Zahmer Bundespräsident Deutsche wünschen sich einen bissigeren Wulff

Christian Wulff gilt als Bundespräsident der leisen Töne, die große Mehrheit der Deutschen findet ihn laut einer Umfrage sympathisch. Gleichzeitig wünschen sich die Befragten aber auch mehr Biss: Das Staatsoberhaupt soll sich stärker politisch einmischen - und "klare Kante zeigen".
Bundespräsident Wulff (Archivbild): Deutsche wünschen mehr politische Einmischung

Bundespräsident Wulff (Archivbild): Deutsche wünschen mehr politische Einmischung

Foto: JOHANNES EISELE/ AFP

Berlin - Knapp ein Jahr nach seiner Wahl zum Staatsoberhaupt wünscht sich eine Mehrheit der Bürger eine stärkere Einmischung von Bundespräsident Christian Wulff in die Politik. In einer Emnid-Umfrage für die "Bild am Sonntag" forderten 78 Prozent, Wulff solle "mehr klare Kante" zeigen. Dass Wulff zu aktuellen Fragen wie Euro-Rettung, Atomausstieg oder dem Ende der Wehrpflicht Stellung bezieht, wünschten sich 80 Prozent.

Insgesamt war aber eine große Mehrheit von 83 Prozent der Ansicht, dass Wulff Deutschland gut repräsentiere. Nur elf Prozent fanden das nicht.

CSU-Chef Horst Seehofer bescheinigte Wulff gegenüber der Zeitung, er führe sein Amt "sehr, sehr gut". Er glaube, dass Wulff "mit zunehmender Amtsdauer stärker das Wort auch in aktuellen Debatten ergreifen wird - er kann es, und die Politik sollte es vertragen".

80 Prozent der Deutschen finden den Bundespräsidenten sympathisch, 15 Prozent sehen das anders. Das Ansehen des Präsidentenamts ist den Angaben zufolge gut, 71 Prozent finden den Bundespräsidenten "wichtig" oder sogar "sehr wichtig".

Mit seiner vielbeachteten Aussage, dass der Islam zu Deutschland gehöre, konnte der Präsident es den Deutschen laut der Umfrage jedoch nicht recht machen. 59 Prozent sind demnach der Ansicht, Wulff hätte das bei seiner Rede zum 20. Jahrestag der deutschen Einheit nicht sagen sollen. Nur 36 Prozent geben ihm recht. Emnid befragte am vergangenen Donnerstag repräsentativ 503 Personen.

Stärkeres Engagement in politischen Fragen gewünscht

Grünen-Fraktionschefin Renate Künast wünscht sich von Wulff künftig ein stärkeres Engagement: "Christian Wulff hat mit seinem Satz 'Muslime gehören zu Deutschland' eine wichtige Debatte in Deutschland angestoßen", wird Künast zitiert. "Ich würde mir wünschen, dass der Bundespräsident sich häufiger auch in andere gesellschaftspolitische Debatten einmischt."

SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier zeigte sich mit Wulff zufrieden. Der Präsident habe insbesondere mit seinen Reisen in die Türkei und nach Israel "wichtige Akzente" gesetzt und beim Thema Integration "offene und ermutigende Worte gefunden". SPD und Grüne hatten sich schon zuvor für eine stärkere politische Einmischung Wulffs ausgesprochen.

FDP-Chef Philipp Rösler bezeichnete Wulff als "hervorragenden Bundespräsidenten". Der Fraktionschef der Linkspartei, Gregor Gysi, forderte, Wulff müsse sich zum Zusammenhalt in der Gesellschaft und damit zur sozialen Frage deutlicher artikulieren.

Der damalige niedersächsische Ministerpräsident Wulff war am 30. Juni zum Bundespräsidenten gewählt worden. Er folgte auf Horst Köhler, der nach Kritik an seiner Amtsführung im Mai vergangenen Jahres überraschend zurückgetreten war.

ffr/AFP/dapd/dpa
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