Wirbel um Parteitagsvideo Kretschmann lästert über die Grünen

Grüner Ministerpräsident Kretschmann beim Parteitag
Foto: Rainer Jensen/ dpaDie Verärgerung sitzt tief bei Winfried Kretschmann. Das ist in dem Gespräch deutlich zu sehen, das am Rande des Grünen-Parteitags am vergangenen Wochenende offenbar heimlich mitgeschnitten wurde. Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident empört sich dort gegenüber einem Bundestagsabgeordneten über den Beschluss seiner Partei, dass ab 2030 keine Autos mit Verbrennungsmotor mehr neu zugelassen werden sollen. Der Film kursiert nun im Internet.
Kretschmann, der beliebteste Grünen-Politiker in Deutschland, sagt in dem Videomitschnitt: "Wie soll das funktionieren?" Es handele sich um "Schwachsinnstermine".
Immer weiter redet er sich in Rage. Seinetwegen könne die Partei so etwas beschließen, "dann seid aber mit sechs Prozent oder acht einfach zufrieden", sagt Kretschmann, zunehmend heftiger gestikulierend: "Dann jammert nicht rum und lasst mich in Ruhe. Und macht euren Wahlkampf selber."
Kretschmanns Gesprächspartner ist der Grünen-Abgeordnete Matthias Gastel, der seinen Wahlkreis im schwäbischen Nürtingen hat und wie der Ministerpräsident zum Realo-Flügel zählt. Die Wutrede wirft ein Schlaglicht auf das schwierige Verhältnis des erfolgreichsten Grünen-Vertreters zu seiner Partei.
Baden-Württembergs Regierungssprecher Rudi Hoogvliet sagte nach Bekanntwerden des Videos: "Ein solcher Lauschangriff und dessen Veröffentlichung ist zumindest sittenwidrig." Der Mitschnitt sei eine "eklatante Verletzung der Privatsphäre", der Abgeordnete Gastel und Kretschmann seien "langjährige Vertraute", sagte er der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".
Dass Kretschmann - Ministerpräsident der grün-schwarzen Koalition des Autolandes Baden-Württemberg - die Forderung skeptisch sieht, ab 2030 nur noch abgasfreie Fahrzeuge neu zuzulassen, war bekannt. Er hält die Festlegung auf eine Jahreszahl für falsch, kaufte sich kürzlich selbst einen Diesel.

Grünen-Parteitag: Diskutieren und Transpirieren
Im Vorfeld des Parteitags hatten prominente Grüne beider Flügel, darunter auch Kretschmann, einen "Zehn-Punkte-Plan für grünes Regieren" mitgetragen, der den Abschied vom Verbrennungsmotor enthielt - allerdings ohne Jahreszahl. Auf dem Parteitag hatten Kritiker die Angabe "ab 2030" dann in diese Liste wichtiger Vorhaben hineinverhandelt.
Für die Grünen ist der Videomitschnitt ärgerlich, weil sie auf ihrem Parteitag in Berlin bemüht waren, ein Signal der Geschlossenheit zu senden - unter Einschluss Kretschmanns, der im Bundestagswahlkampf auch eine Rolle spielen soll. Diese Inszenierung scheint durch Kretschmanns Äußerungen nun hinfällig.
Veröffentlicht hat das Video das rechtspopulistische Blog "jouwatch", das eine entsprechende politische Agenda verfolgt. Juristisch will die Stuttgarter Regierungszentrale nicht gegen die Aufzeichnung vorgehen: "Wir werden keine rechtlichen Schritte einleiten", sagte der Regierungssprecher. Kretschmann sei mit dem Verlauf des Parteitags zufrieden und werde auch in den Wahlkampf einsteigen. Erste Auftritte seien Mitte August geplant, zitiert die FAZ den Sprecher.