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Grüne Politiker*innen: Kennen Sie diese Zehn?

Foto: Christoph Schmidt/ dpa

Winfried Kretschmann Der Schatten-Spitzenkandidat

Winfried Kretschmann ist ungewöhnlich beliebt - das wollen die Grünen im nächsten Bundestagswahlkampf nutzen. Dabei nervt der selbstbewusste Ministerpräsident Teile der Partei schon jetzt.

Geräuschlos vor sich hin regieren ist nicht sein Ding. Andere Ministerpräsidenten mögen lahme Forderungen versenden ("Brandenburg: Dietmar Woidke pocht auf Umsetzung der Kreisgebietsreform"). Winfried Kretschmann profiliert sich lieber mit den ganz großen Themen. Die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei will er auf Eis legen, TTIP findet er ganz okay und die Vermögensteuer schrecklich.

Klare Ansagen haben Baden-Württembergs Ministerpräsidenten zum erfolgreichsten Grünen-Politiker gemacht. Der 68-Jährige verkörpert für viele Anhänger das, was die Partei zuletzt häufig vermissen ließ: Haltung. Deshalb soll, ja muss Kretschmann auch im Bundestagswahlkampf 2017 eine zentrale Funktion bei den Grünen übernehmen.

Zwar wird im Januar eine Urwahl über zwei Spitzenkandidaten entscheiden. Dafür steht Kretschmann nicht zur Verfügung. Aber er ist auch ohne Kandidaten-Ticket das größte Pfund der Grünen. Kretschmann zwang in einem schwarzen Stammland die CDU in die Juniorpartnerschaft. Er ist massentauglich, steht typmäßig irgendwo zwischen Biofleisch und Autohaus. Als im letzten ARD-Deutschlandtrend nach der Zufriedenheit mit Politikern gefragt wurde, lag Kretschmann auf Platz drei.

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Im Hintergrund gibt es schon erste Überlegungen für einen Wahlkampf, der Kretschmann gut zur Geltung kommen lässt. Mit Details hält man sich noch bedeckt. Aber dass er bundesweit eine wichtige Rolle spielen wird, etwa durch Auftritte und Termine, ist allen Beteiligten klar.

"Ich mache den gleichen Fehler nicht zweimal"

Allerdings ist Kretschmann für die Partei auch ein Risiko. Er will im Bund nichts werden, deshalb muss er auf interne Befindlichkeiten keine Rücksicht nehmen. Immer öfter macht er, was er will. Zuletzt beim Streit um die Vermögensteuer. Sie ist kompliziert und wäre, verglichen mit anderen Steuern, nicht mal sonderlich einträglich.

Bei den Grünen entwickelt die Steuerfrage jedoch gerade riesige Symbolkraft - und daran ist auch Kretschmann Schuld:

  • Der linke Flügel will die Steuer für Reiche unbedingt wieder einführen. Auch weil Verteilungsgerechtigkeit eine von wenigen Botschaften ist, die die Grünen noch setzen können. Die Vermögensteuer gilt als möglicher Hebel für Rot-Rot-Grün im Bund.
  • Kretschmann, dessen Heimat viele Unternehmen beherbergt, war schon immer strikt dagegen. "Ich mache den gleichen Fehler nicht zweimal", sagte er vergangene Woche, und spielte damit auf das Wahldesaster 2013 an. Damals forderte die Partei Steuererhöhungen für Vielverdiener - und schmierten ab. Kretschmann will den Streit nun notfalls auf dem Parteitag im November austragen.

Auch bei anderen Gelegenheiten legt es Kretschmann auf Konflikte an. Mal kritisiert er das Doppelspitzen-Prinzip, mal stellt er sich bei den sicheren Herkunftsstaaten auf die Seite der Bundesregierung. Während andere Spitzengrüne Bündnisoptionen betont offen lassen, sagt Kretschmann: "Eine Koalition mit der Linken kann ich mir nicht vorstellen". Lotet man bei den Grünen Chancen für einen schwarz-grünen oder rot-rot-grünen Bundespräsidenten aus, plädiert Kretschmann für einen parteiübergreifenden Konsenskandidaten.

Warum macht er das? Vielleicht muss Kretschmann einen politischen Bedeutungsverlust ausgleichen. Baden-Württemberg fällt im Bundesrat nicht mehr ganz so sehr ins Gewicht, weil die Grünen inzwischen in zehn Landesregierungen sitzen. "Es ist nicht mehr so wie früher, als das Kanzleramt Kretschmann anrufen und alles ausdealen konnte", sagt ein Grüner.

Zusammensetzung des Bundesrates

Zusammensetzung des Bundesrates

Foto: Bundesrat


Wahrscheinlicher ist, dass Kretschmann schlichtweg die Kunst des großen Auftritts verstanden hat. Obwohl er praktisch nie in Talkshows sitzt. Seine Bühne ist sein Amt, aus einer Regierungserklärung macht er schon mal eine Brexit-Grundsatzrede .

Andere Partei-Promis können da schwer mithalten. Im Bundestag sind die Grünen kleinste Fraktion, die Parteispitze ist gespalten. In den Ländern gibt es kaum Vertreter mit überregionaler Strahlkraft.

Ganz nebenbei stärkt Kretschmanns Aufstieg den Realo-Flügel und prägt damit die künftige Ausrichtung der Grünen. Auch Parteichef Cem Özdemir gewann zuletzt an Profil, vor allem in der Türkei-Debatte. Beide vertreten eher konservativ-bürgerliche Positionen. Für die linken Strömungen in der Partei ist das bitter.

Eine Kretschmann-Rebellion aus dem Linken-Lager, wie 2014 beim Streit ums Asylrecht, wird es trotzdem nicht geben. Schon deshalb nicht, weil ihn sogar seine Gegner für alternativlos halten. Ruft man Grüne im Urlaub an, ist jeder überzeugt: Die Partei braucht Kretschmann, weil er Stimmen zieht. Das sagen selbst die, die mit Kretschmann in der Sache über Kreuz liegen und von seinen Vorstößen genervt sind.

Kretschmann könnte unter Umständen nur sich selbst schaden, womöglich auch seiner Partei. Noch mag sein Hang zum Klartext erfrischend sein. Im Bundestagswahlkampf könnten zu viele Querschläge das Gesamtbild der Grünen schwächen.

Außerdem muss er bis 2017 dafür sorgen, dass er in Stuttgart unangefochten bleibt. Im Juli wurde bekannt, dass Grüne und CDU, jenseits vom Koalitionsvertrag, einige Finanzierungsfragen in geheimen Nebenabsprachen festzurrten. Kretschmann, der nach den Stuttgart-21-Protesten mehr Transparenz versprochen hatte, geriet unter Druck.

Die Krise löste er mit einer Offensive. Politik ohne Absprachen hinter den Kulissen? Das gehe doch gar nicht. "Ich mauschele schon immer." So mancher Hinterzimmer-Deal sei gut für den Koalitionsfrieden. "Beim Geld hört die Freundschaft ja auf".

Da war sie wieder, die Kretschmann-Taktik: Erst mal die Aufmerksamkeit auf die großen Themen des Lebens lenken.

mit Material von dpa
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