BELGIEN / WATERLOO Die Briten kommen
Am 18. Juni 1815 - die verbündeten europäischen Heere standen beim belgischen Waterloo in der Entscheidungsschlacht gegen Napoleon - seufzte Briten-General Wellington: »Ich wollte, es wäre Nacht oder die Preußen kämen.« Die Preußen kamen.
150 Jahre später variierte Belgiens Außenminister Paul-Henri Spaak: »Ich wollte, es wäre Nacht und keiner käme.«
Doch sie kommen: Für die 150. Wiederkehr des Waterloo-Gemetzels (62 000 Tote) am 18. Juni 1965 rüsten zwar nicht die Preußen, dafür aber 3600 britische und niederländische Soldaten zu einer Gedenkfeier auf der historischen Walstatt.
Zwar mühte sich Spaak, um der ohnehin erschütterten Einheit Europas willen, dem Frankreich des empfindlichen Gloire-Generals de Gaulle das Jubiläums-Spektakel zu ersparen.
Er sorgte dafür, daß Belgiens Kabinett geschlossen auf Teilnahme verzichtete, obwohl Belgien seine Eigenstaatlichkeit nach Waterloo erhielt und den Erben Wellingtons noch heute eine Jahresrente von 12 000 Mark zahlt. Briten, Deutsche und Niederländer ermahnte Spaak, äußerste »Diskretion und Zurückhaltung« zu üben.
Entgegenkommen fand er nur in Bonn: Allenfalls drei Bundesbürger in Uniform sollen zur Waterloo-Wallfahrt delegiert werden. Die Briten aber blieben hart, und ihre Königin erinnerte vorletzte Woche in Kaub am Rhein an die »unschätzbare Unterstützung«, die der Preußenführer ("Marschall Vorwärts") Blücher »an einem Wendepunkt der Geschichte« den Briten bei Waterloo geleistet hatte.
Nun passierte, was Spaak hatte verhindern wollen: Den Galliern lief die Galle über. »Taktlosigkeit!« belferte die gaullistische Abendzeitung »Parispresse« und nannte die Queen-Essenz »einen riesigen Fauxpas«.
Und die Nachkommen der »alten Haudegen« Napoleons beschlossen in Ligny, wo der Korse einst - zwei Tage vor Waterloo - Blücher aufs Haupt geschlagen hatte, zu einer Gegenfeier aufzumarschieren. General Catroux, Großkanzler der französischen Ehrenlegion, gab die Erlaubnis, Orden, Feldzeichen und Fahnen der Grande Armée an die Ligny-Truppe auszuhändigen.
Die Briten blieben unbeeindruckt. Ihre Diplomaten in Paris luden französische Kollegen zum Waterloo-Ball nach London und empfahlen den Franzosen, sich nächstes Jahr zu revanchieren: mit einer Feier zum Gedenken des Sieges, den Normannenherzog Wilhelm bei Hastings (Südengland) über den angelsächsischen König Harold II. errungen hatte - vor dann 900 Jahren.
Süddeutsche Zeitung
»Rufen Sie 'Waterloo', Butler, ich fühle ein neues Geschichtsbild!«