Zur Ausgabe
Artikel 72 / 88

Briefe

Die Imperien schlagen zurück
aus DER SPIEGEL 53/2009

Die Imperien schlagen zurück

Nr. 52/2009, Titel: Wer hat den stärkeren Gott? - Islam und Christentum: der ewige Zwist

Gerade diese Frage bringt doch den ganzen Ärger. Dabei kann es gar nicht darum gehen, denn Islam und Christentum glauben an denselben Gott. Nur bezeichnet der Islam Jesus nicht als Gottes Sohn, sondern als einen Propheten wie Mohammed. Eigentlich ist der Islam so etwas wie Christentum 2.0.

DRESDEN KAREL MAASS

Auf die Frage gibt es eine einfache Antwort: Dort, wo es den machtgeilen Eliten (Mullahs, Priestern, Stammesfürsten, Politikern) am besten gelingt, die Menschen in Dummheit und (geistiger) Armut zu halten, gibt es den stärksten Gott. Damit erklärt sich auch das genannte Phänomen: Christus und Allah werden Nietzsche und Marx überleben, weil Dummheit und ihre Ausbeuter nicht nur grenzen-, sondern auch zeitlos sind.

HOCHSPEYER (RHLD.-PF.) DIETER WEIS

Es geht mir als Christen nicht um einen Konkurrenz-»Kampf«, sondern, wie Sie es selbst erwähnen, um den »theologischen Wesensgehalt« der Religionen. Da lese ich bezüglich der christlichen Religion in Ihrem Artikel kaum etwas. Kein Zitat aus der neutestamentlichen Botschaft von der menschenliebenden Zuwendung Gottes in Jesus Christus. Dagegen: »Der Gott der Christen hat sich aus der Welt zurückgezogen!« Und das ein paar Tage vor Weihnachten, dem Fest zur Menschwerdung Gottes, dem nicht zu überbietenden Zeichen der Solidarität mit seiner Schöpfung.

LÜBECK REINHARD REETZ

Das große Dilemma der weltpolitischen Entwicklungen sehe ich darin, dass offenbar kaum noch ein Christ den ganzen Text des Alten Testaments kennt, denn nur in ihm wird der Gott, an den Juden, Christen und Muslime glauben, in seinem Wesen, in Worten und Befehlen sichtbar als ein brutaler Herrscher, der bei dem geringsten Ungehorsam die Todesstrafe verhängt. Da Jesus den blinden Gehorsam des Alten Testaments bekämpfte und den verängstigten Menschen die frohe Botschaft brachte, dass der wahre Gott der Geist der Liebe sei, konnten die christlichen Kirchen diesen Gott zum »lieben Gott« umfunktionieren und die beiden gegensätzlichen Lehren zur christlichen Religion vereinigen. Indem sie Jesus zum Sohn dieses Gottes machten, wurde seine Friedenslehre total verfälscht und konnte zu Hass, Folter, Mord und Krieg missbraucht werden.

STAHNSDORF (BRANDENB.) DOROTHEA JASTER

Der stärkere Gott ist der Gott der Liebe, der in der Ohnmacht mächtig sein kann, der am Ende einen Neuanfang schenkt, der im Unfrieden Frieden stiftet, der liebt statt hasst. Diesen Gott hat man nicht wie eine Marionette, mit der man willkürlich spielen kann. Dieser Gott ist eine schöpferische Realität in der Realität, eine Beziehung, die bedingungslos ist und befreiend wirkt. Mit diesem Gott kann der Vertrauende persönlich sprechen.

BRAUNSCHWEIG DR. BURKHARD BUDDE PFARRER

Was die Heilsgewissheit angeht, so ist es nicht so, wie Sie schreiben. Die Christen haben eine unumstößliche Gewissheit, mit dem Glauben an Jesus gerettet zu sein.

KAARST (NRDRH.-WESTF.) JÜRGEN MIESE

Konnte man nicht hoffen, nach der Aufklärung dem Mittelalter für immer entronnen zu sein? Jetzt schlagen die beiden Imperien mit Allgewalt zurück. Kein Dogma zu besitzen, nur das Primat der Vernunft, erweist sich als fatal. Doch mit Vernunft allein lassen sich keine Seelen erwärmen oder gar Heere hinter sich scharen. Auch Ihr Artikel ignoriert diese Gruppe, führt sie nicht als Gegengewicht und Bollwerk an. Wo Glaube gefragt ist, stehen Vernunft und Wissenschaft auf verlorenem Posten.

SEEBRUCK (BAYERN) GERHARD KEPPNER

Freud hatte durchaus ein differenziertes Bild von Religion und verwarf sie nicht in Bausch und Bogen. Er unterschätzte keineswegs die metaphysischen Deutungspotentiale, die in Menschen ruhen und über Zugehörigkeiten zum Glauben transformiert werden wollen. Selbst Nietzsches kategorisches »Gott ist tot« trägt fast schon wieder eigene religiöse Konturen. Ganz ohne Metaphysik scheint nichts zu gehen.

BERLIN WOLFGANG GERHARDS

Ein zwar flott formulierter Satz über die Buddhisten ("Nichts ist ihnen wichtig außer dem Nichts"), er legt aber den Schluss nahe, dass der Buddhismus eine Art Nihilismus sei. Das ist er aber definitiv nicht.

HERRENBERG (BAD.-WÜRTT.) TORSTEN EMDE

Zur Ausgabe
Artikel 72 / 88
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren