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»Die Deutschen an die Front«

Gedrängt von den Verbündeten, gab die Bonner Regierung bewährte Prinzipien ihrer Außenpolitik preis. Die Deutschen, die noch mehr Soldaten in die Türkei entsenden, den Israelis Panzer und Raketen schicken, sind zur Kriegspartei geworden. Der große Verlierer des überstürzten Kurswechsels: Außenminister Genscher.
aus DER SPIEGEL 6/1991

Die Telegramme, die aus den Botschaften in London und Washington eingingen, erschreckten die Beamten in der Bonner Regierungszentrale. Da braute sich Unheil zusammen.

Im deutsch-britischen Verhältnis herrsche eine Verstimmung, die alles Bisherige in den Schatten stelle, schlimmer als der Streit über die Einschränkung von Tiefflügen oder die Modernisierung der Kurzstreckenraketen, berichtete die Botschaft in London.

Bitter beklagte sich bei einem Treffen im Londoner Verteidigungsministerium General Sir Richard Vincent, künftiger Stabschef der britischen Armee, über die zögernde Hilfe der Deutschen im Golfkrieg, meldete der deutsche Militärattache, Flottillenadmiral Diether Hülsemann. Für die Verluste bei den Tornado-Einsätzen am Golf mache der General die Deutschen verantwortlich: »Jetzt zahlen wir für den Mangel an Tiefflugtraining.«

Die Briten, so die Londoner Botschaft weiter, gewöhnten sich bereits an, zwischen Golf- und Nato-Alliierten zu unterscheiden. Alle Vorwürfe hätten den gleichen Tenor: »Wir sind bereit, uns umbringen zu lassen, und ihr habt Probleme, ein paar Artilleriegranaten zu liefern.«

Die »Hoch-Zeit« in den deutsch-amerikanischen Beziehungen, meldete gleichzeitig die Botschaft aus Washington, sei endgültig vorüber. Neben den Japanern gerieten die Deutschen, besonders im Kongreß, immer stärker ins Kreuzfeuer der Kritik.

Ein Ärgernis sei für die Amerikaner die zu starke Orientierung Bonns nach Osten, hieß es in dem Telegramm weiter. Das Blickfeld sei zu stark verengt durch die Wiedervereinigung, doch der Dank Helmut Kohls an Präsident George Bush für umsichtige Unterstützung bleibe aus.

Was die kriegführenden Amerikaner als deutsche Gegenleistung erwarten, wußte die Botschaft zu berichten: Deutschland habe eine Schlüsselrolle in den Ost-West-Beziehungen, in der Europäischen Gemeinschaft und in der Atlantischen Allianz - doch die Bundesregierung weigere sich beharrlich, endlich mehr weltpolitische Verantwortung zu übernehmen, leiste unzureichenden Beistand am Golf, zögere außerdem, sich außerhalb des Nato-Bereichs ("out of area") militärisch zu engagieren.

Im Klartext: »Germans to the front«, die Deutschen an die Front.

Außenminister Hans-Dietrich Genscher weiß nur zu gut, daß er mit seiner Außenpolitik in eine schwere Krise geraten ist.

Ratlosigkeit herrschte, wie er sich wieder aus seiner Zwangslage befreien sollte. Zwischen britischen Militärs und der Bonner Hardthöhe vermutete er ein abgekartetes Spiel. Überall sah er Feinde. Ihm war klar, daß seine Gegner in der Union die lange erhoffte Gelegenheit nutzen wollten, die Fesseln militärischer Selbstbeschränkung abzustreifen und die Restriktionen für Rüstungsexporte niederzureißen.

»Es geht jetzt«, so ein hoher AA-Beamter ahnungsvoll, »um die Prinzipien der bisherigen deutschen Außenpolitik.«

Vorige Woche wurde Wirklichkeit, was Genscher befürchtet hatte.

Dem Druck von außen und innen konnte er nicht länger standhalten, den Bruch mit den oft verbissen verteidigten Grundsätzen seiner Politik nicht länger verhindern. Der Kanzler selbst, rühmt sein Generalsekretär Volker Rühe, gab den »Anstoß« für die tiefgreifende Neuorientierung der deutschen Politik:

Nach einem Kabinettsbeschluß werden zum Schutz von Flugplätzen Luftabwehrraketen der Typen Roland und Hawk in die Türkei verlegt, dazu 530 deutsche Soldaten zusätzlich zu den dort bereits stationierten Alpha Jets samt 200 Mann Besatzung.

Zur Verstärkung der Marine werden Kampfflugzeuge und weitere Schiffe ins Mittelmeer entsandt. 3100 deutsche Soldaten stehen nächste Woche für den Einsatz im Golfkrieg bereit - die größte Mobilisierung außerhalb Deutschlands seit dem Zweiten Weltkrieg.

Israel erhält eine »Patriot«-Raketenbatterie für die Abwehr der irakischen Scud, dazu ABC-Spürpanzer, Gerät und Ausrüstung zum Schutz der Zivilbevölkerung vor Angriffen mit biologischen und chemischen Kampfstoffen. Und auch die zwei U-Boote, die schon lange auf ihrer Wunschliste standen, sind den Israelis zugesagt worden.

Waffen en masse ins Spannungsgebiet: ein glatter Bruch der Deutschen mit ihrer eigenen Maxime.

Damit hat sich Bonn in die Kriegskoalition am Golf eingereiht.

Die Deutschen seien nicht Kriegspartei, schwächt der Außenminister eher trotzig ab, aber: »Wir sind Partei in diesem Krieg« (siehe SPIEGEL-Gespräch Seite 22).

Ex-Staatssekretär Lothar Rühl drückt den Bruch mit den alten Normen deutscher Außenpolitik drastisch aus: »Hier bricht eine Politik des schlechten Gewissens zusammen.«

Lange hatte vor allem Genscher versucht, die Deutschen so weit wie möglich aus dem Krieg herauszuhalten. Nach seinem Verständnis, geprägt von den Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs, darf »Krieg unter keinen Umständen ein Mittel der Politik sein«. Abrüstung und Frieden waren die Leitthemen seiner Politik, Verantwortungspolitik statt Machtpolitik das Leitmotiv seit der Wiedervereinigung.

Der Außenminister unterschätzte jedoch die Dynamik der Ereignisse und ihre Rückwirkung auf Bonn.

Jetzt sei es »eine Sache der Nerven, Kurs zu halten«, auch gegen die immer massiver werdenden Nötigungen machten sich Genschers Beamte noch vorletzte Woche Mut. Aber der Spielraum der deutschen Außenpolitik, merkten sie alsbald, wurde immer enger.

»Es ist eine unglaublich schwierige Situation für uns Deutsche«, resignierte FPD-Vize Gerhart Baum, »Diplomatie und Politik haben keine Chance mehr.«

Zur Kehrtwende trug die Angst des Kanzlers vor der Isolation im Bündnis bei.

Kohl traute sich nicht länger zu, eine Sonderrolle durchhalten zu können. Keine Kasuistik mehr, gab er die Devise aus, ob sich die Deutschen nicht doch noch aus dem Krieg heraushalten könnten, falls die Iraker die Türkei angreifen. Da räumte auch Genscher ein, wogegen er sich vehement gesträubt hatte: Dann sei der Bündnisfall da.

Soldaten der Bundeswehr an der Grenze zum Krieg - diese Variante der Machtpolitik ist neu für Nachkriegsdeutschland. Mit dem Grundsatz der Selbstbeschränkung im Waffenexport dagegen ist Bonn immer schon (siehe Seite 30) lax umgegangen.

Auch daran war Genscher beteiligt, maßgeblich sogar als Außenminister der sozialliberalen Koalition unter Helmut Schmidt.

Hieß es bis 1982 noch unzweideutig, der Export von Kriegswaffen in Länder außerhalb der Nato solle »grundsätzlich unterbleiben«, gelten seither dehnbare Formeln: Die Lieferung dürfe »nicht zu einer Erhöhung bestehender Spannungen beitragen«. Bei »vitalen Interessen« der Bundesrepublik aber sind Ausnahmen gestattet.

Trotz derlei Öffnungsklauseln hintertrieb der Außenminister allerdings die Absichten Schmidts und seines Nachfolgers Kohl, mit den Saudis ein milliardenschweres Geschäft über die Lieferung des Renommierpanzers Leo 2 abzuschließen. Er fürchtete zu Recht, alle Schleusen würden damit geöffnet - und er hatte schon damals Angst vor einem Angriff auf Israel.

Im Kanzleramt wurde vorletzte Woche noch versichert, der 250-Millionen-Mark-Scheck, den Genscher jetzt in Israel überreichte, sei keineswegs als Obolus für die Kriegskasse gedacht, sondern »nur als humanitäre Sofortmaßnahme« zur Unterbringung jüdischer Einwanderer. Und auch Bundespräsident Richard von Weizsäcker unterstützte intern die Grundzüge bisheriger Außenpolitik. Es sei nicht die Aufgabe der Deutschen, sich militärisch am Golf zu engagieren.

Nunmehr versucht der Außenminister in seiner Not, die Waffenhilfe für Israel als »einmaligen Fall« auszugeben - gerechtfertigt, weil Saddam Hussein dem jüdischen Volk in einem Gaskrieg mit dem Genozid drohe: »Da kann man keine politische Grundsatzdebatte mehr führen.« Aus der Sicht der übrigen Welt sei es »ein furchtbarer Dreiklang: Israel-Deutschland-Gas«.

Wollte sich die Bundesregierung eben noch auf Kriegsteilnahme per Scheckbuch, mit Lazaretten und Bekenntnissen zur Bündnistreue beschränken, so warf sie wenig später, als Weichling und Drückeberger weltweit an den Pranger gestellt, die Grundsätze ihrer Außenpolitik über Bord - Genschers größte politische Niederlage in 17 Jahren Amtszeit.

Nachträglich rätseln sämtliche Beteiligten, wie sie in diese Bredouille geraten konnten.

Ausreden und Erklärungsversuche, im Dutzend billiger: Eine begreifliche Ermattung habe die Regierenden nach einem Jahr voller historischer Ereignisse befallen. Oder: Sie seien durch die Wiedervereinigung in Euphorie verfallen. Und: Jetzt erlebe Bonn, nach dem Höhenrausch, auf dem Flug zurück »den Schock der Erdannäherung«.

Zum erstenmal sehe sich eine Generation nach dem Zweiten Weltkrieg der Möglichkeit gegenüber, selber in einen Krieg hineingezogen zu werden, hat auch Richard von Weizsäcker beklagt - das löse schwere Erschütterungen aus.

Die Erschütterungen suchen Genschers Gegner zu nutzen, um seine Außenpolitik ganz zu Fall zu bringen.

Natürlich sei die Waffenhilfe für Israel ein »Präjudiz«, gesteht der CDU-Außenpolitiker Karl Lamers immerhin zu. Dessen Parteifreund Willy Wimmer, Parlamentarischer Staatssekretär auf der Hardthöhe, meint beschwingt, die Deutschen müßten ihren »Anteil an der Sicherung der Weltordnung« leisten. Der Krieg am Golf sei »ein Versuch, eine neue Weltfriedensordnung herzustellen«.

Noch behindert das Grundgesetz militärischen Einsatz jenseits des Nato-Bereichs. Aber demnächst könnte, wenn es nach dem Willen einiger Stürmer und Dränger geht, diese Schranke fallen.

Sogar der ansonsten überaus besonnene Innenminister Wolfgang Schäuble hält es für notwendig, daß die Bundeswehr künftig »nicht nur im Rahmen der Uno« eingesetzt werden kann. Schäuble: »Wir müssen bündnisfähig bleiben in der Nato.«

Für den kleinsten Koalitionspartner, die in ihrem Einfluß geschrumpfte CSU, ist die Schuldfrage klar: »Unsere Außenpolitik«, dekretierte Parteichef Theo Waigel am vergangenen Montag in der Bonner CSU-Landesgruppe, »hat uns in diese Situation gebracht.«

Als Versager stehen für die Bayern Kanzler Kohl, vor allem aber der ungeliebte Daueraußenminister Genscher fest. Der Liberale habe die Zeichen der Zeit nicht erkannt und Zweifel an der Bündnistreue der Deutschen genährt.

Der Bayernkurier legte nach: »Wenn Genscher sich bei politischem Sonnenschein in bemerkenswerter Dreistigkeit mit Deutschland gleichsetzen läßt«, giftete das CSU-Zentralorgan, »muß er diesen selbstgeschaffenen Maßstab auch in schlechten Zeiten an sich anlegen lassen.«

Das Zerwürfnis zwischen Liberalen und Christsozialen reicht tief. Die letzten zwei Wochen, maulte CSU-Mann Günther Müller in der Landesgruppe, seien für Deutschland »eine Katastrophe gewesen«. Kohl sei »dummerweise auf Genschers Zug aufgesprungen«.

CSU-Rechtsausleger Ortwin Lowack stellte klar, wo die bayerischen Strategen die Deutschen am liebsten schon jetzt sähen: im Kriegsgetümmel am Golf.

Auch ohne eine umständliche Änderung des Grundgesetzes, so Lowack markig, könnten Bundeswehrsoldaten »zur Durchführung der Uno-Resolutionen« ins Krisengebiet vorrücken. Die von Genscher verschuldete Abstinenz werde die Deutschen »noch teuer zu stehen kommen«, prophezeite der Niederbayer Müller. Selbst die Italiener hätten acht Tornados an den Golf geschickt und eine Kompanie Scharfschützen »für die Siegesparade in Bagdad«.

Halbherzig machte sich CSU-Landesgruppenchef Wolfgang Bötsch daran, die bissige Genscher-Debatte zu dämpfen: Der Kanzler hätte zwar längst ein klares Wort sprechen müssen. Doch der Einsatz der Bundeswehr außerhalb des Nato-Gebiets sei ohne Verfassungsänderung nun mal nicht möglich, weil Kohl sich mit Rücksicht auf den FDP-Außenminister und die Opposition »festgelegt« habe.

Längst ist für die Kanzlerpartei und ihren ungeduldigen bayerischen Ausleger klar, welche Konsequenz die in außenpolitische Bedrängnis geratene Republik zu ziehen hat: In Zukunft, so Kohl vorigen Mittwoch im Parlament, dürfe es für die gerade geeinten Deutschen keine »Nische in der Weltpolitik« mehr geben und auch »keine Flucht aus der Verantwortung«.

Ihre neue Verantwortung wollen die deutschen Hilfssheriffs erst einmal in gewohnter Manier wahrnehmen: Die Bonner Scheckbuchdiplomatie erreichte Rekordniveau - die Amerikaner kassierten bei Kohl weitere 8,3 Milliarden Mark, die pikierten Briten erhielten 800 Millionen. Zusätzliche Schecks und Munitionslieferungen werden folgen, weil der Krieg am Golf in jedem Fall länger dauern wird, als die alliierten Strategen erwarteten.

Seit vorigem Freitag werden eine Batterie Patriot-Flugabwehrraketen, acht ABC-Spürpanzer »Fuchs«, 100 000 ABC-Schutzanzüge und eine Million Filter für Gasmasken sowie tonnenweise Sanitätsmaterial - von der Krankentrage bis zur Atropinspritze - nach Israel geflogen.

In dieser Woche dürfen sich israelische Armee-Experten in den Depots der ehemaligen Nationalen Volksarmee der DDR umschauen: Im Angebot sind fahrende Kampfstofflabors und mobile Dekontaminierungsanlagen, mit denen Menschen und Kriegsmaterial nach C-Waffen-Angriffen entseucht werden können. Wert der ersten Geschenksendung: knapp eine Milliarde Mark.

Versagt blieben den Israelis dagegen Transporthubschrauber des Typs CH-53 und »Stinger«-Raketen. Die Helikopter glaubte die Bundeswehr nicht entbehren zu können; die Stinger-Schulterraketen mit einer Reichweite von 5600 Metern sind noch nicht verfügbar. Die Flugabwehrraketen des Typs »Hawk«, ebenfalls im Nachfragekatalog, passen nicht zu den älteren Systemen der israelischen Armee.

Ins Waffenpaket für Israel gehören nun plötzlich auch zwei U-Boote aus deutscher Produktion, die zu finanzieren Bonn jahrelang abgelehnt hatte. Der U-Boot-Deal war von den Israelis im vergangenen Jahr abgeblasen worden, weil sich ihre Schutzmacht Amerika als Geldgeber verweigerte. Wert der Extra-Spende: rund 800 Millionen Mark.

Der »Sonderfall Israel« (Genscher) kann kaum ohne Folgen bleiben. Schon sind die Deutschen dem arabischen Vorwurf ausgesetzt, sie rüsteten Israel zur stärksten Regionalmacht im Nahen Osten für die Zeit nach dem Golfkrieg hoch. Wenn der Außenminister nächste Woche in Kairo und Damaskus zu Beistandsbesuchen antritt, wird er es schwer haben, sich Geld- und Waffenwünschen zu widersetzen. Auch Saudi-Arabien, auf dessen Territorium letzte Woche irakische Truppen vorstießen, dürfte sich früherer Bonner Versprechen erinnern und auf die Lieferung von »Verteidigungswaffen« drängen.

Das schlechte Gewissen gegenüber den Allianzpartnern führt auch zur Weisung Kohls, immer mehr Bundeswehrsoldaten ins Randgebiet des Krieges zu kommandieren.

Nach Sprachregelung der Bonner Hardthöhe sind Verstärkungen aus »Fürsorge« zu den Fliegerhorsten Erhac und Diyarbakir unterwegs, um die Fliegerstaffeln aus der Bundesrepublik, Belgien und Italien gegen Saddams Luftwaffe zu schützen.

Schon bald werden wohl zusätzliche Kräfte aus der Etappe nachrücken müssen, weil die türkische Armee ihre deutschen Gastsoldaten weder medizinisch noch mit der vertrauten Hausmannskost versorgen kann. Gesucht werden Bundeswehrköche, die den türkischen Verpflegungsmeistern zur Hand gehen.

Weniger Sorgen um Unterkunft und Verpflegung hat die deutsche Marine, die vorige Woche ihre Präsenz im Mittelmeer weiter verstärkte. Inzwischen kreuzen dort 17 deutsche Kriegsschiffe und drei Aufklärungsflugzeuge des Typs Breguet Atlantic, die auch Bomben und Torpedos werfen können.

Der Probelauf für die von den Bonner Konservativen herbeigesehnten Bundeswehreinsätze rund um den Globus hat die Debatte um die künftige Struktur der deutschen Streitkräfte neu belebt. Im Verteidigungsministerium wird bereits an eine schnelle Eingreiftruppe gedacht, die aus leicht bewaffneten Heeresverbänden mit Hubschraubern, unterstützt von Kampfflugzeugen, aus Nachschub- und Sanitätseinheiten zusammengesetzt sein soll.

In Krisengebiete wollen die Planer - im multinationalen Verbund - nur Zeit- und Berufssoldaten schicken. Wehrpflichtige hingegen dürfen nur dann mit ins Gefecht, wenn sie sich schon bei Dienstantritt freiwillig für solche Einsätze bereit erklärt haben.

Die Planspiele laufen auf eine Zweiteilung der Bundeswehr hinaus: eine kleine Elitetruppe für den weltweiten Einsatz und daneben eine Heimatschutzarmee mit Wehrpflichtigen.

Ehe solche Pläne umgesetzt werden können, muß die Verfassung mit einer Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat geändert werden. »Das wird schwieriger werden«, prophezeite letzten Freitag der neue stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Norbert Gansel unter dem Eindruck des zensierten Krieges am Golf.

Tatsächlich ist ungewiß, ob die Kohl/Genscher-Regierung noch mit genug Stimmen der Sozialdemokraten rechnen kann, sobald das wahre Ausmaß der Schlachten um Kuweit offenbar wird.

Schon hat die Regierung in Washington ihre Bonner Bündnispartner wissen lassen, sie erwarte, daß die Deutschen nach einer Änderung ihrer Verfassung künftig mit an der Front stünden, sobald Konflikte wie derzeit am Golf ausbrechen. Dafür aber gibt es im neuen gesamtdeutschen Parlament im Zweifelsfall wohl keine Mehrheit. Die SPD will Aktionen deutscher Soldaten außerhalb ihres bisherigen Einsatzgebietes nur zustimmen, wenn sie unter dem Kommando eines Uno-Befehlshabers stehen.

Über die Beteiligung an einer Uno-Aktion soll - so wollen es Genscher und die Sozis im Unterschied zu den Unionschristen festgeschrieben sehen - in jedem Einzelfall das Parlament entscheiden.

Die Union fürchtet schon jetzt die Folgen, falls es zur »Mitwirkung an der Lösung weltpolitischer Fragen« im Sinne Kohls nicht reicht.

»Wenn die Verfassungsänderung nicht kommt«, so der außenpolitische Sprecher der Bonner CDU/CSU-Fraktion, Karl Lamers, »sind wir politisch gelähmt.«

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