Ypsilanti und der "Heide-Mörder" Angst vor der Simonis-Falle
Hamburg - Um 16.36 Uhr an diesem 17. März 2005 ist Heide Simonis endgültig gescheitert. Der mittlerweile vierte Wahlgang ist gerade ausgezählt - und wieder hat es nicht gereicht für sie. 34 abgegebene Stimmen für Simonis, 34 für den CDU-Kandidaten Peter Harry Carstensen, eine Enthaltung.
Das wackelige Bündnis aus SPD und Grünen unter Tolerierung der Partei der dänischen Minderheit, des Südschleswigschen Wählerverbands (SSW), verfügt über 35 Stimmen. Ein Abgeordneter aus dem Bündnis ist also der "Heide-Mörder". SPD-Fraktionschef Lothar Hay wird das später eine "Ferkelei" nennen. Vor dem vierten Wahlgang habe er in seiner Fraktion eine geheime Abstimmung veranlasst: "Da haben 29 von 29 Abgeordneten für Simonis gestimmt", sagt Hay, fassungslos.
Heide Simonis, die Ministerpräsidentin des Landes Schleswig-Holstein, will keinen weiteren Wahlgang mehr. Sie gibt auf, verlässt den Landtag an diesem März-Nachmittag wie auf der Flucht. Kein Wort zu den Journalisten, den Blick auf den Boden gehaftet. Später spricht so von einem "hinterhältigen Dolchstoß". Noch heute sucht sie den "Heide-Mörder".
Zwölf Jahre hat Heide Simonis das Land zwischen den Meeren regiert. Vor der Wahl am 20. Februar 2005 ist sie weit beliebter als Konkurrent Carstensen, sie hat einen Spleen für Hüte, Armreife und Flohmärkte, die Umfragen sind ordentlich. Doch kurz vor dem Stichtag kippt die Stimmung. Die SPD kommt schließlich nur auf 38,7 Prozent, die CDU landet bei 40,2 und stellt die stärkste Fraktion im Parlament zu Kiel.
Simonis hat verloren. Aber sie will weitermachen. Unbedingt. Deshalb die Idee mit dem Tolerierungsmodell durch den SSW. Es endet in der Landtagssitzung vom 17. Februar. So etwas hatte es in der Bundesrepublik zuvor noch nicht gegeben.
Fast auf den Tag genau drei Jahre liegt der Fall Simonis nun zurück. Und möglicherweise hätte es zu einer Neuauflage kommen können: Seitdem Hessens SPD-Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti angekündigt hatte, sich notfalls mit Stimmen der Linken zur Ministerpräsidentin wählen zu lassen, rumorte es in der SPD-Fraktion. Nur zwei Stimmen Mehrheit hätten SPD, Grüne und Linke im Landtag gegenüber CDU und FDP. Zuletzt erklärte die SPD-Abgeordnete Dagmar Metzger, sie werde Ypsilanti nicht gemeinsam mit der Linken wählen. Da blieb nur noch eine Stimme Mehrheit. Würde die halten?
Die Ähnlichkeit zum Fall Simonis ist frappant. Als Ypsilanti kürzlich in der ARD-Talkshow "Beckmann" auf die Frage nach einem möglichen Verzicht ihrerseits gefragt wurde, um den Weg in eine Große Koalition freizumachen - wie sie dann schließlich auch in Schleswig-Holstein entstanden ist -, da antwortete Ypsilanti sehr selbstsicher: "Warum soll denn bitte jemand, der einen so hervorragenden Wahlkampf gemacht hat, verzichten?"
Vor drei Jahren war es ebenfalls die Sendung "Beckmann", in der auch Heide Simonis die Frage nach dem persönlichen Verzicht mit einer Gegenfrage beantwortete: "Und wo bleibe ich dabei?"
An diesem Freitag hat Andrea Ypsilanti die Reißleine gezogen. Einen zweiten SPD-Dolchstoß will sie nicht riskieren. Damit ist ihr angedachtes und von Parteichef Kurt Beck geduldetes Links-Experiment gescheitert: "Diesen Weg können wir so nicht gehen", gestand Ypsilanti ein. Sie werde sich am 5. April nicht zur Wahl stellen, "denn ich kann für eine Mehrheit nicht garantieren."
Simonis' Reaktion auf Ypsilantis Entscheidung: "Sie lief Gefahr, so zu enden wie ich", sagte sie der "Wetzlarer Neuen Zeitung".