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Briefe

Die Fragwürdigkeit von Zensuren
aus DER SPIEGEL 31/1978

Die Fragwürdigkeit von Zensuren

(Nr. 27/1978, Schulen: SPIEGEL-Interview mit Weltlehrerverbands-Präsident Ebert über Schulnoten und Zeugnisse)

Nur ein Interview mit Herrn Ebert zur Schulnoten-Misere ist zuwenig. Der SPIEGEL kann mehr tun. Tun Sie"s!

Heilbronn-Biberach STEFAN REIMER

Anerkennenswert, wie sich der SPIEGEL in letzter Zeit um die »kranke« Schule bemüht. Ich unterstütze voll und ganz die Einstellung des Herrn Ebert zu Zensuren und Zeugnissen. Er hat sehr deutlich gemacht, daß die Schule in bundesdeutschen Landen veraltet ist.

Es ist höchste Zeit, daß wir pädagogische Erkenntnisse und Praktiken von anderen Nationen und Kulturbereichen -- besonders vom anglo-amerikanischen -- uns zu eigen machen, daß wir auch für »soziales Lernen« eintreten und Sozialreife als Bildungsziel anerkennen, daß wir die Schule öffnen.

Brunssum (Niederlande) RUDOLF BEWER

Es gibt durchaus Alternativen zum derzeitigen Notensystem. Wie zum Beispiel Dr. Horst Speichert in seinem Buch »Schulangst« zeigt, ist der springende Punkt beim Zensurengeben, daß die Schüler am Klassendurchschnitt gemessen werden und nicht an bestimmten vorgegebenen Zielen. Und Messen am Durchschnitt bedeutet ja, daß immer die Schüler am Ende der Rangreihe Fünfen bekommen, ganz gleich, wie gut ihre Leistungen wirklich waren.

Bochum DR. HANS HIERL

Der SPIEGEL fragt: »Brauchbare Alternativen zum Notensystem hatte bisher niemand anzubieten. Haben Sie eine?« Solch »Brauchbares« gibt es aber doch. Der grand old man der amerikanischen Erziehungswissenschaftler, Benjamin S. Bloom, hat zusammen mit vielen anderen bereits vor über zehn Jahren in den USA das Konzept des »lernzielerreichenden Lernens« entwickelt, das in der Normalschule unter Normalbedingungen realisiert werden kann. Bereits vor zehn Jahren habe ich als damaliger Chefredakteur von »betrifft: erziehung« einen Aufsatz Blooms über seine Erfahrungen ("Alle Schüler schaffen es") ins Heft genommen. Näheres ist auch in meinem neuesten Buch, »Schulangst«, nachzulesen.

Wiesbaden DR. HORST SPEICHERT

Das Interview zeigt deutlich das Dilemma auf: Wissenschaftler, Lehrer und Eltern wissen ziemlich genau, was »zieht sein sollte und wo die Schwächen der Zensurengebung liegen. Gute Veränderungsvorschläge sind rar.

Niemand zweifelt daran, daß ein Zehnjähriger lieber Fußball spielen als in die Schule gehen will. Aber ob er auf Rückmeldung für seine schulische Arbeit in jeder Form verzichten möchte? Im Gegenteil: Er will wissen, wie es um ihn steht.

Kiel PROF. DR. GOTTFRIED SCHRÖTER Zensurenforscher. PH Kiel Autor des Buches »Zensuren? Zensuren!

Ich finde, das Schlüsselwort für eine Verbesserung dieses Neurotiker produzierenden Schulsystems fiel bereits im Interview: »Handikap«. Beim Golf läuft das beispielsweise so ab, daß ein Spieler mit »Handikap 13« am Ende eines Spiels 13 der von ihm bis zum Ziel benötigten Schläge abziehen kann. So kann er einem guten Spieler mit »Handikap Null« ein interessantes Spiel liefern, ohne nach den ersten drei Schlägen gleich den Mut zu verlieren, und anspornen tut es beide.

Da die Noten in den meisten Fächern ja eh nach Fehlern bemessen werden, ließe sich das Handikapsystem ohne weiteres übertragen. Der Primus könnte stolz auf sein gutes Handikap sein, und für die Schwachen wäre das zitierte Damoklesschwert doch beträchtlich entschärft. Schreibt ein schwacher Schüler aufgrund seines Handikaps mehrere gute Noten, so wird es heruntergesetzt, das heißt, ihm werden dann weniger Fehler abgezogen, was ich mir auch nur als Ansporn für ihn vorstellen kann.

Ins, Kykladen (Griechenland) CLAUS HABICHT

Ich wünsche Herrn Ebert einen unmittelbaren und weltweiten Erfolg.

Amsterdam MAX LIMBURG

Niederländer

Schade nur, daß ein Pädagoge wie Ebert als Funktionär von sechs Millionen Lehrern in der Welt herumreist ... 60 Millionen Schüler brauchen einen Lehrer wie ihn!

Köln AXEL SEIP

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