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Kirche Die heilige Mafia des Papstes

Der erzreaktionäre katholische Geheimbund Opus Dei ist in Deutschland auf dem Vormarsch durch die Institutionen. Über harmlos auftretende Vereine kassieren die Opus-Leute bei frommen Gönnern und Steuerzahlern.
aus DER SPIEGEL 2/1995

Macht euch nichts draus, wenn sie euch an euren Werken erkennen. - Das ist der Wohlgeruch Christi.

Die graue Villa aus der Gründerzeit in der Möckernstraße 68 wirkt unauffällig. Nur daß die Rolläden an dem Haus im Berliner Stadtteil Kreuzberg tagsüber oft heruntergelassen sind, fällt manchem Passanten auf, der häufiger hier vorbeikommt.

Laut einem Messingschild an der Tür residieren in dem Gebäude der »Berlin-Brandenburgische Kulturverein« sowie ein »Zentrum Feldmark« für »Jugend- und Erwachsenenbildung«.

Hinter den nichtssagenden Namen verbirgt sich ein Unternehmen, das in der katholischen Kirche seit Jahren für heftige Kontroversen sorgt: die Berliner Filiale des Opus Dei (zu deutsch: »Werk Gottes") - einer erzreaktionären katholischen Organisation, die von progressiven Katholiken in aller Welt als kirchliche Mafia gefürchtet, von Papst Johannes Paul II. als seine beste Hilfstruppe gehätschelt wird.

Die Organisation ist auf strengsten Gehorsam eingeschworen, nicht nur gegenüber dem Papst. Bis über die Schmerzgrenze hinaus verlangen die Opus-Regeln von den Mitgliedern des Geheimbundes Demutsgesten und Selbstkasteiungen - etwa durch Peitschenhiebe auf den eigenen Rücken oder das Tragen von Dornengürteln am Oberschenkel (siehe Kasten Seite 50).

In die noble Berliner Stadtvilla in der Möckernstraße ist das selbsternannte »Werk Gottes« kurz nach der Wende eingezogen, weil der Stoßtrupp des Vatikans für »die gewachsenen Aufgaben nach der deutschen Wiedervereinigung« (ein Opus-Dei-Mann) eine größere Bleibe suchte. Bis 1992 residierten die Gottesleute am Kurfürstendamm.

Anfang 1992 gründeten Opus-Anhänger den Berlin-Brandenburgischen Kulturverein e.V. und mieteten vom Testamentsvollstrecker des Verlegers Heinz Ullstein für 10 000 Mark das Anwesen in der Möckernstraße - mit Ambitionen auf 6500 weitere Quadratmeter Atelier-, Vereins- und Ausbildungsräume in unmittelbarer Nachbarschaft.

Zu den Gründungs- und Vorstandsmitgliedern des Kulturvereins gehören Berliner Ärzte und Professoren. Sieben Opus-Anhänger wohnen derzeit in der Möckernstraße, darunter ein spanischer Opus-Priester sowie der Direktor des Neuropathologischen Instituts am West-Berliner Uni-Klinikum, Jorge Cervos-Navarro.

Eine weitere Dependance unterhält Opus Dei in der Eisenacher Straße 119 in Berlin-Schöneberg: Von dort aus missionieren Opus-Frauen als Ärztinnen, Fotografinnen oder Computerexpertinnen die Hauptstadt.

Offizieller Satzungszweck des Kulturvereins sind neben »geistlichen Bildungsmaßnahmen« unter anderem die »jugendpflegerische Arbeit« sowie die »Erwachsenenbildung«. Doch das Interesse der Vereinsoberen ist weit globaler: Von der Möckernstraße aus will das Opus Dei die Länder des ehemaligen Ostblocks missionieren, die ihm bis zum Zusammenbruch des Sozialismus hermetisch verschlossen waren.

Den regierenden Kommunisten galten die Gotteswerker als äußerst gefährliche fünfte Kolonne Roms. In einer Stasi-Analyse von 1985 vermerkten die Autoren: »Die besondere Gefahr, die von dieser Eliteorganisation ausgeht, liegt in seiner weltweit ausgeklügelten konspirativen Tätigkeit in allen Lebensbereichen einer Gesellschaft. Seine Kraken- und Polypenarme dringen im verborgenen in alle Bereiche der Gesellschaft.« Das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) untersuchte im Osthandel tätige Firmen darauf, ob sie zum Opus Dei gehörten, und fahndete vorsorglich nach Opus-Priestern, die »eine Initialzündung bei anderen vermitteln könnten«.

Gleich nach der Wende sondierte der Leiter des deutschen Opus, der spanische Kleriker Cesar Ortiz, die Möglichkeiten im Osten. Eine Kontaktgruppe entstand in Dresden. Inzwischen existieren Opus-Zentren in Stettin und Warschau, Prag und Budapest. Von Berlin aus sorgt das Opus Dei für seine Ausbreitung in Rußland und im Baltikum. Kontakt nach Moskau hält ein Bewohner der Villa in der Möckernstraße - Professor Cervos-Navarro, der jahrelang auch Vizepräsident der Freien Universität war. Er ist Mitglied der Moskauer Akademie der Wissenschaften.

Der Drang des Opus Dei nach Osten entspringt nicht so sehr christlicher Nächstenliebe, er orientiert sich vielmehr am selbstgestellten Auftrag, die weltliche Gesellschaft, wo immer sich eine Möglichkeit bietet, im Sinne einer konservativkatholischen Ideologie zu durchdringen - im Regelfall so, daß niemand es merkt. Die Mitglieder des Opus Dei geben sich meist nicht zu erkennen - in Spanien wird der Geheimbund deshalb auch die »heilige Mafia« genannt.

Gegründet wurde die Organisation 1928 von dem spanischen Prälaten JosemarIa Escriva de Balaguer, den Johannes Paul II. inzwischen seliggesprochen hat. In Deutschland sind die Opus-Leute seit 43 Jahren aktiv. Nur selten werden die Strukturen des Opus Dei sichtbar; in Aachen etwa ist es dem Opus gelungen, ein engmaschiges Netz zu knüpfen, zu dem kommunale Spitzenpolitiker, Richter, Schulräte, Parteifunktionäre, Unternehmer sowie ein Verleger zählen. Der langjährige Oberbürgermeister von Aachen und jetzige Europaabgeordnete der CDU Kurt Malangre, 60, gehört nach eigenem Bekunden seit 40 Jahren dem Opus Dei an.

Unter den deutschen Bischöfen zählen der Eichstätter Karl Braun, der Oberhirte von Münster, Reinhard Lettmann, und der Kölner Kardinal Joachim Meisner zu den Opus-Förderern. Lettmann sitzt im Führungszirkel eines mehrheitlich von Opus-Priestern gegründeten »Internationalen Mariologischen Arbeitskreises Kevelaer« (Imak), der sich um die Ausweitung des Marienkultes kümmert. Das niederrheinische Kevelaer ist seit 1642, neben Altötting, der bedeutendste deutsche Wallfahrtsort.

Initiator des Kreises ist der Opus-Dei-Prälat Klaus Becker. Der Monsignore organisiert die Priesterausbildungshilfe e.V. in Köln, die Geld für die »Hochschule vom Heiligen Kreuz« des Opus Dei in Rom sammelt. Dort werden Theologiestudenten aus der Dritten Welt und aus Osteuropa zu Priestern ausgebildet.

In Deutschland zählt das Opus Dei nach Schätzungen von Insidern rund 1500 Mitglieder, hinzu kommt eine unbekannte Zahl von Gönnern, Freunden und Sympathisanten. Der Orden selbst schweigt sich über Förderer wie Mitglieder weitgehend aus.

In rund 25 deutschen Städten ist Opus Dei aktiv, unter anderem in Köln, Hamburg, Bonn, Aachen, Essen, Trier, Münster, Düsseldorf, Augsburg, Frankfurt und München. Opus-Anhänger betreiben Kulturzentren, Studentenheime, hauswirtschaftliche Ausbildungsstätten, Jugendklubs, wissenschaftliche Institute oder Bildungsvereine. Zahlreiche Mitglieder sitzen - inkognito - in leitender Stellung in der Industrie, an Hochschulen und Unis, unter Ärzten und in der Politik.

An Geld mangelt es offenbar nicht. Der Berliner Kardinal Alfred Bengsch spendierte den Opus-Freunden 40 000 Mark, unter anderem für ihre Hauskapelle am Kurfürstendamm. Sein Nachfolger Georg Sterzinsky sagte 100 000 Mark für die Ausgestaltung des Betraums im neuen Zentrum Möckernstraße zu.

Wesentlich mehr gaben nordrheinwestfälische Diözesen: Die Bistümer Aachen, Essen, Köln, Münster und Paderborn ließen dem im Bau befindlichen »Bildungszentrum« in Kreuzweingarten bei Euskirchen, das unter der geistlichen Leitung des Opus Dei steht, rund acht Millionen Mark zukommen.

Über die Beziehungen des früheren Berliner und jetzigen Kölner Kardinals Joachim Meisner zum Opus Dei geben weder er selbst noch seine Untergebenen Auskunft. Die Kontakte seien, so Meisners Sprecher Christoph Heckeley, »persönlicher Art«. Das gehe die Öffentlichkeit nichts an. Ebensowenig wie die Höhe der Kölner Spenden aus Kirchensteuermitteln für Kreuzweingarten. Heckeley: »Von Kardinal Meisner geht da keine Zahl raus.«

Die Kirchengelder an das deutsche Opus Dei fließen unter anderem über Vereine wie die Bonner »Studentische Kulturgemeinschaft« oder die »Rhein-Donau-Stiftung« in München, deren Geschäftsführer Hans Thomas von der deutschen Opus-Zentrale in Köln kommt. Thomas sitzt gleichzeitig im Stiftungsrat der Zürcher »Limmat-Stiftung«, Schnittpunkt eines internationalen Netzes aus Opus-Dei-nahen Stiftungen und Banken. Präsident der Rhein-Donau-Stiftung war bis zu seinem Tode 1993 der Vorsitzende der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung Fritz Pirkl.

Das Lindenthal-Institut in Köln wird ebenfalls von Thomas geleitet, im Vorstand sitzen Opus-Dei-Mitglieder. Das Institut veranstaltet Seminare und Kolloquien über Themen wie »Der Mythos von der Überbevölkerung«, »Unternehmenskultur« und »Ethik der Leistung« und ist Anlaufstelle für Spender aus Politik und Wirtschaft. Förderer sind etwa der Axel Springer Verlag, die Bayer AG, VW, die Deutsche Bank, die Bayerische Vereinsbank, die Kölner Arzneimittelfirma Madaus und der Krupp-Veteran Berthold Beitz. Gedruckt werden die in Lindenthal gewonnenen Einsichten im Herforder Busse+Seewald-Verlag. Dort betreut Lindenthal-Direktor Thomas die Beilage »Werte und Wandel« der Busse-Zeitung Westfalen-Blatt.

Die Vereine haben noch einen anderen geldwerten Vorteil: Über sie kommen die frommen katholischen Ultras auch an öffentliche Fördermittel. So beantragte eine »FWM-Stiftung« (Adresse: Berlin, Möckernstraße 68) bei der EU-Kommission in Brüssel Gelder für ein »Jugendpilotprojekt mit Polen«. Vom Berliner Senat erhoffen die Opus-Leute Zuschüsse für die »Bildungsarbeit mit Jugendlichen«. In Köln und Bonn wird die Jugendarbeit bereits mit öffentlichen Geldern gefördert.

In Berlin stehen die Chancen inzwischen schlecht. Die Senatsverwaltung für Jugend mißtraut der Begründung, man brauche das Geld für »Völkerverständigung _(* Im Berliner Opus-Dei-Zentrum. ) auf christlicher Grundlage«.

Der Dreh mit Stiftungen und Vereinen ist bei Opus Dei offenbar international beliebt. Der Journalist Peter Hertel aus Hannover, einer der besten Opus-Kenner, stieß bei seinen Recherchen unlängst auf eine in Brüssel ansässige Stiftung namens »Progredi«, zu deren Verwaltungsrat einflußreiche Bankiers, Industrielle und Wissenschaftler aus ganz Europa gehören.

Solche Stiftungen betreiben nach Hertels Erkenntnissen »die Beschaffung von Kapital, Erbschaften und Immobiliengeschenken, die dann in Projekte Opus-naher Werke fließen«.

Widmar Puhl, ehemaliges Mitglied der Informationszentrale des deutschen Opus Dei, sagt über dessen Finanzgebaren und das Verwirrspiel: _____« Die Organisation ist reich und versteckt diesen » _____« Reichtum hinter juristischen Tricks. Kaum eine » _____« Aktionsgruppe des Werkes tritt offen mit dem erklärten » _____« Ziel auf, das sie hat: Mitglieder für das Opus Dei zu » _____« werben oder Kirche und Gesellschaft im Sinne des Opus Dei » _____« zu beeinflussen. Das Ganze ist nicht ehrlich. Ein » _____« städtischer Beamter zum Beispiel gewährt beachtliche » _____« Zuschüsse für die Hausaufgabenbetreuung in einem » _____« Jugendzentrum. Er ahnt aber nicht, daß er damit » _____« eigentlich etwas anderes finanziert. »

Dasselbe gelte für Bußgelder von Verkehrssündern, die offiziell an gemeinnützige Vereine fließen, »weil die eine rechtlich anerkannte Fassade unter irgendeinem Vereinsnamen haben« - doch letztlich komme das Geld Opus Dei zugute.

Nach dieser Methode wird auch das Bildungszentrum Kreuzweingarten gebaut: Offizieller Bauherr ist die Bonner »Studentische Kulturgemeinschaft e. V.«, die von Opus-Dei-Mitgliedern beherrscht wird. Das Haus »mit familiärer Note einschließlich Schwimmbad und Squash Court« ist für 16 000 Übernachtungen jährlich ausgelegt.

Der Bau hat laut Werner Schmidt, Spendenbeschaffer beim Opus und Geschäftsführer der Studentischen Kulturgemeinschaft, bereits mehr als 28 Millionen Mark gekostet: »Ein kleiner Kreis von Sponsoren trägt rund drei Viertel der finanziellen Last.« Den Rest sollen Opus-Freunde über Erbschaften, Immobilienerlöse oder mit Privatkrediten beisteuern. Manager von am Bau beteiligten Firmen schätzen die realen Kosten weit höher - auf rund 50 Millionen Mark. Beim Richtfest schwärmte Schmidt vom künftigen Tagungszentrum als »Kinnhaken gegen den Zeitgeist«.

Trainiert werden in Kreuzweingarten bereits, obwohl die Tagungsstätte noch nicht ganz fertig ist, Mediziner, Richter, Staatsanwälte, Pädagogen, Journalisten und Politiker.

In der gottlosen Hauptstadt Berlin - nur 345 000 der 3,5 Millionen Einwohner gehören der katholischen Kirche an - wirbt Opus Dei vor allem in der politischen Elite um Freunde.

Ein eifriger Besucher des Opus-Zentrums in der Möckernstraße ist zum Beispiel der Pädagoge Hans-Jürgen Pokall, dessen Frau und Tochter seit langem dem Opus Dei angehören. CDU-Mitglied Pokall ist Landesschulrat von Berlin und damit oberster Schulaufsichtsbeamter des Bildungswesens.

Die Ernennung des konservativen Katholiken Pokall war von Anfang an umstritten. Doch setzte Schulsenator Jürgen Klemann den Mann gegen den Widerstand von SPD, Grünen und Lehrergewerkschaft durch. Inzwischen hat sich Pokall selbst in der eigenen Partei wegen seiner strammen Schulpolitik unbeliebt gemacht.

In Pokalls Behörde wurde kürzlich der für Religionsfragen zuständige Referent von seinem Amt entbunden. An die Stelle des Theologen Andreas Meier, der wegen seiner Kritik an der konservativen Schulpolitik aufgefallen war, rückte eine andere Mitarbeiterin. Meier darf jetzt Lehrpläne archivieren.

Pokall beteuert, er selbst sei kein Opus-Mitglied, ins Berliner Opus-Zentrum an der Möckernstraße gehe er nur als »Begleiter« seiner Frau. Deren Engagement für den frommen Verein sei allein eine »religiöse Angelegenheit« seiner Familie.

Opus-Mitglied Carola Pokall, die das Gotteswerk in Berlin tatkräftig aufbaut, schätzt am Gründer Escriva gerade, »daß er alle Laien zur Nachfolge Christi aufruft, und zwar jeden in seiner beruflichen Umgebung«. Y

* Im Berliner Opus-Dei-Zentrum.

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