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»Die Israelis haben sich durchgesetzt«

Die Reaktionen aus Israel und Einsichten der Koalition haben die Zuversicht des Bundeskanzlers zerstört, er könne den heiklen Verkauf von Leo-2-Panzern an Saudi-Arabien durchsetzen. Geht es nach Außenminister Genscher, soll Kohl die Entscheidung noch verkünden, bevor er nächste Woche nach Jerusalem fährt. *
aus DER SPIEGEL 34/1983

Der israelische Ministerpräsident redete, wie es seine gefürchtete Art ist, nicht in diplomatischen Floskeln. Ob denn die neue deutsche Regierung den Saudis nun Panzer liefere oder nicht, fragte Menachem Begin letzte Woche direkt seinen Besucher aus Bonn, Hans-Jürgen Wischnewski.

Der SPD-Mann, derzeit in seiner Eigenschaft als Ben Wisch auf ausgedehnter Erkundungstour in Nahost (siehe Seite 22), wich aus.

Er könne nur eines verbindlich versichern, erklärte Wischnewski, seine Partei, die SPD, werde einem solchen Waffenexport nicht zustimmen. Aber in Regierungsgeschäfte wolle er sich nicht einmischen, dazu könne er sich nicht äußern.

Und vorsichtig fügte er nur hinzu, ein gewisses Verständnis müsse man schon für die Wünsche der Saudis aufbringen, auch die hätten ihre Sicherheitsprobleme.

Doch Verständnis für arabische Belange ist Menachem Begins Sache nicht. Die Deutschen hätten »nicht das moralische Recht«, den Feinden Israels »Hunderte von Panzern« zu liefern, wetterte er, eine solche Aktion der Bundesrepublik betrachte er als eine »Bedrohung« seines Landes.

Hans-Jürgen Wischnewski war beeindruckt. Er selbst habe, vertraute er später seinen Begleitern an, seine Meinung in letzter Zeit geändert. Wenn Bonn das saudische Königreich mit modernsten Panzer-Waffen made in Germany, vor allem mit dem begehrten Export-Artikel Leo 2, versorge, so seine Erkenntnis, würden auch die Israelis Forderungen stellen. Wenn die Bundesregierung die aber erfülle, sei zu befürchten, daß einige arabische Staaten, wie früher schon einmal, ihre diplomatischen Beziehungen zur Bundesrepublik abbrechen.

Helmut Kohl hat nicht mehr viel Zeit, das heikle Problem, ob deutsches Kriegsgerät in das Krisengebiet Nahost exportiert werden darf, vor sich her zu schieben. Die Israelis setzen seit Wochen mit politischen Drohungen und moralischen Vorwürfen die Bonner Regierung unter Druck. Spätestens nächste Woche, wenn der christdemokratische Kanzler, als zweiter westdeutscher Regierungschef nach Willy Brandt, ins Heilige Land fährt, wollen sie eine klare Antwort.

Wirkung haben sie schon erzielt. Kohl hatte zunächst geglaubt, anders als sein Vorgänger könne er das Leopard-Geschäft mit den Saudis durchsetzen. Helmut Schmidt war am Widerstand aus seiner eigenen Partei gescheitert. Kurz nach der Neuwahl im März erklärte ein Kohl-Vertrauter optimistisch: »Die kriegen den.« Und noch vorletzte Woche, in einem Fernseh-Interview, erweckte der Kanzler den Eindruck, das Waffengeschäft sei »kein Diskussionspunkt dieser Reise«.

Doch in Wahrheit weiß er längst, daß er, wie Wischnewski, seine Meinung revidieren muß. Ihm bleibt nur noch eines: nach außen den Schein aufrechtzuerhalten, die Entscheidung werde unabhängig von Begins Pressionen getroffen.

Eines anderen belehrt haben ihn vor allem die Berichte der deutschen Botschaft in Tel Aviv. Der Kanzler hat zwar das Wohlwollen Begins

gewonnen, weil er schon im Oktober letzten Jahres seine Bereitschaft erklärt hat, Israel zu besuchen - zu einer Zeit, als alle Welt sich über die Libanon-Invasion empörte. Auch auf die herzlichen Telegramme zum Tode seiner Frau und zu seinem Geburtstag hat der Israel-Premier freundlich reagiert. Aber das, so meldeten die Diplomaten, bedeute in der Sache nichts.

Sie warnten den deutschen Regierungschef vielmehr, bei seinem Besuch nur ja nicht auf gute Atmosphäre zu vertrauen. Ein Mann wie Begin sei durch schöne Worte und freundliche Gesten keineswegs zu beeindrucken. Und sie erinnerten daran, daß Begin im israelischen Parlament seinerzeit sowohl gegen die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zur Bundesrepublik als auch gegen die Wiedergutmachungszahlungen durch die Westdeutschen gestimmt habe.

»Herr Kohl wird auf einen Mann treffen«, erklärte Oppositionsführer Schimon Peres gegenüber Wischnewski, »der damals drohte, die Knesseth und dann Israel mit Frau und Kind zu verlassen.«

Die Lieferung von Leo-Panzern an Saudi-Arabien, so die Analyse der Diplomaten vor Ort, werde Begin niemals hinnehmen. Es helfe auch nichts, wenn Kohl sich als Mann einer neuen deutschen Generation präsentiere, der im Gegensatz zum Weltkrieg-II-Leutnant Schmidt unbelastet von der NS-Vergangenheit sei. Die Schrecken dieser Vergangenheit seien noch immer lebendig. Für die Israelis sei der Gedanke unerträglich, daß Araber von deutschen Experten im Leo 2 für den »Heiligen Krieg« trainiert würden.

Begin hält Besuchern aus der Bundesrepublik regelmäßig vor, sie hätten Israel im Sechstagekrieg von 1973 im Stich gelassen, weil sie den Nachschub aus den USA in Bremerhaven aufhielten. Die westdeutsche Politik der Ausgewogenheit zwischen arabischen und israelischen Interessen ist für den Premierminister nach wie vor ein böses Reizwort.

Doch nicht nur die harten Reaktionen aus Israel haben Kohls naive Zuversicht zerstört, er könne mit dem Leo-Export der westdeutschen Industrie ein lukratives Geschäft vermitteln. Auch in der christliberalen Koalition stieß der Kanzler auf Reserve oder gar Widerstand.

In der Unionsfraktion sind die Meinungen geteilt. Eine Linie ist nicht zu erkennen. »Im Grunde wäre es gut, den Saudis Waffen zu liefern, statt den Sowjets das Feld zu überlassen«, findet Alfred Dregger, CDU/CSU-Fraktionsvorsitzender, »aber«, schränkt er ein, _(Mit dem damaligen Kronprinzen und ) _(heutigen König Fahd 1981 in Riad. )

»auch Gefühle sind in den deutsch-israelischen Beziehungen von politischer Bedeutung.«

Kohls liberaler Partner Hans-Dietrich Genscher ist inzwischen vorsichtig geworden. Als Außenminister der sozialliberalen Koalition hatte er miterlebt, wie Kanzler Schmidt den Saudis Versprechungen machte, die er dann nicht einlösen konnte.

Jetzt bezweifelt er, ob Kohl für den Leo-Handel in der CDU/CSU-Fraktion eine überzeugende Mehrheit hätte. Intern gab Genscher zu erkennen, daß er von einer Lieferung der Leo 2 an die Saudis nichts hält. »Den Leo nicht«, erklärte er bündig.

Genschers Zurückhaltung hat noch andere Gründe: In seiner eigenen Fraktion ist die Zahl der Gegner des Panzergeschäfts groß. Er selber sieht zwar die israelische Furcht vor angeblicher Bedrohung nur als Vorwand. Denn die Israelis besäßen schließlich Atomwaffen und brauchten daher saudische Panzer nicht zu fürchten. Für die Empfindlichkeit der Überlebenden des Holocaust aber hat der Außenminister durchaus Verständnis.

Quer zur Linie liegt - wieder einmal - Franz Josef Strauß. Der CSU-Chef hat bei mehreren Treffen mit saudischen Prinzen in Saudi-Arabien, in der Schweiz und in der Bundesrepublik den Eindruck vermittelt, das Geschäft sei gelaufen.

Verärgert registrierte Kohl, daß seine Regierung durch den voreiligen Bayern in eine ähnlich miese Lage zu geraten droht wie die des Vorgängers Helmut Schmidt.

Er selbst hatte bei einem Treffen mit dem saudischen Verteidigungsminister Sultan Ibn Abd el-Assis in Bonn nur vage versprochen, er wolle alles versuchen, die Sicherheitsinteressen Saudi-Arabiens zu befriedigen. Zugleich aber hatte er eingeräumt, die Lieferung des Leo 2 sei ein »heikles Thema«.

Nun wollen die Saudis von Bonn wissen, wie denn die unterschiedlichen Auskünfte von Kohl und Strauß zu verstehen seien; sie hätten sich bereits, im Vertrauen auf das Wort des CSU-Chefs, auf eine Zusage eingestellt. Helmut Kohl wartet noch immer auf die offizielle Einladung zu einem Besuch in Riad, die der Verteidigungsminister avisiert hat. Ein AA-Diplomat: »Die lassen ihn zappeln.«

Um zu verhindern, daß der außenpolitisch unerfahrene Kanzler in Israel noch mehr Verwirrung schafft, bereitet Genschers AA die Visite äußerst penibel vor: Schriftlich fixieren die Genscher-Gehilfen diplomatische Kanzler-Sprüche für jede Gelegenheit.

Auf keinen Fall, darüber sind sich Kanzler und Außenminister einig, wird Kohl in Israel seine Entscheidung verkünden. Uneinigkeit aber herrscht noch zwischen Außen- und Kanzleramt, ob noch vor dem Abflug Klarheit geschaffen werden soll.

Die AA-Beamten argumentieren, eine Verzögerung bringe nur unnötigen Ärger mit Israelis wie Saudis. Die Kohl-Leute dagegen möchten den endgültigen Bonner Spruch erst viel später bekannt machen, wenn Kohl auch den Riad-Besuch hinter sich hat.

»Man kann heute schon sagen, die Israelis haben sich mit ihrem Druck durchgesetzt«, so ein hoher Kanzlerbeamter, »aber wir müssen den Eindruck vermeiden, sie hätten uns die Nägel durch die Finger getrieben.«

Mit dem damaligen Kronprinzen und heutigen König Fahd 1981 in Riad.

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