Zentralrat der Juden
Graumann will nicht nur Moralwächter sein
Der Präsident des Zentralrates der Juden, Dieter Graumann, will seine Organisation neu ausrichten. Der "Financial Times Deutschland" sagte er, der Zentralrat müsse zeigen, dass er nicht immer nur kritisiere und andere korrigiere. Es habe sich ein Empörungsritual eingebürgert.
Hamburg - "Die Opferrolle ist nicht genug, Judentum ist viel, viel mehr", sagte Graumann Zeitung. Der
müsse bei allem Engagement für die Erinnerung an den Holocaust auch zeigen, dass er nicht immer nur kritisiere und andere korrigiere.
thematisiert damit einen heiklen Punkt im deutsch-jüdischen Verhältnis. Unter seinen ehemaligen Präsidenten hatte sich der Zentralrat vor allem als Wächter über die politische Korrektheit verstanden und sich mit teilweise scharfen Aussagen in der Debatte über die Nazivergangenheit Deutschlands oder antisemitische Strömungen in der Gesellschaft zu Wort gemeldet. Im September etwa hatte die Organisation EU-Handelskommissar Karel De Gucht wegen
umstrittener Äußerungen in einem Interview
"Hetze" vorgeworfen.
Graumann räumte ein, das Ritual des Empörens habe sich "ein bisschen eingebürgert, fast eingefressen". Das habe mit dem Zentralrat zu tun, aber auch sehr viel mit den Medien, die solche Statements oft fast schon herausforderten, sagte er. Diesen Bedarf müsse der Zentralrat aber nicht immer bedienen.
Graumann ermunterte auch zu Kritik an der israelischen Siedlungspolitik. Man dürfe und müsse Israels Umgang mit den Palästinensern kritisieren. Allerdings warb er gleichzeitig um Verständnis. "Israel hat bis heute keine sicheren Grenzen, und das Gefühl der Heimatlosigkeit bei Israelis gibt es bis heute. Weil sie bis heute bedroht sind. Wenn man ihnen diese Angst nimmt, wird Israel zu großen Schritten bereit sein."
Der 60-jährige Graumann ist der erste Präsident des Zentralrates, der den Holocaust nicht mehr selbst erlebt hat. Er hatte sein Amt Ende
November übernommen. An seiner Vorgängerin
war Kritik aus den eigenen Reihen laut geworden, das Judentum in Deutschland allein über die Auseinandersetzung mit dem
zu definieren und dabei die Probleme jüdischer Gegenwart aus dem Blick zu verlieren. Daraufhin hatte sie auf eine
weitere Kandidatur verzichtet.