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Putin bei Merkel in Berlin Hoffen, mehr nicht

Erstmals seit vier Jahren kommt Russlands Präsident Putin nach Berlin. Auf der Agenda stehen die Kriege in Syrien und in der Ukraine. Was ist von dem Treffen zu erwarten?

Wladimir Putin stand mit Angela Merkel auf der Terrasse des Kanzleramts. Die Kanzlerin zeigte dem russischen Präsidenten die nähere Umgebung - Reichstagsgebäude, Hauptbahnhof, Schweizer Botschaft. Die Stimmung war entspannt. In der anschließenden Pressekonferenz ging es um einen Uno-Friedensplan für Syrien, um die russisch-deutschen Handelsbeziehungen, die sich positiv entwickelten.

Das war vor vier Jahren, beim letzten Besuch Putins in Berlin. An diesem Mittwochabend, wenn Merkel, Putin und die französischen und ukrainischen Präsidenten, François Hollande und Petro Poroschenko, im Kanzleramt zusammenkommen, dürfte die Atmosphäre kühler sein.

Vier Jahre sind vergangenen, in denen sich weltpolitisch viel getan hat - nicht zum Besseren. Russland hat die Krim annektiert, unterstützt im Osten der Ukraine den Kampf der russischen Separatisten, hilft Präsident Baschar al-Assad im Krieg gegen die Opposition, lässt syrische Städte bombardieren. Und die deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen sind seit zwei Jahren schlechter geworden, nachdem die EU und Russland wegen der Ukrainekrise gegenseitig Sanktionen einführten.

Die Erwartungen an den Berliner Gipfel im "Normandie-Format" (benannt nach dem ersten Vierer-Treffen im Juni 2014 in Nordfrankreich), sind bescheiden. Man dürfe "keine Wunder erwarten", hat Merkel am Tag zuvor gesagt. Die Kanzlerin hat aber nicht vor, heikle Themen auszusparen. Was Syrien angehe, sei die humanitäre Lage "noch desaströser" geworden, sagt sie, "und das ganz klar durch syrische und russische Luftangriffe auch auf hilflose Menschen, Krankenhäuser, Ärzte."

Neue Strafmaßnahmen gegen Russland wegen Syrien, wie sie von einigen Politikern von CDU und Grünen gefordert wird, will sie zwar nicht ausschließen. Aber die Suche nach Lösungen im Bürgerkrieg steht aus Merkels Sicht derzeit im Vordergrund, vor allem eine Linderung der furchtbaren Lage der Bevölkerung. Immerhin hatten Putin und Assad vor dem Treffen eine mehrstündige Waffenpause für die Stadt Aleppo angekündigt. Ob daraus mehr wird? Viel Hoffnung gibt es in Berlin dafür nicht.

Ukrainischer Präsident Poroschenko am 15. Oktober vor seinen Truppen

Ukrainischer Präsident Poroschenko am 15. Oktober vor seinen Truppen

Foto: POOL/ REUTERS

Auf das Berliner Treffen hatten Merkel und Hollande auf dem G-20-Treffen im chinesischen Hangzhou Anfang September hingearbeitet, sich mit US-Präsident Barack Obama abgestimmt und einzeln mit Putin gesprochen. Der hatte sich schließlich zu einer Zusammenkunft in Berlin bereit erklärt, noch im August hatte er das für sinnlos erachtet - wegen angeblicher ukrainischer Anschlagspläne auf der Krim.

Die Lage in der Ukraine steht im Vordergrund

Nun also Berlin: Dort soll es, voraussichtlich am frühen Mittwochabend, zunächst ein separates Treffen der Vier im Kanzleramt geben, später dann ein Essen, an dem auch die Außenminister - auf deutscher Seite Frank-Walter Steinmeier (SPD) - und hohe Beamte teilnehmen sollen. Vorrangig geht es in Berlin um die Ukraine. Die Lage im Osten des Landes bleibt fragil. Das Abkommen von Minsk, an dem im Frühjahr 2015 Merkel, Putin, Poroschenko und Hollande mitwirkten, bildet weiter die Grundlage für ihre Gespräche. "Leider wird von beiden Seiten - Russland und der Ukraine - das Abkommen bisher nicht umgesetzt. Das Treffen in Berlin, wenn es erfolgreich sein soll, muss hier endlich verlässliche Schritte vereinbaren. Ein weiterer eingefrorener Konflikt kann nicht in unserem Interesse sein," sagt der SPD-Außenpolitiker Niels Annen.

Tatsächlich meldet die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE), deren Präsidentschaft in diesem Jahr Deutschland inne hat, fast täglich Gefechte in der Ostukraine. Anfang September war zu Beginn des Schuljahres eine Waffenruhe vereinbart worden. Die Zahl der Zwischenfälle sei für einige Tage "signifikant" gesunken, hätte sich im Laufe der Zeit aber auf das frühere Niveau eingependelt, heißt es nun in diplomatischen Kreisen.

Putin und Merkel auf dem G-20.Gipfel im September 2016 im chinesischen Hangzhou

Putin und Merkel auf dem G-20.Gipfel im September 2016 im chinesischen Hangzhou

Foto: Alexei Druzhinin/ dpa

Ebenfalls im September vereinbarte die Kontaktgruppe in Minsk, in der Vertreter der Ukraine, von Russland, der OSZE und der prorussischen Separatisten sitzen, ein Rahmenabkommen zur Truppenentflechtung. Der Plan: In drei sogenannten Hotspots entlang der Demarkationslinie sollen Kämpfer beider Seiten auf Abstand gebracht werden. Doch der Zugang für die OSZE-Beobachter klappt nicht in allen drei Zonen gleichermaßen, so die Einschätzung in diplomatischen Kreisen. In Berlin hofft man auf Verbesserungen, auch auf die Einrichtung weiterer Hotspots.

Ein weiteres Thema wird das ukrainische Wahlgesetz und das Gesetz über einen Sonderstatus für den Osten des Landes sein. Für beide Vorhaben gibt es im Kiewer Parlament derzeit keine Mehrheit, beide aber sind wichtige Bausteine des Minsker Abkommens. Und schließlich könnte nach Einschätzung von Diplomaten auch ein weiterer Punkt auf der Agenda stehen: Ein neuer Gefangenenaustausch zwischen der Ukraine und den Separatisten.

Ob im Kanzleramt Fortschritte erzielt werden? Ukraines Präsident Poroschenko sagt es so: "Lasst uns keine sehr hohen Erwartungen an das Treffen stellen. Aber ich wäre sehr froh, wenn ich widerlegt würde."


Zusammengefasst: Erstmals seit vier Jahren ist Russlands Präsident Wladimir Putin wieder in Berlin. Im Kanzleramt berät er mit Angela Merkel und dem französischen und ukrainischen Präsidenten die Lage in der Ostukraine. Auch der Bürgerkrieg in Syrien soll zur Sprache kommen. Großer Optimismus herrscht allerdings nicht vor dem sogenannten Normandie-Treffen der Vier.

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