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»Die haarige Flagge des Nihilismus«

Athen, Obrieten machen Jagd auf Langhaarige: Polizisten streifen durch Cafés, verhaften Jugendliche und zerren sie in Polizeiwachen. wo Borbiere auf sie warten. Ioannis Ladas, Generalsekretär im griechischen Innenministerium. leitet die Einsätze persönlich. in einem Leserbrief an die Athener Tageszeitung »Eleftheros Kosmos« rechtfertigte er die Haar-Razzien:
aus DER SPIEGEL 12/1971

Unter den gegenwärtigen Umständen repräsentieren die Langhaarigen das Phänomen des dekadenten Hippietums. Die heruntergekommenen Jungen bestimmter Länder haben die langen Haare als die haarige Flagge ihres Nihilismus eingeführt. Sie bevorzugten die langen Haare nicht zufällig, sondern als Reaktion auf den kurzen Haarschnitt der Soldaten. Die Hippies setzen sich bekanntlich aus asozialen Elementen -- Rauschgiftsüchtigen, Nutten, Dieben und so weiter -- zusammen. Es ist natürlich, daß sie Feinde des Militärs und einer kämpferischen Lebensweise sind ...

Als Ausdruck aber einer internationalen Dekadenz-Bewegung, wie es das Hippietum ist, hören die langen Haare auf, eine Frage des persönlichen Geschmacks zu sein, und gestalten sich zu einer sozialen Frage. Der Staat hat also Maßnahmen zu ergreifen, weil diese soziale Frage gefährlich ist, die Gefahr einer moralischen Fäulnis herauf beschwört und den anerkannten Werten und Grundsätzen der menschlichen fortschrittlichen Kultur widerspricht.

Das Hippietum bildet eine politische Bewegung, steuert politische Ziele an, ist deshalb international, organisiert und steht unter dem Schutz eines Teils der Presse ... Diese Agenten-Presse hat sogar den sozialen Abschaum des Hippietums mit idyllischen Farben idealisiert: Die Rauschgiftsüchtigen werden »Blumenkinder« genannt. Die Feiglinge und Deserteure werden als »Friedensfreunde« bezeichnet. Die Leugner der Kultur werden als »Kämpfer gegen das Establishment« hingestellt ...

Auch in rechtlicher Hinsicht besitzen die Minderjährigen nicht die Rechte der Volljährigen. Vor allem moralisch stehen sie unter der väterlichen Gewalt. Wenn jedoch der Vater als Familienoberhaupt nicht fähig ist, seinen Sohn oder seine Tochter nach den moralischen Auffassungen der griechischen Gesellschaft zu erziehen, dann muß der Staat einschreiten, damit die herrenlosen Jugendlichen nicht zu Infektionsherden der gesunden griechischen Jugend werden.

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