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Briefe

Die Nacht bei Frau Gobbin
aus DER SPIEGEL 20/1950

Die Nacht bei Frau Gobbin

In Nr. 16 wurde ich in der Nebe-Serie erwähnt. Dazu möchte ich Ihnen mitteilen:

»Als ich an dem Abend bei Frau Gobbin in der Wohnung war, läutete das Telefon. Ich ging zum Apparat und dort fragte eine männliche Stimme nach Frau Gobbin. Ich bat um Angabe des Namens, der mir aber nicht genannt wurde. Ich ging dann zu Frau Gobbin zurück ins andere Zimmer und sagte ihr in meiner rheinischen Mundart: »Gobbin, da ist einer der Verschwörer am Telefon.« Ich hatte aber nicht an Nebe oder an sonst jemand Bestimmtes gedacht. Von Nebe hatten wir nur insofern gesprochen, als wir beide nach seinem Verschwinden aus dem Amt an seinen Selbstmord glaubten.

Daß Frau Gobbin Nebe liebte, war mir seit Jahren bekannt; es war mir aber auch bekannt, wie schlecht er sie zeitweise behandelte und kränkte. Da ich die eigenartige unklare Persönlichkeit von Nebe, vor allem auch sein wenig schönes Verhalten Frau Gobbin gegenüber, kannte - wir waren fünf Jahre zusammen Krim.-Kommissare in Berlin, und Nebe hat damals in einem bescheidenen Lüsterjäckchen manche Zigarette an meinem Schreibtisch geraucht - habe ich Frau Gobbin dringend abgeraten, sich erneut mit Nebe zu verquicken. Sie hatte die Absicht, ihn bei ihrer blinden alten Mutter unterzubringen, ohne daß diese davon etwas wisse. Ich habe ihr geraten, ihn zu veranlassen, sich verrückt zu stellen, und ihn bei Tagesgrauen in einen Park zu bringen, wo er den »wilden Mann« markieren soll.

Nebe ließ mir daraufhin sagen - Frau Gobbin erschien fast jede halbe Stunde an meinem Bett - , ich kenne die Methoden der Gestapo nicht. Nebe war davon überzeugt, daß Helldorf ihn verraten habe. Gobbin verabschiedete sich morgens um 8 Uhr von mir. Ich fuhr am gleichen Tage nach Köln zurück.

Anfang Februar, ich machte damals in Weimar Dienst, weil durch die Kriegsereignisse die Dienststelle in Köln aufgehoben wurde, wurde ich durch dringendes Staatsgespräch nach Berlin beordert. Die Reg.-Rätin Wieking, bei der ich anfragte, was ich da solle, teilte mir mit, daß sie es nicht wisse. Ich selbst wußte ganz genau, daß es nur die Sache Nebe sein könnte.

Nach langem Warten im RKPA. wurde ich nach Zimmer 113 in die Albrechtstraße, von dem Nachfolger von Nebe, Panzinger, geschickt, und dort von dem Oberreg.-Rat Litzenberg vernommen. Ich muß vorausschicken, daß Herr Litzenberg und ich uns gegenseitig sehr schätzten, aus der Zeit, als wir beide Krim.-Kommissare beim Pol.-Präsidium Berlin waren. Herr Litzenberg erklärte mir, daß der Amtschef Müller mich im Einzeltransport holen lassen wollte und mich selbst vernehmen. Nur auf Grund der Tatsache, daß der Müller ihn schätze und er mich, habe er das verhüten können.

Ich habe dann Herrn Litzenberg gegenüber zugegeben, daß eine männliche Stimme am Telefon nach Frau Gobbin gefragt habe; auch daß ich ihr gesagt habe: »Da sei einer der Verschwörer am Telefon.« Frau Gobbin sei dann vom Telefon zurückgekommen und habe mir erklärt, ihr Freund sei von der Ostfront für eine Nacht in Berlin, und wir hätten dann überlegt, daß ich bei ihrer Schwester schlafe, weil es für mich selbstverständlich gewesen sei, mich aus Gründen der Diskretion zurückzuziehen.

Bei diesen Angaben lächelte Herr Litzenberg und meinte, das hätte ich mir ja fein zurechtgelegt und ich sei ja immer eine gute Kriminalistin gewesen. Ich daraufhin: »Ich weiß, daß ich in Ihren Händen bin, machen Sie mit mir, was Sie wollen, ich kann keine anderen Angaben machen.« Daraufhin las mir Herr Litzenberg eine Vernehmung vor. Ob die Angaben von Nebe oder Frau Gobbin stammen, kann ich nicht sagen.

Als ich vor etwa drei Wochen Frau Gobbin in Düsseldorf traf, fragte ich, wieso es möglich sei, alles so genau anzugeben und warum ich überhaupt damals in die Angelegenheit hereingezogen worden wäre, obgleich doch zwischen uns verabredet gewesen wäre, daß über die Ereignisse der Nacht kein Wort verloren würde.

Sie erklärte mir, sie wisse es nicht. Sie habe nur Litzenberg gesagt, daß ich in der Wohnung gewesen und am Telefon war, als Nebe anrief.

Jedenfalls war in der Vernehmung, die Litzenberg mir vorlas, ganz wörtlich geschildert, was sich in der Nacht abgespielt hatte.

Während dieser Unterhaltung kam ein Assessor ins Zimmer - ich nehme an, daß es der in dem Artikel erwähnte ist. Dieser Kerl benahm sich schweinemäßig und riet Litzenberg, mir mal etwas Bedenkzeit im Keller der Albrechtstraße zu geben. Litzenberg schickte ihn heraus, rief eine Stenotypistin und ließ mich meine Aussagen in die Maschine diktieren. Nachdem ich diese unterschrieben hatte, telefonierte er mit Panzinger, dem Nachfolger von Nebe, und teilte diesem mit, daß ich mit der Angelegenheit nichts zu tun habe.

Koblenz-Lützel

MARIANNE PFAHL, Kriminal-Rätin.

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