"Zukunftsdialog" Merkel startet Diskussion mit Bürgern im Internet

Für das Kanzleramt ist es ein "politisches Experiment": Am Mittwoch startet Merkels Diskussionsforum im Internet. Dort will sich die Kanzlerin mit Bürgern über Zukunftsfragen austauschen und Anregungen sammeln - die Opposition wittert eine unerlaubte Verquickung von Regierungs- und Parteiarbeit.
Merkel auf der Computermesse Cebit (März 2010): Bürgerbeteiligung oder PR-Aktion?

Merkel auf der Computermesse Cebit (März 2010): Bürgerbeteiligung oder PR-Aktion?

Foto: Sean Gallup/ Getty Images

Berlin - "Wie wollen wir leben?" - diesen und anderen großen gesellschaftspolitischen Fragen stellt sich Angela Merkel seit Mittwoch im Internet. Über das Online-Diskussionsforum will die Bundeskanzlerin einen direkten Austausch mit Bürgern über Zukunftsfragen starten. Vorschläge und Erfahrungen der Teilnehmer sollen als Anregung für konkrete politische Projekte dienen, teilte die CDU-Politikerin mit.

Im Mittelpunkt des sogenannten Zukunftsdialogs stehen drei Fragen: "Wie wollen wir zusammenleben? Wovon wollen wir leben? Wie wollen wir lernen?" Auf der Website www.dialog-ueber-deutschland.de  können Ideen eingebracht werden, die Absender der zehn besten Vorschläge werden zur weiteren Diskussion ins Kanzleramt eingeladen, teilte Merkel mit.

Seit Herbst feilen rund 120 Fachleute aus Wissenschaft und Praxis an Merkels Zukunftsdialog. Sie sollen Fragen diskutieren, Vorschläge bewerten und mögliche Antworten geben. Im Blick ist dabei die Gestaltung der kommenden zehn Jahre. Neben dem Online-Forum sind zudem drei direkte Gesprächsrunden zwischen Merkel und jeweils hundert ausgewählten Bürgern in Erfurt, Heidelberg und Bielefeld geplant.

Echte oder nur simulierte Bürgerbeteiligung?

Im Kanzleramt wurde das Projekt als politisches Experiment beschrieben. Es handele sich um einen "offenen Prozess", der auch Risiken berge. So hatte bei einer Online-Abstimmung auf YouTube im Herbst das Volk die Frage auf Platz ein gewählt, wie Angela Merkel über die Legalisierung von Cannabis denkt.

Merkel hofft nun, dass unabhängig von der Regierungsarbeit und über Ressortgrenzen hinweg gedacht wird. Von der Opposition kam dennoch prompt Kritik an dem Projekt. "Die SPD wird genau prüfen, ob die notwendige Trennung von Partei- und Regierungsarbeit eingehalten wird", sagte ihr Parlamentarischer Geschäftsführer Thomas Oppermann der "Esslinger Zeitung" vom Mittwoch.

Es dürfe nicht sein, dass sich Merkel durch den Zukunftsdialog "mit viel Steuergeld, großem Stab und vielen Mitarbeitern" auf den Wahlkampf 2013 vorbereite, sagte Oppermann. Es sei "zumindest rechtlich grenzwertig, dass die Kanzlerin dazu einen Stab im Kanzleramt aufbaut". Grünen-Parlamentsgeschäftsführer Volker Beck sagte: "Ich bin gespannt, ob es dabei um echte und nicht nur PR-orientierte, simulierte Bürgerbeteiligung geht."

Tatsächlich versuchen Ministerien immer wieder den Austausch mit den Wählern im Internet, häufig ohne Erfolg: Obgleich die Ressorts Millionensummen in den digitalen Dialog stecken, ist die Beteiligung häufig schlecht. Auch weil echte Diskussion häufig nur vorgetäuscht wird.

lgr/AFP
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