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TITO Die beste Propaganda

aus DER SPIEGEL 8/1950

Wir werden eher barfuß gehen, als für Geld unsere sozialistischen Grundsätze zu opfern.« Marschall Tito sagte von vornherein, wie wenig Konzessionen er für amerikanische Dollars machen will. George V. Allen, US-Botschafter in Belgrad, beschwichtigte: an die USA-Hilfe für Jugoslawien würden keinerlei politische Bedingungen geknüpft. Die Amerikaner, Kommunistenfresser durch und durch, helfen dem kommunistischen Diktator Tito auch so mit Waffen und Dollars.

»Wir helfen Tito, weil er Kommunist ist und nicht, obwohl er Kommunist ist«, interpretieren prominente Amerikaner, die in Belgrad wirtschaftliche Missionen erfüllen, ihren Botschafter. »Antikommunisten, die gegen die Sowjetunion sind, gibt es genug auf der Welt. Aber es gibt nur einen kommunistischen Staatschef, der gegen Stalin ist, nämlich Tito. Er ist der einzige, der die kommunistische Internationale von innen her zersetzen und Moskaus Satellitenstaaten zum Widerstand ermuntern kann.

Tito würde die Amerikaner also nur ärgern, machte er über Nacht aus seiner kommunistischen Diktatur eine parlamentarische Demokratie. Keiner von Rußlands Satelliten würde ihn mehr ernst nehmen, wenn er morgen erklärte, die Amerikaner seien keine kapitalistischen Imperialisten, und der Marshallplan kein Instrument zur Versklavung freier Völker.

Ehe die Amerikaner mit ihrer Tito-Hilfe anfingen, verfaßte das State Department ein vertrauliches Dokument und stellte die Vor- und Nachteile einer Unterstützung Jugoslawiens gegenüber. Auf der Aktivseite standen:

* Tito ist heute für den Westen die beste Propagandawaffe gegen die Sowjetunion, weil er sich gegen die Moskau-Herrschaft auflehnt und so die Kommunisten in zwei Lager spaltet.

* Tito schwächt die strategische Stellung der Sowjetunion. Sie hat ihr wichtigstes Aufmarschgebiet gegen Triest, Italien, die Adria und das östliche Mittelmeer verloren.

* Tito kann den anglo-amerikanischen Nachrichtendiensten sehr helfen. Geheime Tito-Anhänger sitzen sowohl in der Sowjetunion wie auch in den Satellitenstaaten bis in die höchsten Staatsämter und können zuverlässigere Nachrichten geben als Anti-Kommunisten.

* Tito hat viele kriegswichtige Rohstoffe. Sie gingen früher nach Rußland und werden jetzt von Amerika und England gekauft.

Auf der Passivseite:

* Amerikas Versprechen, kein Land zu unterstützen, in dem die vier Freiheiten der Atlantik-Charta nicht gewährt werden, ist gebrochen.

* Niemand weiß, was Tito im Falle eines Krieges zwischen Ost und West tun wird. Im Ernstfall könnte sich Tito doch mehr zu den Russen als zu den Amerikanern hingezogen fühlen.

* Der Westen zieht sich mit seinen Hilfslieferungen an Jugoslawien einen neuen Gegner groß. Tito könnte eines Tages gefährlicher als Stalin werden.

Dean Achesons State Department ging - gegen den heftigen Widerstand des Verteidigungsministers Johnson - den Mittelweg und entschloß sich für beschränkte Jugoslawien-Hilfe.

Aber schon das enttäuschte die demokratische jugoslawische Emigration überall in der Welt. Auch in Jugoslawien selbst gibt es Leute, die hoffen, die Amerika-Hilfe würde zu einer - zumindest allmählichen - »Verwestlichung« des Tito-Regimes führen.

Sie hoffen vergeblich. Wenn auch beispielsweise die bisher gebräuchlichen Einheitslisten, die entweder in Bausch und Bogen zu bejahen oder abzulehnen sind, bei den Parlamentswahlen im Frühjahr nicht mehr angewendet werden: auch als Einzelkandidat kann in Jugoslawien nur aufgestellt werden, wer kompromißlos kommunistisch ist.

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