»DIE GÖTTLICHE BRUTALITÄT DES BRUDER MARTIN«
Friedrich der Große
Ein sächsischer Mönch von verwegenem Mute, voll lebhafter Einbildungskraft, klug genug, um die Gärung der Geister zu benutzen, ward zum Haupte der Partei, die sich gegen Rom erklärte ... Sieht man bloß auf die plumpen Grobheiten seines Stils, so erscheint Martin Luther zwar nur als polternder Mönch, als ein roher Schriftsteller eines noch wenig aufgeklärten Volkes.
Johann Gottfried Herder
Er ist's, der die deutsche Sprache, einen schlafenden Riesen, aufgewecket und losgebunden; er ist"s, der die scholastische Wortkrämerei, wie jene Wechslertische, verschüttet; er hat durch seine Reformation eine ganze Nation zum Denken und Gefühl erhoben.
Gotthold Ephraim Lessing
Luther steht bei mir in einer solchen Verehrung, daß es mir, alles wohl überlegt, recht lieb ist, einige kleine Mängel an ihm entdeckt zu haben, weil ich in der Tat der Gefahr sonst nahe war, ihn zu vergöttern.
Johann Wolfgang von Goethe (1817)
Unter uns gesagt, ist an der ganzen Sache (der Reformation) nichts interessant als Luthers Charakter, und es ist auch das einzige, was einer Menge wirklich imponiert. Alles übrige ist ein verworrener Quark, wie er uns noch täglich zur Last fällt.
Johann Wolfgang von Goethe (1832)
Wir wissen gar nicht, was wir Luthern und der Reformation alles zu danken haben. Wir sind frei geworden von den Fesseln geistiger Borniertheit, wir sind infolge unserer fortwachsenden Kultur fähig geworden, zur Quelle zurückzukehren und das Christentum in seiner Reinheit zu fassen ... Je tüchtiger aber wir Protestanten in edler Entwicklung voranschreiten, desto schneller werden die Katholiken folgen.
Heinrich Heine
Ruhm dem Luther! Ewiger Ruhm dem teuren Manne, dem wir die Rettung unserer edelsten Güter verdanken, und von dessen Wohltaten wir noch heute leben! Es ziemt uns wenig, über die Beschränktheit seiner Ansichten zu klagen ... Es ziemt uns noch weniger, über seine Fehler ein herbes Urteil zu fällen; diese Fehler haben uns mehr genutzt als die Tugenden von tausend andern. Die Feinheit des Erasmus und die Milde des Melanchthon hätten uns nimmer so weit gebracht wie manchmal die göttliche Brutalität des Bruder Martin.
Karl Marx
Deutschlands revolutionäre Vergangenheit ist theoretisch, es ist die Reformation. Wie damals der Mönch, so ist es jetzt der Philosoph, in dessen Hirn die Revolution beginnt. Luther hat allerdings die Knechtschaft aus Devotion besiegt, weil er die Knechtschaft aus Überzeugung an ihre Stelle gesetzt hat. Er hat den Glauben an die Autorität gebrochen, weil er die Autorität des Glaubens restauriert hat. Er hat die Pfaffen in Laien verwandelt, weil er die Laien in Pfaffen verwandelt hat. Er hat den Menschen von der äußern Religiosität befreit, weil er die Religiosität zum innern Menschen gemacht hat. Er hat den Leib von der Kette emanzipiert, weil er das Herz in Ketten gelegt ...
Heinrich von Treitschke
Aus den tiefen Augen dieses urwüchsigen deutschen Bauernsohnes blitzte der Heldenmut der alten Germanen. der die Welt nicht flieht, sondern sie zu beherrschen sucht durch die Macht des sittlichen Willens.
Friedrich Nietzsche
Luther war ein Verhängnis für die Menschheit, denn er kam, als die Renaissance eben sogar das Papsttum erobert hatte und das Leben daran war, mit dem Christentum stillschweigend aufzuräumen. Und Luther stellte die Kirche wieder her. Ach, diese Deutschen! ... Sie haben auch die unsauberste Art Christentum, die es gibt ... den Protestantismus, auf dem Gewissen. Wenn man nicht fertig wird mit dem Christentum, die Deutschen werden daran schuld sein.
Ricarda Huch
Er war eine Persönlichkeit aus lebendiger Kraft, die Spitze einer breiten Pyramide, die Krone eines festwurzelnden Stammes. Daher kommt es, daß man ihn oft bäuerisch, derb, primitiv genannt hat; wir kennen ja kaum andere Persönlichkeiten, die auf Kosten verbrauchter Kraft entstanden sind, schmarotzende Gehirne, die an vampirartig ausgesogenen Bäumen kleben. Geist zu sein und doch Chaos in sich zu haben, das ist eben das Geheimnis des Genies. Hitler
Von hier aus kam Hitler ... zu einer Bejahung Luthers: Er erkannte ihn als großen Mann an, machte ihm aber den Vorwurf, daß er auf halbem Wege stehengeblieben sei; nach ihm habe es in seiner Kirche nur noch Epigonen gegeben. (Tischgespräche, 7. April 1942)
Thomas Mann
Ein Fels und ein Schicksal von einem Menschen, ein heftiger und roher, dabei tief beseelter und inniger Ausbruch deutscher Natur, ein Individuum, klobig und zart zugleich, voller Wucht und Getriebenheit, von bäurisch volkstümlicher Urkraft, Theolog und Mönch, aber ein unmöglicher Mönch, »denn der Mann kann durch natürliche Begier des Weibes nicht entbehren«-, sinnlich und sinnig, revolutionär und rückschlägig aus der Renaissance, mit deren Humanismus er keine Fühlung hatte, ins Mittelalter durch stete Balgerei mit dem Teufel und massivsten Aberglauben an Dämonen und Kielkröpfe, geistlich verdüstert und doch lebenshell kraft seiner Liebe zu Wein, Weib und Gesang, seiner Verkündigung »evangelischer Freiheit«, schimpffroh, zanksüchtig, ein mächtiger Hasser, zum Blutvergießen von ganzem Herzen bereit ... antirömisch nicht nur, sondern antieuropäisch, furios nationalistisch und antisemitisch, tief musikalisch dabei, auch als Gestalter der deutschen Sprache.
Kurt Georg Kiesinger
Martin Luther war der starke, kämpferische Geist, der die evangelische Frömmigkeit meiner väterlichen Vorfahren seit der Mitte des 16. Jahrhunderts geprägt hatte und der auch das religiöse Leben der kleinen, gewerbereichen schwäbischen Landstadt bestimmte, in der ich am 6. April 1904 das Licht der Welt erblickte.