Bundestagsdebatte zur Corona-Politik »Diese Wirtschaftshilfen sind ein riesiges Versagen der Bundesregierung«

Grünenfraktionschefin Katrin Göring-Eckardt am Donnerstag im Bundestag
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Der verlängerte Shutdown ist für die Wirtschaft eine enorme Belastungsprobe – auch weil die Hilfszahlungen der Bundesregierung schleppend laufen. Grünenfraktionschefin Katrin Göring-Eckardt kritisierte das Vorgehen im Anschluss an die Regierungserklärung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) im Bundestag scharf.
»Diese Wirtschaftshilfen sind ein riesiges Versagen der Bundesregierung, ein Hin- und Herschieben zwischen Wirtschaftsminister und Finanzminister«, sagte Göring-Eckardt. »Geben Sie sich einen Ruck und helfen Sie den Menschen wirklich.« Die finanziellen Hilfen für die Betroffenen würden zu langsam bereitgestellt. Die Menschen hätten 100 Tage lang keine Unterstützung bekommen. »Und die Hilfe, die kommt, ist längst noch nicht ausreichend.«
Göring-Eckardt kritisierte auch fehlende Perspektiven und Strategien für das Land. Es gehe in der Shutdown-Debatte nicht ums Öffnen, sondern darum, worauf jetzt hingearbeitet werde. »Das haben Sie gestern nicht geliefert«, sagte Göring-Eckardt an die Kanzlerin und die Ministerpräsidenten gerichtet. »Ich gönne jedem und jeder hier und anderswo eine Frisur. Ich gönne auch übrigens den Friseurinnen die Einnahmen«, sagte sie weiter. »Das ist aber keine Strategie.«
Am Mittwoch hatten Bund und Länder vereinbart, den Shutdown für Gastronomie und Einzelhandel bis 7. März zu verlängern. Ausgenommen sind Friseure, die Anfang März wieder öffnen dürfen. Wie es mit Schulen und Kitas weitergeht, sollen die Länder allein entscheiden.
Auch SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich mahnte, konkrete Hilfen für die Wirtschaft müssten nun auch endlich ankommen. Genügend Geld stehe bereit. Bislang komme die deutsche Wirtschaft besser durch die Krise als andere Volkswirtschaften.
Mützenich warb – wie zuvor Merkel in ihrer Regierungserklärung – für Vorsicht bei weiteren Lockerungsschritten: »Die Erfolge sind sichtbar, aber zerbrechlich«, sagte er. »Die Rückkehr zu einem weniger beschränkten Alltag muss anhand dynamischer und nachvollziehbarer Kriterien nach und nach entstehen.«
Merkel hatte zuvor die Beschlüsse und ihre beiden Minister Peter Altmaier (CDU) und Olaf Scholz (SPD) verteidigt. Es sei versprochen gewesen, dass die Anträge im Februar gestellt und Hilfen im März ausbezahlt würden – genau dies geschehe jetzt, sagte Merkel. Sie betonte aber auch: »Ich weiß, wie viele Menschen auf das Geld warten.«
Mit Blick auf die zögerliche Corona-Politik im Herbst 2020 räumte die Kanzlerin Versäumnisse ein.
FDP-Chef Christian Lindner bezeichnete die Beschlüsse vom Mittwoch als enttäuschend. »Viele Menschen haben sich mehr erwartet als einen frischen Haarschnitt«, sagte Lindner. Er warf der Bundesregierung erneut vor, den Bundestag nur unzureichend an den Entscheidungen zu beteiligen.
Über die Pläne der Regierung sei in den Medien schon am Dienstag berichtet worden, während der Bundestag sich noch am Mittwoch mit anderen Fragen befasst habe, bemängelte Lindner. »Ich rate davon ab, diesen Umgang mit dem Parlament zur ständigen Staatspraxis werden zu lassen.« Im Parlament hätten auch alternative Möglichkeiten diskutiert werden können, denn die Politik von Bund und Ländern sei keineswegs alternativlos.
Auch die Redner anderer Oppositionsfraktionen bemängelten, der Bundestag werde zu wenig in die Corona-Politik einbezogen. »Für die Linke bleibt es inakzeptabel, dass wir im Bundestag wieder erst nach einer Ministerpräsidentenrunde diskutieren und nicht vorher«, sagte Linkenfraktionschef Dietmar Bartsch.
Er richtete seine Kritik direkt an die Kanzlerin, der er »Selbstgefälligkeit« vorwarf. »Auch einer Bundeskanzlerin steht ein Mindestmaß an Selbstkritik gut zu Gesicht«, sagte der Linkenfraktionschef. »Diese Papstattitüde der Unfehlbarkeit ist in dieser Situation unangebracht.«
Bartsch: »Wir sind abgestiegen in den Impfkeller Europas«
Bartsch legte den Regierenden schwere Versäumnisse zur Last – insbesondere beim Schutz betagter Heimbewohner vor dem Virus. »Das Sterben in den Heimen ist vielleicht das dunkelste Kapitel in den letzten Jahrzehnten«, sagte er. Die Regierung habe das Land im Oktober nicht ausreichend auf die zweite Infektionswelle vorbereitet. Fehler habe sie auch bei der Vorbereitung der Impfkampagne gemacht: »Wir sind abgestiegen in den Impfkeller Europas.«
AfD-Fraktionschefin Alice Weidel warf der Bundesregierung Verfassungsbruch vor. Der Beschluss von Kanzlerin und Ministerpräsidenten zur Verlängerung des Lockdown sei eine »dreiste Zurschaustellung von Macht«, sagte Weidel. »Das Parlament darf hinterher noch ein wenig debattieren, wie heute, ist aber in die Entscheidungen nicht eingebunden.«
Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus verlangte eine deutlich bessere Zusammenarbeit von Bund und Ländern bei der Katastrophenvorsorge. Die Corona-Pandemie werde nicht die letzte Katastrophe sein, sagte der CDU-Politiker. Es gebe »super Katastrophenstäbe« in den Landkreisen und Städten, regional sei man mit Feuerwehren und Hilfsorganisationen »super aufgestellt«. Lücken sieht Brinkhaus aber bei der Koordination zwischen Bund und Ländern.