DIAGNOSE
(Nr. 21/1967, Friedrich III.)
Als Sohn jenes Dr. Bramann, der am 9. Februar 1888 den Kronprinzen Friedrich, später Kaiser Friedrich III., operierte, hat mich dieser Artikel besonders interessiert, Die großen Schwierigkeiten, unter denen mein Vater damals den Eingriff durchführen mußte, sind ja bekannt. Aber Ihr Artikel enthält zwei Unrichtigkeiten, zu denen ich Stellung nehmen möchte. Rudolf Virchow war nicht »behandelnder Kaiser-Arzt«. Virchow war pathologischer Anatom. Seine Aufgabe war es, die mikroskopische Untersuchung der aus dem Stimmband des Kronprinzen Friedrich entnommenen Gewebestücke vorzunehmen, zwecks Feststellung, ob die Stimmbanderkrankung des Patienten gutartig oder bösartig war. Tatsächlich hat Virchow mehrfach solche von dem englischen Kehlkopfspezialisten Mackenzie entnommene Gewebestücke histologisch untersucht und bei keiner dieser Untersuchungen Krebszellen gefunden. Es ist aber eine Diffamierung Virchows, wenn es in Ihrem Artikel heißt: »Doch der berühmteste deutsche Arzt seiner Zeit stellte eine falsche Diagnose.« Es ist erwiesen, daß die von Virchow untersuchten Gewebeproben keine Krebszellen enthielten.
Ernst von Bergmann hatte schon vor der Hinzuziehung des englischen Arztes die richtige Diagnose auf Krebs gestellt, und die Operation war für den 20. Mai 1887 festgesetzt. Der erfolgversprechende Eingriff kam aber durch die Hinzuziehung des Dr. Mackenzie nicht zustande, weil dieser,
gestützt auf das Ergebnis der von ihm unkorrekt entnommenen Gewebeproben, die Krebsdiagnose bestritt. Das war aber nicht die Schuld Virchows.
Berlin CONSTANTIN VON BRAMANN
* Facharzt für Chirurgie, ehemaliger Ärztlicher Direktor und Chefarzt am städtischen Krankenhaus Neukölln