Die Medien stecken dieser Tage voller Clausewitz. Dabei war er weniger ein Praktiker des Krieges - das einzige von ihm geleitete Gefecht hat er 1815 verloren - als vielmehr ein Kriegsphilosoph. Sein Standardwerk »Vom Kriege« ist heute noch ein ästhetisches Lesevergnügen.
Zwei Maximen haben diesen Preußen berühmt gemacht: Erstens plädierte er für den Primat der Politik, zweitens hielt er einen Krieg für nicht berechenbar - »zuviel Zufall«, wie Frankreichs Kaiser Napoleon III. fand. Und als Eisenhower 1944 den Tag der Landung in der Normandie festlegte, formulierte er gleichzeitig sein Rücktrittsgesuch, denn das Wetter hätte alle Planungen zunichte machen können.
Clausewitz, zweifelhaften Adels, starb 1831 im Alter von 51 Jahren eher an seinen Depressionen als an der Cholera. Bismarck hat ihn 1866 gegen Österreich praktiziert, ohne ihn gelesen zu haben. Moltke kannte das Buch, wählte aber eigene Methoden.
Wenn man uns jetzt sagt, der Krieg am Golf verlaufe »nach Plan«, so heißt das, daß er aus der Sicht der Amerikaner und ihrer Verbündeten nicht nach Wunsch, sondern unter Umständen verläuft, die man als eine Möglichkeit ins Kalkül hätte einbeziehen können.
Wer einen Krieg beginnen will, geht in seiner Einschätzung von einem ihm günstigen, wer ihn vermeiden will, von einem ihm ungünstigen Verlauf aus. Berechenbar war, daß die Alliierten diesen Krieg gewinnen würden. Unberechenbar waren die Schäden für die ganze Welt.
In der Logik des Krieges liegt es, daß er über seine ursprünglichen Ziele eskalierend hinausschießt. Ging es anfangs lediglich um die Restitution des Emirats Kuweit, so geht es inzwischen um die Vernichtung des irakischen Waffenpotentials, ja, um die Neuordnung der gesamten Region unter amerikanischer Kontrolle.
Vieles spricht für die von Hans Magnus Enzensberger blendend vorgetragene These (siehe Seite 26), Saddam Hussein sei, genau wie seinerzeit Hitler, von einem totalen Zerstörungstrieb besessen; wie dieser begehre er nur, als letzter zu sterben. Wie aber, wenn Saddam den Krieg überlebte und also doch kein Hitler gewesen wäre?
Durfte er den Golf mit Öl verseuchen? Eine überflüssige Frage. Er setzt die Mittel ein, die ihm zur Verfügung stehen, genau wie es vor ihm andere getan haben, derer man heute mit ehrfürchtigem Schauder gedenkt. Ist er der Mann, für den man ihn halten muß, dann wird er alles tun, sich nicht wehrlos machen zu lassen, und dabei vor nichts zurückschrecken.
Alles entfaltet sich mit einer so fatalen Zwangsläufigkeit. Auch Saddam war ja in Zugzwang, als er in Kuweit einfiel. Deshalb sind jene nicht verächtlich, die diesen Krieg zum jetzigen Zeitpunkt für einen Fehler halten. Daß seine Kosten mittlerweile schon alles übersteigen, was man zuvor ins Kalkül gezogen hatte, war zu erwarten, muß aber dennoch zu denken geben.
Ein Waffenstillstand, wie ihn die SPD fordert, kann gleichwohl nicht ernsthaft diskutiert werden. Verhandlungen über Mittelsleute könnten zumindest nicht schaden. Ist Saddam Hussein der Hitler, für den man ihn hält, werden sie erfolglos bleiben. Wissen wir jedoch so genau, daß er auf seinen eigenen Untergang erpicht ist?
Mag sein, Saddam Hussein hätte sich auch durch eine noch so massive Drohung der Vereinigten Staaten - sie ist versäumt worden - nicht von der Annexion Kuweits abschrecken lassen. Man müßte dann der Menschheit eine düstere Prognose stellen. Denn die Saddams, wenn auch vielleicht keine Hitler, wird es auch in Zukunft geben.
Wie konnten wir uns der Idee überlassen, die Politik der verbrannten Erde, des verseuchten Meeres, wäre einzugrenzen, da doch alle Welt nichts Besseres zu tun weiß, als unter jeglicher Vernachlässigung der Umwelt immer tödlichere, immer wahnwitzigere Waffen zu entwickeln und zu produzieren?
Es scheint so, als könnte man sich inzwischen nur noch darüber streiten, ob die Menschheit sich bereits »übersteuert« hat (Arnold Gehlen), und zwar unumkehrbar, oder ob sie das erst in absehbarer Zeit tun wird. Ihrem Ende wird sie nach diesem Krieg jedenfalls näher gerückt sein, um ein gutes Stück.