch durch meine Schule, auch bei geschlossenem Fenster. Konzentration unmöglich". Und Kuhn? "Vielleicht ein Früchtetee, der schon etwas gezogen hat."
Zack. Der nächste Slogan.
Klare Position für Stuttgart 21
Im Streit um Stuttgart 21 hat Turner als Einziger der Bürgermeisterkandidaten eine klare Pro-Position - die Gegner des Projekts will der CDU-Kandidat aber mitnehmen. Die gigantische Gleisbettfläche inmitten Stuttgarts, die durch die Bahnhofverbuddelung frei wird, hält Turner für "eine Chance, wie sie seit dem Mauerfall keine andere deutsche Stadt hatte". Davon sollen alle Stuttgarter profitieren.
Aber fest steht: Ein Wahlkampf wird nicht nur im Kopf entschieden. Die Menschen wollen Politiker, die Kompetenz und Glaubwürdigkeit ausstrahlen - aber auch authentisch wirken. Und das mit der Authentizität ist bei Sebastian Turner so eine Sache. Wer ihm gegenübersitzt, wird das Gefühl nicht los, einen sehr intelligenten Menschen vor sich zu haben - aber eben auch einen intellektuellen Spieler. Und einen, der stets Distanz zu seinen Mitmenschen hält. Er wirkt anders als die großen Oberbürgermeister-Typen in Deutschland: Georg Kronawitter in München, Herbert Schmalstieg in Hannover, Petra Roth in Frankfurt - das waren immer auch Menschenfischer. So einer ist Turner nicht.
Kann er also nicht nur die Köpfe, sondern auch die Herzen der Stuttgarter erreichen?
CDU-Kreischef Stefan Kaufmann findet, der Seiteneinsteiger Turner sei ein politisches Naturtalent. "Für jemanden, der nicht aus der Politik kommt, hat Herr Turner schnell gelernt, Hände zu schütteln." Der Kandidat selbst hat sich vorgenommen, auf die Bürger zuzugehen: "Ich werde jedem die Hand geben."
Aber eigentlich ist Sebastian Turner eben kein Händeschüttler-Typ. Genauso wenig, wie Stuttgart eine Weltmetropole ist.
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Artikels wurde der Vorname des CDU-Kreischefs Kaufmann mit Andreas angegeben, richtig ist: Stefan. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.