Wulff-Prozess Zeuge Glaeseker verzichtet auf die Abrechnung

Mit Spannung wurde Olaf Glaeseker als Zeuge im Korruptionsprozess gegen Ex-Bundespräsident Wulff erwartet. Doch der Auftritt des einstigen Vertrauten war für die Staatsanwaltschaft dann eher eine Enttäuschung.
Zeuge Glaeseker: Wiesn-Einladung aus Krankheitsgründen abgesagt

Zeuge Glaeseker: Wiesn-Einladung aus Krankheitsgründen abgesagt

Foto: Christoph Schmidt/ dpa

Hat der Auftritt des Zeugen Olaf Glaeseker im Prozess gegen Christian Wulff nun den Knoten "platzen" lassen im Sinne der Staatsanwaltschaft? Ist nun endgültig klar geworden, dass der frühere Bundespräsident bestechlich ist? Dass er sich für schnöde 700 Euro, die die Anklage mit enormem Ermittlungsaufwand ausgerechnet hat, für die Unterstützung eines Anliegens des Filmproduzenten David Groenewold hat kaufen lassen?

Als erste sagte am Mittwoch die ehemalige Sekretärin Groenewolds, Sonja D., 63, aus. Wie das Verhältnis zwischen Wulff und ihrem früheren Chef gewesen sei, dessen Abrechnungsverhalten und dergleichen. Frau D., zu DDR-Zeiten im Dienst von Radio DDR, ist offensichtlich eine Frau, die für Groenewold wohl alles getan hat und gern getan hätte, sich von diesem sich aber nicht entsprechend gewürdigt und wahrgenommen fühlte. "Ich war sehr oft allein", sagt sie vor Gericht, "ich habe ihn kaum gesehen". Sie hatte, als ihre Tätigkeit für Groenewold beendet war, ihr dienstliches Notebook mitgenommen und dessen Festplatte ausgebaut. Sie hält Groenewold noch heute für "sehr großzügig".

Ihrer Darstellung, dass die Produktionsgesellschaft Odeon durch den Film "John Rabe", der im Verfahren gegen Wulff eine große Rolle spielt, in größte finanzielle Schwierigkeit geraten sei, widerspricht Groenewold-Verteidiger Friedrich Schultehinrichs. "Wissen Sie, dass Co-Produzent Jan Moito von EOS-Film die noch offenen Produktionskosten übernommen hatte und der Odeon AG überhaupt kein Schaden entstanden war?" Nein, das wisse sie nicht, es sei ihr so gesagt worden. "Ich weiß nicht, ob der Film dann Geld eingespielt hat. Ich habe keine Kenntnis von den wirtschaftlichen Daten."

"Groenewold hatte immer Geld in der Tasche"

Dass der Film nicht, wie von Groenewold angestrebt und von Wulff befürwortet, durch Siemens finanziell gefördert wurde, habe sie "sehr verärgert". In einem Vermerk legte sie nieder: "Die Hitler-Zeit ist deren schwärzestes Kapitel der Firmengeschichte; sie müssten sich durch Finanzierung dieses Films oder sonstiger Unterstützung zu etwas nach außen bekennen, was es öffentlich für die nicht gab. Sie haben schon Bücher schwärzen lassen, wo Journalisten die wahre Siemens-Geschichte aufschrieben..." Sonja D. fühlte sich offensichtlich persönlich enttäuscht. Der Film war auch emotional ihr Anliegen.

Groenewold beschrieb sie so: "Der war immer fröhlich und hatte immer Geld in der Tasche. Da zieht man natürlich Leute an. Das war nicht immer ganz uneigennützig, denke ich, es gehört halt dazu." Sie behauptet, Groenewold habe, nachdem er auf Gehaltszahlungen durch die Odeon AG verzichtet hatte, von "Ausschüttungen durch Fonds" profitiert. Verteidiger Schultehinrichs fragt: "Woher wissen Sie das?" Dazu hätte er Teilhaber oder Eigner der Fonds gewesen sein müssen. Das war er aber nicht.

Dann der Zeuge Glaeseker. Name, Alter, Beruf. Er zögert einen Moment. Heute oder damals? "Journalist", antwortet er dann. Er kennt Wulff seit 1993, als dieser CDU-Spitzenkandidat für die niedersächsische Landtagswahl war. Glaeseker schrieb damals für die "Nordwest-Zeitung", später für die "Augsburger Allgemeine". Er wurde Regierungssprecher und nach der Wiederwahl Wulffs Staatssekretär. Als Wulff ins Amt des Bundespräsidenten gewählt wurde, folgte ihm Glaeseker nach Berlin. Als "weit über ein Dienstverhältnis hinausgehend" beschreibt er selbst seine Beziehung zu Wulff. "Dann kam der 22. 12. 2011 und meine Versetzung in den einstweiligen Ruhestand." Er kommentiert seine Entlassung nicht.

Wieder geht es um Einladungen, um Feiern beiderseits. "So oft wurde da auch wieder nicht gefeiert", sagt er. Seine Aufgaben als Regierungssprecher? "Die Öffentlichkeitsarbeit der Regierung, medienrelevante Veranstaltungen, Aufbau von Netzwerken, das Zusammenbringen von Multiplikatoren", antwortet er. Mehrfach spricht er von seinem "Kerngeschäft", zu dem allerdings die Filmförderung nicht gehört habe. Dafür sei ein anderes Referat in der Staatskanzlei zuständig gewesen.

"Bei 100 bis 150 Emails pro Tag", fährt er fort, könne er sich nicht mehr an jede einzelne erinnern. Es geht um eine Mail vom 29.9.2008, einen Entwurf Sonja D.s, den Groenewold unterschrieben hat. Das Original wurde nie gefunden, der Text existiert nur als Datei auf den Rechnern der Odeon AG. Es gibt keinen Ausgangsbeleg dafür, dass er an die Staatskanzlei geschickt wurde und keinen Eingangsbeleg dort. Frau D. hält es angesichts ihres Engagements für nicht nachvollziehbar, dass die Mail von ihr nicht abgeschickt wurde. Groenewold bestreitet, dass die Mail versandt worden sei.

Wiesn-Einladung aus Krankheitsgründen abgesagt

Es war ein Bittschreiben Groenewolds an Wulff, er möge sich für den Film gegenüber Siemens verwenden, da das Engagement des Konzerns bei der Verwertung zu wünschen übrig ließ. Unterstellt, das Schreiben hätte Wulff tatsächlich erreicht, wie die Staatsanwaltschaft unterstellt - was wäre daran anstößig gewesen? Schließlich ging es ja nicht um einen Liebesfilm oder einen Action-Thriller, sondern einen Film von politischer Bedeutung (John Rabe, ein Siemens-Ingenieur, hatte 250.000 Chinesen vor dem sicheren Tod gerettet). Die zeitliche Nähe zum Oktoberfest-Besuch 2008, argumentieren die Ankläger.

Auch Glaeseker war von Groenewold zur Wiesn eingeladen worden. Doch er sagte tags zuvor wegen Krankheit ab. Er hätte den Aufenthalt als "dienstlich" abgerechnet, sagt er als Zeuge. Denn so etwas habe zum "Kerngeschäft" gehört, auch wenn er mit seiner Frau nicht, wie Wulff, im "Bayerischen Hof" gewohnt hätte. "Wir hätten uns ein preiswerteres Hotel gesucht." Von einer Vereinbarung Wulffs mit Groenewold weiß er nichts, etwa dass der Wiesn-Besuch der Preis für die unauffindbare Bitt-Mail gewesen wäre.

"Wussten Sie", fragt Oberstaatsanwalt Clemens Eimterbäumer, "dass Groenewold Herrn Wulff 2005 ein Mobiltelefon überließ?" Ja, sagt Glaeseker. Ein sehr enger Kreis habe dies gewusst, "vielleicht nur wir drei". "Sie waren also in die Geheimnisse der beiden eingeweiht!", setzt Eimterbäumer nach.

"Wurde Herrn Wulff von Groenewold eine bestimmte politische Position nahegelegt?" "Nach meiner Kenntnis nicht", antwortet Glaeseker. "Waren Sie öfter auf dem Oktoberfest? Wäre die Übernachtung für Ihre Frau auch dienstlich gewesen? Es gibt Doppelzimmer mit Einzel- und mit Doppelbelegung. Hätten Sie für Ihre Frau den Aufschlag selbst bezahlt? Erinnern Sie sich an Genesungswünsche durch Groenewold?"

Die Fragen der Staatsanwaltschaft sind zahlreich. Irgendwann sagt der Vorsitzende: "Herr Staatsanwalt, das ist doch jetzt nicht wirklich weiterführend!"

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