NAHER OSTEN / GUERILLAS Die Helfer
Als der Prophet Mohammed im Jahr 622 aus Mekka floh, ermöglichte ihm eine fromme und straff organisierte Schar den Einzug in Medina. Ihr Name: »El-Ansar« ("Die Helfer").
Jetzt, fast 1350 Jahre später, rüstet sich wiederum eine Truppe, In einem heiligen Krieg eine Stadt -- diesmal Jerusalem -- zu erobern. Ihr Name: »El-Ansar«.
Gründer der neuen Partisanen-Bewegung sind die illegalen kommunistischen Parteien Jordaniens, Syriens, des Libanon und des Irak. Heimlicher Förderer der KP-Guerillas ist Moskau, das den Einfluß Pekings auf die palästinensischen Partisanen eindämmen und sie für eine eventuelle Lösung des Nahost-Konflikts gefügig machen will.
Bis vor wenigen Monaten hatte die Sowjet-Union die Aktivität von Untergrund-Armeen im Nahen Osten verurteilt, Die Moskauer Regierungszeitung »Iswestija« bezeichnete sie vor vier Jahren als »mystisch zerstreute Gruppe«. Und die »Sowjetskaja Rossija« rügte noch vor einem Jahr: »Die Ziele der El-Fatah, die auf eine Liquidierung des Staates Israel hinauslaufen, sind unrealistisch.«
Dies war die letzte Attacke Moskaus gegen die größte der Guerilla-Organisationen. Der Kreml konnte die politisch und militärisch aufstrebenden Fedajin nicht länger verhöhnen.
Der sowjetische Gewerkschaftschef Alexander Schelepin, früher ein Partisanen-Gegner, verglich im Oktober vorigen Jahres in Budapest Arafats Kämpfer mit den Partisanen, die gegen Hitlers Armeen operiert haben.
Anfang Februar veröffentlichte die »Iswestija« als erste sowjetische Zeitung ein Bild von palästinensischen Kämpfern. Am gleichen Tag durfte Ihr Chef Jassir Arafat in Moskau anreisen.
Trotz dieser Geste blieben die Kämpfer Arafats im Kreml suspekt. Von den chinesischen Kommunisten ideologisch unterstützt, wollen sie nicht nur die von Israel vor drei Jahren besetzten Gebiete zurückholen. Das Ziel der Guerillas ist die Zerstörung des Staates Israel, auf dem sie nach dem Sieg einen jüdisch-arabischen Staat Palästina gründen wollen.
Moskau aber wünscht nur die »Beseitigung der Folgen der israelischen Aggression« (so Politbüromitglied Schelepin). Ebenso denken die Führer der kommunistischen Parteien in den arabischen Ländern. Syriens KP-Chef Chalid Bagdasch auf einer Lenin-Feier in Damaskus: »Wir unterstützen alle Bemühungen für eine friedliche Lösung des Nahost-Problems auf der Grundlage der Sicherheitsrats-Resolution vom 22. November 1967.«
Schon im November 1969 gründeten die Kommunisten die Untergrundarmee EI-Ansar, die sich an Moskaus Taktik hält, Aber erst In den letzten Wochen wurde ihre Existenz bekannt -- durch einen Streit mit den radikaleren Kommandos.
EI-Ansar ersuchte um Aufnahme in das Exekutivkomitee der Palästinensischen Befreiungsorganisation PLO, in dem die elf größten Guerilla-Gruppen vertreten sind. »Wir erkennen die Widerstands-Organisation El-Ansar nicht an«, verkündete daraufhin Arafat, »weil wir über ihre Absichten, Politik und Haltung nicht unterrichtet sind. Wir akzeptieren keine undurchsichtigen Lösungen.«
Die El-Ansar-Guerillas -- es sollen etwa 1000 sein -- polemisieren seit ihrer Zurückweisung gegen die radikalen PLO-Partisanen und erklärten vor zehn Tagen ganz Israel zum Feind. »Die Führer einiger Organisationen vertreten kleinbürgerliche und anarchistische Ansichten«, schimpfte El-Ansar-Chef Mohammed Dscharrad, Politbüromitglied der jordanischen KP. »Kleinbürgerlich und anarchistisch« sind nach Moskauer Thesen die Chinesen.
Diese neuen Rivalitäten unter den zersplitterten Guerillas veranlaßte einen ihrer eifrigsten Förderer, Libyens Premier Muammar el-Gaddafi, zu einer harten Rüge.
»Nur zehn Prozent der 40 Organisationen kämpfen direkt gegen den Feind«, sagte er auf einer Kundgebung in Tobruk, »der größere Rest aber befehdet sich untereinander.«