Wulff-Debatte Lammert fordert Reform des Ehrensolds

Jetzt mischt sich auch Bundestagspräsident Lammert in die Debatte um den Ehrensold für ehemalige Bundespräsidenten ein. Der CDU-Politiker verlangt in einem Zeitungsinterview eine Regelung, die "Amtszeit, Lebensalter und Versorgungsanspruch" ausbalanciert.
Bundestagspräsident Lammert: Debatte über den Ehrensold

Bundestagspräsident Lammert: Debatte über den Ehrensold

Foto: Hannibal Hanschke/ dpa

Hamburg/Berlin - Bundestagspräsident Norbert Lammert sieht Reformbedarf beim Ehrensold für frühere Bundespräsidenten. Es sollte über Regelungen nachgedacht werden, "die im Unterschied zu heute einen überzeugenden Zusammenhang zwischen Amtszeit, Lebensalter und Versorgungsanspruch herstellen", sagte der CDU-Politiker der "Zeit".

Die bisherige Regelung eines lebenslangen Ruhegeldes in Höhe von knapp 200.000 Euro pro Jahr gehe "von einem anderen Bild des Staatsoberhauptes" aus. Die damaligen Gesetzgeber hätten sich nicht vorstellen können, "dass jemand in vergleichsweise jungen Jahren, weit vor Erreichen des Ruhestandsalters und schon nach kurzer Amtszeit aus diesem Amt ausscheidet", sagte Lammert mit Blick auf den zurückgetretenen Bundespräsidenten Christian Wulff.

Die jetzige Regelung stammt aus dem Jahr 1959 und gilt als eine Art "Lex Adenauer". Dem Vernehmen nach sollte der damalige Kanzler Konrad Adenauer (CDU) mit einer Verdopplung der Ruhebezüge für das Präsidentenamt gewonnen werden. Letztlich blieb Adenauer aber bis 1963 Kanzler, Bundespräsident wurde Heinrich Lübke (CDU).

Die Diskussion um den Ehrensold von jährlich 199.000 Euro war durch den Rücktritt Wulffs nach nur 20 Monaten Amtszeit ausgelöst worden. Laut Bundespräsidialamt sind die rechtlichen Voraussetzungen für den Ehrensold erfüllt, weil Wulff am 17. Februar "aus politischen Gründen" zurückgetreten sei. Laut Gesetz ist bei einem vorzeitigen Ausscheiden allein "aus politischen oder gesundheitlichen Gründen" die Zahlung eines Ehrensolds vorgesehen. Die zuständigen Haushaltspolitiker schlossen sich dieser Argumentation an.

Oppermann: "Jungpensionäre dürfen kein öffentliches Ärgernis werden"

Mehrere Koalitions- und Oppositionspolitiker hatten sich daraufhin für eine Reform der Ehrensold-Regelung ausgesprochen. FDP-Generalsekretär Patrick Döring hatte eine Debatte losgelöst von Einzelpersonen gefordert: "Ich bin sehr dafür, dass man das Gespräch über das besagte Gesetz aufnimmt. "Der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) hatte ein abgesenktes Ruhestandsgehalt vorgeschlagen, der FDP-Bundestagsabgeordnete Patrick Kurth, Generalsekretär der Liberalen in Thüringen, sagte, dass ein Bundespräsident erst ab dem 67. Lebensjahr volles Ruhegehalt beziehen solle.

Auch die SPD dringt auf eine Neuregelung des Ehrensolds für frühere Staatsoberhäupter. "Schon der Begriff passt nicht mehr in die Zeit", sagte der Parlamentarische Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann am Mittwoch in Berlin. Regierungsmitglieder bekämen als Pension 71,5 Prozent des letzten Gehalts. Daher könnten etwa 70 Prozent des letzten Gehalts bei Bundespräsidenten eine Richtschnur sein. "Wir müssen für die Zukunft verhindern, dass Jungpensionäre wie im Fall Wulff zu einem öffentlichen Ärgernis werden", sagte Oppermann. Die SPD werde zu gegebener Zeit hierzu Vorschläge machen.

Mit Blick auf die hohen Zusatzkosten für Büro und Personal riet Oppermann Wulff, derzeit besser keinen Antrag zu stellen. Wulff hatte sich gewünscht, wie die vier anderen noch lebenden früheren Staatsoberhäupter Walter Scheel, Richard von Weizsäcker, Roman Herzog und Horst Köhler behandelt zu werden - und ein Büro inklusive Mitarbeiter gefordert.

Brüderle will nicht zum Großen Zapfenstreich für Wulff

Wulff solle freiwillig auf die sogenannte Amtsausstattung verzichten, forderte auch SPD-Chef Sigmar Gabriel. Er gehe davon aus, dass Wulff anders als seine Vorgänger kaum noch zu repräsentativen Anlässen und Terminen gebeten werde. Dagegen verteidigte Gabriel den Ehrensold für Wulff. "Es ist nicht sinnvoll, aus dieser Frage einen politischen Streit zu konstruieren. Das Bundespräsidialamt muss die Rechtsgrundlagen beachten, und wenn es zu dem Schluss kommt, dass Christian Wulff dieser Ehrensold zusteht, werden wir das nicht ständig kritisieren."

Kritik üben die Sozialdemokraten auch am geplanten Großen Zapfenstreich an diesem Donnerstag für Wulff. Gabriel nannte die Veranstaltung eine "große Peinlichkeit". "Da wird einer, der im Amt gescheitert ist, so verabschiedet, als habe er Großes für Deutschland geleistet", sagte Gabriel den "Stuttgarter Nachrichten". Es sei kaum auszuhalten, dass Wulff nicht auf den Zapfenstreich verzichte, und "nun auch noch bis zu seinem Lebensende die volle Amtsausstattung mit Büro, Schreibkraft, Auto und Fahrer haben will". Keine hochrangigen SPD-Vertreter nähmen an dem Zapfenstreich teil, sagte Fraktionsgeschäftsführer Oppermann: "Ich kenne keinen Sozialdemokraten, der eine Einladung bekommen hat."

Auch Koalitionspolitiker wollen der Veranstaltung lieber fernbleiben: "Es gibt Ereignisse, da bin ich ohne Einladung hingegangen. Bei diesem Ereignis gehe ich ohne Einladung auf jeden Fall nicht hin. Wenn ich eine bekommen hätte, hätte ich darüber nachgedacht. Aber möglicherweise wäre das die gleiche Entscheidung geworden", sagte FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle.

Wulff war im Februar unter massivem Druck zurückgetreten. Die Staatsanwaltschaft Hannover ermittelt gegen ihn wegen des Verdachts der Vorteilsannahme. Dabei geht es um Wulffs Beziehung zu dem Filmunternehmer David Groenewold während der Zeit als Ministerpräsident in Niedersachsen.

lgr/dpa/dapd
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