UNO / KATANGA Die Iren sind weg
Der Brite Brisanz Urquhart, zur Zeit in Uno-Diensten in der Katanga -Hauptstadt Elisabethville, bezog am 28. November, abends 20.30 Uhr, jene Prügel, die dem Iren Conor O'Brien, bis vor kurzem Uno-Beauftragter und bestgehaßter Europäer in Katanga, zugedacht waren.
Der Grund: eine Namensverwechslung. Denn der britische Vorname
Brian wird genauso ausgesprochen wie der irische Nachname O'Brien. Deshalb droschen 30 schwarze Katanga -Krieger mit Knüppeln und Gewehrkolben auf Brian Urquhart ein, als der Brite an einem Diner zu Ehren des durchreisenden US-Senators und Katanga-Freundes Thomas Dodd teilnehmen wollte.
Mit dem Ruf »Vorsicht, Brian!« hatte ein Uno-Kollege versucht, den Briten vor den lauernden Schwarzen zu warnen. Doch eben diese Warnung beschleunigte das Verhängnis. Nur die Intervention des amerikanischen Senators Thomas Dodd, der seinerseits den katangischen Innenminister alarmierte, bewahrte den britischen Diplomaten
davor, anstelle Conor O'Briens gelyncht zu werden.
Der echte Conor O'Brien, 44, Doktor der Philosophie, als Schriftsteller unter dem Namen »Donat O'Donnell« bekannt, saß zum gleichen Zeitpunkt in New York, um dem amtierenden Uno -Generalsekretär, dem Burmesen U Thant, über die blutigen Unruhen in der abtrünnigen Katanga-Provinz zu berichten.
Katangas »Staatspräsident« Moise Tshombé bereite - so meldete O'Brien - seine Untertanen systematisch auf einen Krieg gegen die Uno-Blauhelme vor. Besonders heftige Attacken müsse er, O'Brien, selbst ertragen, denn die Katangesen könnten ihm nicht vergessen, daß er am 13. September versucht hatte, Katanga gewaltsam mit der Kongo-Republik zu vereinen (SPIEGEL 40/1961).
Wenige Tage nach diesem Gespräch quittierte O'Brien seinen Dienst bei der Uno und im irischen Außenamt, »um frei sprechen und handeln zu können"*. Dann nannte er vor einigen Hundert New Yorker Journalisten »die wahren Schuldigen« an der seit Juni 1960 schwelenden Kongo-Krise: die Uno -Sicherheitsratsmitglieder Großbritannien und Frankreich.
Am 21. Februar, so argumentierte O'Brien, habe der Weltsicherheitsrat beschlossen, die Kongo-Republik »notfalls mit Gewalt« wieder zu vereinigen und »den sofortigen Abzug aller ausländischen Berater aus dem Kongo herbeizuführen«..
Über 500 weiße Soldaten, darunter 200 belgische Offiziere, habe er, O'Brien, im Dienste Tshombés angetroffen, als er im Juni sein Amt als Uno-Beauftragter in Katanga übernahm. Schon kurze
Zeit nach der Ausweisung der ersten Söldner seien ihm Schwierigkeiten gemacht worden - nicht von den Belgiern, sondern von Engländern und Franzosen.
Großbritannien und Frankreich hätten zwar aus Rücksicht auf ihren amerikanischen Alliierten im Uno-Sicherheitsrat nicht gegen die Februar-Resolution gestimmt, aber deren Anwendung unterminiert.
O'Brien: »Die Briten sahen in mir ein Hindernis für das, was sie Versöhnung nennen, nämlich: Tshombé so viel Zeit zu geben, daß er seine Kräfte konsolidieren und die Anerkennung seiner Provinz (als eines unabhängigen Staates) erreichen kann.«
Diese Attacken O'Briens, der gleichzeitig drohte, seine Memoiren durch weitere pikante Enthüllungen über die britische Kongo-Politik zu einem Bestseller zu machen, erregten zwar die britische Öffentlichkeit, aber die britische Regierung schwieg.
Das Londoner Foreign Office teilte lediglich lakonisch mit: »Es entspricht nicht den Gepflogenheiten der Regierung Ihrer Majestät, sich mit Privatpersonen in Auseinandersetzungen über Fragen von öffentlichem Interesse einzulassen.«
Eine solche Auseinandersetzung hätte für die Briten sehr peinlich werden können. Zwar hatte Außenminister Lord Home noch im Oktober bestritten, daß Englands Regierung den Katanga -Präsidenten unterstütze, doch bekräftigten gar zu viele Indizien O'Briens Vorwürfe:
- Im September hatten die Briten die militärische Uno-Aktion gegen Katanga dadurch torpediert, daß sie Uno-Kampfflugzeuge in Kenia festhielten und ihren Weiterflug nach Katanga hinauszögerten, wo sie den Uno-Truppen zu Hilfe kommen sollten.
- Nach der mißglückten Uno-Militäraktion
betrieb die britische Regierung O'Briens Entlassung mit der Begründung, Tshombé weigere sich, mit dem Iren zu sprechen, O'Brien sei mithin in Elisabethville überflüssig,.
- Ende November drohte der britische
Uno-Botschafter gar, Großbritannien werde die finanzielle Unterstützung der Kongo-Aktion einstellen, wenn die Uno noch einmal mit Waffengewalt gegen Katanga vorgehe.
Für die Haltung Englands gab es plausible Gründe. Britisches Kapital ist in Katanga so stark engagiert, daß jede kriegerische Auseinandersetzung auch britische Wirtschaftsinteressen berührt.
Über die »Tanganyika Concessions, Ltd.«, eine heute vor allem in Nordrhodesien tätige britische Eisenbahngesellschaft, ist Großbritannien mit 14,47 Prozent am Aktienkapital der mächtigen »Union Minière du Haut-Katanga« beteiligt, jener vorwiegend belgischen Bergwerksgesellschaft die 21 000 Neger und 1600 Weiße beschäftigt, monatlich fünf Millionen Mark an Löhnen und Gehältern auszahlt und über 80 Prozent des katangischen Volkseinkommens aufbringt.
Die britische Verflechtung mit der Union Minière wurde noch enger, als sich die Bergbaugesellschaft nach der Separation Katangas entschloß, einen großen Teil ihrer Erztransporte über die nordrhodesische Bahnlinie abzuwickeln. Die britischen Eigentümer der Tanganyika Concessions strichen zusätzliche Gewinne ein und sahen keinen Anlaß, sich für die Wiedervereinigung des Kongo zu begeistern, der Großbritannien im Weltsicherheitsrat zugestimmt hatte.
Conor O'Brien beschränkte seine Vorwürfe nicht auf britische Politiker. »Ich verachte alleGossenmillionäre«, erklärte er, »die Katanga unterstützen. Sie werden geführt von britischen Millionären des Beaverbrook-Typs, von (dem ehemaligen konservativen Unterhausabgeordneten und jetzigen Tanganyika-Concessions-Direktor) Charles Waterhouse, von Sir Roy Welensky und Mister Macmillan - wobei ich nicht weiß, in welcher Reihenfolge ich diese Herren nennen soll.«
Während der irische Uno-Diplomat wahllos Engländer, Franzosen und Rhodesier attackierte, deckte just jener britische Uno-Beamte ein Komplott der Katangesen auf, der eine Woche zuvor stellvertretend für O'Brien mißhandelt worden war: Brian Urquhart.
Die Regierung Tshombé, so teilte er dem Uno-Generalsekretär U Thant mit, plane einen Vernichtungsschlag gegen die Uno-Truppen. Beginn: Dienstag, 5. Dezember, 12 Uhr mittags.
Die Geheiminformation des Briten stimmte. Pünktlich auf die Minute begannen die 12 000 Katanga-Krieger, verstärkt durch malerisch kostümierte Freiwillige, ihren Kampf gegen die Uno, während sich Moise Tshombé - angeblich auf dem Wege zu einer Konferenz für »Moralische Aufrüstung« - in Paris einquartierte.
Generalsekretär U Thant, zu »energischem Durchgreifen« entschlossen und dabei von den USA unterstützt,
schickte zwar schwedische und indische Düsenjäger sowie Panzer gegen die mit Giftpfeilen, Maschinenpistolen und altertümlichen Panzerwagen angreifenden Katangesen, doch nun resignierte auch der letzte Ire in leitender Uno-Stellung: General Sean McKeown, Oberbefehlshaber der Uno-Truppen, stellte seinen Posten zur Verfügung.
»Ich treffe diese Entscheidung nicht aufgrund der jetzigen Entwicklung«, begründete der General seinen Rücktritt. »Aber alles, was Conor O'Brien über Rhodesien, Belgien und Großbritannien gesagthat, ist völlig zutreffend.«
Frohlockte der Katanga-Separatist Tshombé in Paris vor dem Rückflug in die Heimat: »Ich bin über den Rücktritt der beiden Iren sehr glücklich.«
* Gleichzeitig schied auch die 35jährige Maire MacEntee, Tochter des irischen Vizepremiers, aus dem irischen Staatsdienst aus; sie wird Conor O'Brien heiraten, der sich nach 22jähriger Ehe scheiden läßt.
Tshombé-Krieger in Katanga: Der Angriff wurde verraten
Demissionierter Uno-Statthalter O'Brien
Der Falsche wurde verprügelt