
Karl-Theodor zu Guttenberg: Meister der Inszenierung
Zwischenruf zu Guttenberg Brief an meinen Helden
Sehr geehrter Freiherr zu Guttenberg,
ich möchte Ihren gestrigen Triumph über das Rechtsempfinden des Pöbels zum Anlass nehmen, Ihnen meine tiefe Bewunderung auszusprechen. Und Sie zu meinem Helden der Gegenwart erklären.
Wie Sie das wieder hinbekommen haben! 20.000 Euro Strafe, weil Sie aus Versehen hier und da ein wenig abgeschrieben haben, was Ihnen Ihre kleingeistigen, neidischen Widersacher als Urheberrechtsverletzungen ausgelegt haben, und dann so fein, ohne viel Aufhebens aus der Sache rausgekommen! Kein Gerichtsverfahren, keine Vorstrafe. Respekt!
Was sind im Angesicht einer möglichen Verurteilung als Plagiator schon 20.000 Euro? Vor allem, wenn diese an etwas so Anständiges wie das Kinderkrebswerk gehen, das nun den Clown-Pfleger Kalle beschäftigen kann oder einen Streichelzoo aufbauen. Nicht auszudenken die Image-Kratzer, wenn das Gericht verfügt hätte, sie müssten Geld für junge Prostituierte geben oder befreite Legehennen.
Aber es kommt ja nicht von ungefähr, dass ein Mann Ihres Standes auf dem Parkett der Bedeutung, Gericht oder Plenarsaal, Zeltlager oder Elite-Uni, eine so gute Figur macht. Selbst wenn Ihre Figur momentan etwas aus der Form gehen mag - ein Mann wie Sie, ein Adliger von Geburt, den umgibt eben doch eine Aura der Erhabenheit, die zu Großem befähigt.
So gefällt es mir sehr, dass Sie nicht klein beigeben. Jeder Bürgerliche hätte an irgendeinem Punkt dieser unappetitlichen Geschichte die Waffen gestreckt. Hätte gesagt: Ja, ich habe abgeschrieben. Ich bin ein Schuft, ein Lügner, ein Betrüger, ein Nepper, Schlepper, Bauernfänger. Nicht so Sie. Beflecken Ihren schönen Familiennamen, lädieren den Ruf einer Universität und eines international renommierten Rechtsgelehrten, beschädigen das Ansehen der Wissenschaft und steigen doch mit der Haltung eines zu Unrecht geschmähten in das Flugzeug Ihres persönlichen Elbas, Connecticut. Hier, so lassen Sie diejenigen wissen, von denen Sie so enttäuscht sind, gedenken Sie, Bücher zu schreiben und Reden zu halten.
Diese Chuzpe, diese Hybris
Und das ist es, werter Freiherr, woran es der gemeine Bürgerliche missen lässt, diese Chuzpe, diese Hybris. Dieser Blick über die Häupter hinweg anstatt auf das eigene Versagen, die Fehleinschätzung und Verblendung - dazu braucht es eben doch eine gewisse Größe. Nicht nur an Metern.
Solch eine Haltung kann man nicht kaufen. Die ist Ihnen und Ihrer Frau in die Wiege der Herkunft gelegt, und da macht es auch gar nichts, dass Sie nun 6000 Kilometer vom Wahlvolk entfernt leben, Ihre Verbindungen sind so ungebrochen gut, dass Sie - perfekt im Timing - dem deutschen Volke deutlich machen, dass es an Ihnen kein Vorbei gibt.
In nur fünf Tagen haben Sie einen Parcours de Public hingelegt wie zu Ihren besten Zeiten. Zunächst der Auftritt als "angesehener Staatsmann" auf dem Halifax Security Forum in Kanada, bei dem Sie mal kurz die Europa-Politik Ihrer ehemaligen Regierungskollegen zermalmen, gefolgt von der Ankündigung Ihres Buches "Vorerst gescheitert", welche vom überraschenden Ende des Ermittlungsverfahrens gegen Sie begleitet wird.
Als Steigbügelhalter geriert sich "Die Zeit", die just in diesen Tagen das Geschehen durch einen exklusiven Vorabdruck Ihres Buches flankiert. Und weil auch die etwas von Ihrer Liebe zur Heimat haben sollen, die "Die Zeit" vielleicht nicht verstehen, geht im Dezember dann auch Ihre Gattin endlich wieder auf Sendung. Als Vertreterin von "Unschuld in Gefahr" ("Innocence in Danger") tritt sie in einer Sendung auf, die zur Erweiterung des Portfolios nicht mehr "Tatort Internet", sondern "Tatort Deutschland" heißt. Dass die "Bild"-Zeitung Sie noch immer als "Deutschlands beliebtesten Politiker" führt, versteht sich von selbst.
Was sind schon 6000 Kilometer?
Mein lieber Freiherr, Sie sind ein Charmeur! Noch bevor sich das Gefühl einstellen konnte, Sie zu vermissen, sind Sie schon wieder da! Was sind schon 6000 Kilometer, wenn man sich innerlich nicht trennt? Wenn man nur den Kühlschrank woanders aufstellt?
Wie gesagt, lieber Karl-Theodor, Sie sind mein Held der Gegenwart. Ich bewundere das Geschick, mit dem Sie nicht nur das Jetzt formen, sondern mit dem Sie auch die Zukunft glattbügeln. Ihre und meine. Mit dem schönen Satz "Ich habe mit dem Abfassen dieser Doktorarbeit die, noch mal, denkbar größte Dummheit meines Lebens begangen" erteilen Sie sich vorauseilende Absolution. "Denkbar größte Dummheit" - ich möchte jetzt gar nicht an die denkbar undurchdachteste Bundeswehrreform erinnern, mit deren Trümmern jetzt Ihr Nachfolger klarkommen muss, mir reicht dieser eine Gedanke: Egal welchen Mist Sie, der Sie noch keine 40 Jahre alt sind, in Zukunft verzapfen, nichts ist so folgenschwer zu bewerten wie dieser, wie Sie sagen, aus der Überforderung entstandene Textübersichtsverlust.
Ich hoffe für Sie, Deutschland und mein Heldenbild, dass Sie nicht auf die Idee kommen, etwas anderes zu tun, als zu schreiben.
Ansichtskarten aus Connecticut.