Zuwanderung Westerwelle fordert Debatte über den Nutzen von Migranten

FDP-Chef Westerwelle: "Überlegen, warum andere Länder uns voraus sind"
Foto: dapdHamburg - Kaum kann FDP-Chef bei den Vereinten Nationen und der Nato außenpolitische Erfolge vorweisen, meldet er sich auch zu innenpolitischen Streitthemen wieder zu Wort. Das Thema Zuwanderung wird bereits seit Tagen heftig debattiert, am Freitag schaltete sich auch Westerwelle ein. Er will eine Debatte über den Nutzen von Einwanderern anregen. "Wir haben als Staat ein wohlverstandenes nationales Interesse zu fragen, wen wir einladen wollen, in Deutschland zu leben", sagte der FDP-Chef dem "Hamburger Abendblatt". "Und wir haben ein Recht zu fragen, welchen Beitrag Einwanderer leisten wollen, damit nicht nur sie, sondern das ganze Land einen Gewinn davon haben", fügte er hinzu.
Zugleich räumte Westerwelle aber ein, in den letzten Jahren habe die Bundesrepublik mehr Auswanderung als Zuzug gehabt. "Deutschland ist kein Einwanderungs-, sondern ein Auswanderungsland", sagte er. "Die Frage, was wir gegen diese Auswanderung tun können, ist genauso wichtig wie die Frage, welche Einwanderungspolitik wir wollen."
Es gebe Schwierigkeiten bei der insgesamt, "die wir nicht leugnen dürfen" sagte Westerwelle. Viele Länder könnten aber zahlreiche Beispiele gelungener Integration vorweisen. "Dort arbeiten sich junge Menschen aus Zuwandererfamilien mit überragendem Fleiß nach oben. Wir müssen uns ernsthaft überlegen, warum andere Länder uns voraus sind", meinte der FDP-Chef.
Er forderte zudem bundesweite Sprachtests für Kinder vor der Einschulung. Ein Kind sollte ein zusätzliches Jahr die Vorschule besuchen, "wenn die Deutschkenntnisse nicht ausreichen, um dem Unterricht folgen zu können". Zuvor hatte bereits FDP-Generalsekretär Christian Lindner eine Deutschpflicht auf Schulhöfen vorgeschlagen.
Abschlüsse von Migranten sollen leichter anerkannt werden
Um Fachkräften den Zuzug zu erleichtern, schlug Lindner zudem vor, die derzeit geltende Einkommensgrenze für Berufseinsteiger aus dem Ausland zu senken. Einem Zeitungsbericht zufolge, hat die schwarz-gelbe Koalition bereits Pläne, mit denen sie innerhalb des nächsten Jahres bis zu 500.000 Zuwanderern den Weg auf den Arbeitsmarkt für Fachkräfte ebnen will. Dazu werde für Migranten ein Rechtsanspruch auf Anerkennung von qualifizierten Bildungsabschlüssen eingeführt, sagte der FDP-Integrationsexperte Serkan Tören der "Neuen Osnabrücker Zeitung".
Demnach müssen die Abschlüsse binnen sechs Monaten in Deutschland anerkannt werden. Betroffen seien davon insbesondere Berufe der Pflegebranche, Ingenieure, Techniker und Naturwissenschafter. Der Anspruch sei Teil eines Anerkennungsgesetzes, das zum Frühjahr 2011 in Kraft treten solle, sagte Tören.
Industriepräsident Hans-Peter Keitel forderte in der Zuwanderungsdebatte einen "Mentalitätswechsel". Deutschland müsse sich als Einwanderungsland begreifen, sagte der BDI-Präsident der "Berliner Zeitung". "Wir müssen bereit sein, zu akzeptieren, dass wir systematisch Zuwanderung nach Deutschland haben werden und brauchen." Allein bei den Bauingenieuren gingen jedes Jahr Tausende Arbeitnehmer mehr in Rente als von der Hochschule nachrückten. Diese Lücke lasse sich ohne ausländische Fachkräfte nicht schließen, sagte Keitel.
Die aktuelle Debatte um Zuwanderung hatte CSU-Chef Horst Seehofer losgetreten. Er hatte in einem Interview gesagt, Zuwanderer aus anderen Kulturkreisen wie aus der Türkei und arabischen Ländern täten sich schwerer bei der Integration. Daraus ziehe er den Schluss, "dass wir keine zusätzliche Zuwanderung aus anderen Kulturkreisen brauchen".
Roth legt gegen Union und Liberale nach
Grünen-Chefin Claudia Roth warf Spitzenpolitikern von Union und FDP vor, Vorurteile gegen Zuwanderer zu schüren und eine populistische Debatte zu betreiben. Dabei nannte Roth im "Tagesspiegel" Westerwelle, Seehofer sowie den hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier (CDU). In der Integrationsdebatte werde eine "Logik des Ressentiments" sichtbar, wenn man Migranten erst Entwicklungsmöglichkeiten vorenthalte, um ihnen dann die Folgen einer verfehlten Integrationspolitik anzulasten meinte Roth.
"Sie zeigt sich in einer unheiligen Allianz von Populismus und Neoliberalismus, wenn zum Beispiel ein Guido Westerwelle Menschen an der Armutsgrenze, die selbst Opfer der neoliberalen Spaltung der Gesellschaft sind, 'spätrömische Dekadenz' vorwirft", sagte die Grünen-Chefin. Seehofer wolle existierende Ängste in ein dumpfes Ressentiment gegen Menschen aus anderen Kulturkreisen umlenken - "wo ihm der Roland-Koch-Schüler Volker Bouffier sogleich zur Seite springt", kritisierte sie.