Untersuchungsausschuss im Bundestag US-Informant vergleicht NSA mit einer Diktatur

Ex-NSA-Mitarbeiter Binney in Berlin: "Ein totalitärer Ansatz"
Foto: Adam Berry/ Getty ImagesBerlin - Sein halbes Leben arbeitete William Binney für den US-Geheimdienst NSA, bevor er die Behörde Ende 2001 aus Protest gegen die Datensammelwut verließ. Im NSA-Untersuchungsausschuss gab Binney am Donnerstag Einblicke in seine Erfahrungen. Der frühere NSA-Mitarbeiter kritisierte die National Security Agency als gefährliche Datensammelmaschine. "Sie wollen Informationen über alles haben", sagte Binney. "Das ist wirklich ein totalitärer Ansatz, den man bislang nur bei Diktatoren gesehen hat."
Ziel sei auch Kontrolle der Menschen, sagte Binney. Es sei inzwischen im Prinzip möglich, die gesamte Bevölkerung zu überwachen, im Ausland und in den USA. Das widerspreche der Verfassung. Die NSA habe Mitte Oktober 2001, kurz nach den Anschlägen vom 11. September 2001, mit dieser massenhaften Datenüberwachung begonnen, so der ehemalige Technische Direktor der NSA. Deshalb habe er den Geheimdienst kurz darauf nach mehr als 30 Jahren verlassen. Binney sprach von 6000 Analysten in der Überwachung bei der NSA bereits in seiner Zeit.
"Die schmeißen nichts weg"
"Nach dem 11. September hat sich alles geändert", führte Binney aus. Die NSA habe die Anschläge als Rechtfertigung genutzt, um eine gigantische Massenüberwachung zu starten. "Das war ein Fehler. Sie tun es aber immer noch", sagte er. Der Geheimdienst speichere die Daten so lange wie möglich. "Die schmeißen nichts weg. Wenn sie erst mal was haben, dann behalten sie es."
Fatal sei die Entwicklung in den vergangenen Jahren gewesen, nicht mehr nur Daten von Gruppen zu sammeln, die unter Terror- oder Kriminalitätsverdacht stehen. "Wir haben uns wegbewegt von der Sammlung dieser Daten hin zur Sammlung von Daten der sieben Milliarden Menschen unseres Planeten." Binney sagte, er habe schon damals argumentiert: "Man darf nur relevante Daten aus den Glasfaserkabel herausziehen." Zugriff auf die NSA-Datenmengen hätten etwa Regierungsministerien oder die US-Steuerbehörde. Die NSA speichere die Daten quasi für immer.
In seiner Zeit bei der NSA seien die Beziehungen zum Bundesnachrichtendienst (BND) sehr eng gewesen. Inwieweit der BND heute Daten von der NSA bekomme, wisse er nicht, so der Zeuge. Auch den Ex-NSA-Mitarbeiter Edward Snowden habe er nicht mehr kennengelernt.
Als Grund für das Abhören des Handys von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nannte Binney, dass der Geheimdienst Denken und Sorgen Merkels besser verstehen wollte. "Man kann es auch als Hebel einsetzen in den Beziehungen", sagte er. Das Ziel könne auch die Beeinflussung der Kanzlerin oder anderer Politiker gewesen sein.
Vor einem Jahr war herausgekommen, dass die NSA massenhaft deutsche Daten abschöpft. Der Untersuchungsausschuss arbeitet die Überwachung durch den Nachrichtendienst auf und untersucht auch die Rolle deutscher Dienste.
Linke und Grüne kritisierten am Rande der Sitzung, dass die bisher ausgehändigten Akten der Bundesregierung viele geschwärzte Passagen enthielten. Die Schwärzung solle zurückgenommen werden, andernfalls müsse man sich gerichtlich streiten, drohte die Linken-Obfrau Martina Renner. Auch der Ausschussvorsitzende Patrick Sensburg (CDU) kritisierte in der ARD, dass in den bereitgestellten Akten viele Stellen unleserlich gemacht worden seien.

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