Neue Denkfabrik von Putin-Freund Berlin denkt, Russland lenkt

Pofalla, Mehdorn, Platzeck standen auf der Gästeliste: In Berlin hat der Putin-Vertraute Wladimir Jakunin eine russische Denkfabrik eingeweiht. Der Zweck bleibt auch nach der Eröffnung unklar.
Wladimir Jakunin, Matthias Platzeck

Wladimir Jakunin, Matthias Platzeck

Foto: Michael Kappeler/ dpa

Wladimir Jakunin gehört zu den engsten Vertrauten von Wladimir Putin. Er lernte den russischen Präsidenten im sowjetischen Geheimdienst kennen, für den er 22 Jahre lang tätig war.

Jakunin verdankt dem KGB-Freund Putin nicht nur seinen ehemaligen Job als Chef der russischen Staatsbahnen, er teilt auch dessen erzkonservatives Menschenbild.

Jenen, die 2014 beim Eurovision Song Contest für die österreichische Travestie-Künstlerin Conchita Wurst stimmten, attestierte Jakunin einmal eine "abnorme Psychologie".

Skepsis ist also angebracht, wenn ein Hardliner wie Jakunin in einer Zeit großer Spannungen mit Russland ausgerechnet eine "Denkfabrik" in Berlin eröffnet. Sie trägt den Titel "Dialogue of Civilizations Research Institute", kurz DOC.

Feste Büroräume werden noch gesucht. Auch deutsche Wissenschaftler, die laut "Frankfurter Allgemeiner Sonntagszeitung" von der Stiftung Wissenschaft und Politik oder der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik abgeworben werden sollten, haben bislang abgewunken.

Prominente Gästeliste

Trotzdem wurde am Freitag schon einmal die Gründung des neuen Instituts gefeiert. Die Liste der Gäste, die zur Eröffnung im Berliner Humboldt Carré erschienen, war prominent besetzt. Der Bahn-Vorstand und Merkel-Vertraute Ronald Pofalla gehörte ebenso dazu wie Ex-Bahn-Vorstandschef Hartmut Mehdorn, Ex-BND-Präsident August Hanning und der Vorsitzende des Deutsch-Russischen Forums, Matthias Platzeck.

Einige der Herren hatten offenbar noch kurzfristig ihre Pläne geändert. Zumindest Platzeck und Pofalla nahmen, anders als ursprünglich geplant, nicht an der Podiumsdiskussion mit dem Putin-Freund teil. Sie zogen es vor, den Ausführungen Jakunins aus der ersten Zuschauerreihe zu lauschen.

Wladimir Jakunin

Wladimir Jakunin

Foto: Michael Kappeler/ dpa

Andere scheuten die Bühne dagegen nicht. So diskutierte Harald Kujat, ehemaliger Generalinspekteur der Bundeswehr, mit. Kujat war einst Vorsitzender des Nato-Militärausschusses. Er sieht die Stationierung zusätzlicher Nato-Truppen in Osteuropa sehr kritisch und wirbt seit Ausbruch der Krimkrise dafür, die russischen Sorgen vor einer Hegemonie des Westens ernst zu nehmen.

Manche würden Kujat einen "Putin-Versteher" nennen. Er sagt, das sei eine "gefährliche Verengung, das Verstehen der anderen Seite mit einem Makel zu versehen". So etwas fördere nur die Eskalation, warnte Kujat in Berlin.

Er begrüßte daher die Gründung des Instituts als Beitrag zur "Meinungsvielfalt". "Der Aufbau dieses Forschungsinstituts ist ein mutiger Schritt", sagte der frühere General. "Ich hoffe, dass die demokratisch-pluralistische Gesellschaft das Institut nicht von vornherein als Propaganda-Coup abtut."

Gründung "von gewissem Misstrauen" begleitet

Das wäre auch voreilig, schließlich hat das DOC noch keine einzige Studie veröffentlicht. Trotzdem sagte selbst Hans-Friedrich von Ploetz, ehemaliger deutscher Botschafter in Moskau, in seinem Grußwort, es könne eigentlich "niemanden überraschen, dass die Gründung von einem gewissen Misstrauen begleitet wird".

In Anspielung auf die verschärfte Beobachtung, unter der Think Tanks und Nichtregierungsorganisationen derzeit in Moskau stehen, sagte Ploetz: Jakunin habe Glück, dass er sein Institut in Deutschland nicht als "ausländischen Agenten" habe registrieren müssen.

Ob es allerdings das Etikett "gemeinnützig" verdient, oder sich mit der Zeit nicht doch als Teil von Putins Propaganda entpuppt, wird sich zeigen. Er hoffe, so Ex-General Kujat, dass Jakunin keinerlei taktische Absichten verfolge.

Wenn Wladimir wie Wladimir klingt

Jakunin bemühte sich in Berlin, solche Zweifel zu zerstreuen. Das Institut nehme keinerlei Befehle irgendeines Staates entgegen, sagte der 68-Jährige. Auch Geld flösse keines von staatlichen Organisationen. Ziel sei es nicht, die Beziehungen zwischen Staaten oder Staatengruppen zu fördern.

Aber was soll dann Sinn und Zweck des Instituts sein? Es gehe um Größeres, erklärte Jakunin: um den Dialog der Kulturen. Er zitierte den Bestseller "Kampf der Kulturen" von Samuel P. Huntington und sagte, wer das Buch des amerikanischen Politologe zu Ende lese, der wisse, dass Huntington nicht den Kampf zwischen den Kulturen vorausgesagt habe - sondern zwischen allen Kulturen der Welt und der Barbarei. Mit Blick auf den internationalen Terrorismus und den islamischen Staat finde genau dies gerade statt, so Jakunin.

Angesichts der Gefahren durch den internationalen Terrorismus, so die Botschaft, könne man doch die Meinungsverschiedenheiten über die Besetzung der Krim und der Ostukraine vergessen. Mit ein bisschen Dialog durch das neue Institut, so sein Versprechen, ließen sich die Probleme lösen.

Da klang Jakunin plötzlich genauso wie sein Freund Putin.

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