DIE BONNER KOALITION ZERBRACH
DIE BONNER KOALITION ZERBRACH
weil Kabinett und Regierungsparteien sich nicht bereit fanden, für 1967 einen ausgeglichenen Bundeshaushalt vorzulegen.
Schon die Etats der vergangenen Jahre hatten wegen der Wahlausschüttungen nur dadurch ins Lot gebracht werden können, daß Ausgaben durch fiskalische Tricks in Neben- und Schattenhaushalte abgeschoben wurden.
Im September dieses Jahres, als das Kabinett über das Budget für 1967 beriet, waren die Wünsche wieder stärker als der Wille zur Stabilität. Nach den Grundsätzen einer ordentlichen Finanzpolitik hätte die Ministerrunde die Ressortwünsche den zu erwartenden Einnahmen anpassen müssen. Statt dessen unterschlug die Regierung wichtige Ausgabenblöcke, darunter die Devisenhilfe an die USA. Und zwei Milliarden Mark, die von den Bundesländern aus der Einkommen- und Körperschaftsteuer verlangt wurden, verbuchte das Bundeskabinett als Soll-Einnahmen.
Statt grundsätzlich mit dem Mißwuchs der Subventionen aufzuräumen, wie es Ludwig Erhard in seiner Regierungserklärung vor einem Jahr feierlich versprochen hatte, wagte sich das Kabinett unter den argwöhnischen Blicken der Interessenten in den eigenen Reihen lediglich an die steuerfreie Kilometerpauschale für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsplatz heran. Geringfügige Abstriche an der Sparförderung, die ebenfalls vom Kabinett beschlossen wurden, gingen schon hart an die Grenze der Opportunität.
Am 29. September verabschiedete die Regierung einen Etat, der nur rechnerisch ausgeglichen war. Tatsächlich klaffte im Scheinbudget eine Deckungslücke von mindestens vier Milliarden Mark.
Nach Erhards Herbstreise in die USA, wo Präsident Johnson, wie nicht anders zu erwarten, auf Zahlung der Devisenhilfe in Höhe von 1,8 Milliarden Mark 1967 bestand, war das Manko nicht länger zu verheimlichen. Unterdes hatten auch die Länder die strittigen zwei Steuer-Milliarden in ihren Haushalten aktiviert.
Am letzten Freitag wies der Bundesrat in erster Lesung die Regierungsvorlage, in der diese Milliarden als Bundeseinnahmen verbucht worden waren, als verfassungswidrig zurück.
Christdemokraten und Liberale sahen sich genötigt, jene Realitäten-zu erkennen, vor denen das Kabinett zuvor die Augen verschlossen hatte. An der Frage, ob der Haushaltsausgleich durch Ausgabenminderungen oder Steuererhöhungen zu suchen sei, entzündete sich das Krisenfeuer. Finanzminister Rolf Dahlgrün wollte das Loch durch Senkung von Sozialausgaben und Subventionen stopfen. Die CDU-Fraktion hingegen, in der die Partikularinteressen am breitesten etabliert sind, fürchtete den Abbau selbst unsinniger Sondervergünstigungen mehr als Steuererhöhungen, die alle Bürger und nicht allein die von der CDU/CSU privilegierten Gruppen treffen.
Der Steuer-Katalog, der von Abs und Barzel, Katzer und Kiesinger empfohlen wurde, enthielt Benzin, Tabak und Rum. Die Union wollte beispielsweise
- die 8 1/2 - Pfennig - Zigarette auf zehn Pfennig verteuern (Mehreinnahme: 1,2-Milliarden Mark);
- 120 Millionen Mark mehr Branntweinsteuer (etwa 33 Pfennig je 0,7 -Liter-Flasche) erheben;
- die Mineralölsteuer um mindestens drei Pfennig je Liter erhöhen (Mehreinnahme: 1,25 Milliarden);
- »notfalls« die Ergänzungsabgabe (sechs Prozent) zur Einkommen -Lohn- und Körperschaftsteuer einführen, deren Ertrag von etwa drei Milliarden Mark allein dem Bund zuflösse.
Die Freien Demokraten dagegen forderten:
- keinerlei Steuererhöhung;
- Abstriche bei der Entwicklungshilfe (200 Millionen Mark), im Verteidigungshaushalt ("in ansehnlicher Höhe") - und bei den Sozialausgaben (zum, Beispiel Pennälergehalt und Kindergeld);
- kein Abbau der Spar- und Bausparförderung, sondern statt dessen Fortfall des sogenannten 312 -Mark-Gesetzes.
CDU/CSU-Fraktionschef Rainer Barzel betonte, wenn die FDP nicht einlenke und ihr Permit nicht auch für Steuererhöhungen erteile, sei »die Koalition kaputt«. Nach Mendes Umfall und Aufstieg zum Rücktritt ist die christdemokratische Rumpfregierung mit ihrem löcherigen Budget allein.