Es ist furchtbar«, jammert Wendy Nardini, Managerin der exklusiven Ferienanlage Dschabal Ali. Normalerweise ist um diese Jahreszeit, bei Temperaturen knapp unter 30 Grad, ihr Hotel ausgebucht - überwiegend mit bundesdeutschen Gästen. Jetzt steht das Haus leer.
Der Golfkrieg hat nun auch den Etappenstaat Dubai erreicht. Dessen Schrecken erfahren die Bewohner des Emirates dort, wo sie es am schmerzhaftesten empfinden: Es geht um ihr Geld.
Mit Sonderangeboten versucht die Managerin die Saison noch zu retten. Denn: »Wir sind hier weitab vom Schuß. Uns droht keine Gefahr. Aber erklär das mal einem Europäer.«
Das ist gar nicht so einfach. Zwar ist die Front über 800 Kilometer weit entfernt, und zwischen der irakischen Armee und dem Golfemirat Dubai stehen in der saudischen Wüste die Truppen der alliierten Streitkräfte. Aber Dubai liegt innerhalb der Reichweite jener Raketen, mit denen Saddam Hussein seit Kriegsbeginn Israel und Saudi-Arabien in Schrecken versetzt.
Eine internationale Luftfahrt-Schau und die größte nahöstliche Waffenmesse waren für die letzte Januarwoche geplant, ein Golfturnier für Anfang Februar. Schweren Herzens wurden sie gestrichen, Millionengeschäfte sind damit geplatzt.
Leere Hotelbetten, westliche Geschäftsleute, die sich aus Angst vor dem Golfkrieg mit ihrem Kapital von der arabischen Halbinsel - zumindest vorläufig - zurückziehen, entgangene Profite für die Einheimischen: Dubai bekommt im Schatten des nahen Golfkriegs die wirtschaftlichen Folgen am deutlichsten zu spüren.
Denn anders als die meisten Fürstentümer entlang der Golfküste, deren Reichtum ausschließlich aus den Gewinnen des schwarzen Goldes stammt, erzielt Dubai nur 40 Prozent seiner Einkünfte aus Ölquellen.
Die Herrscherfamilie Maktum, deren weitverzweigte Sippe - das ist am Golf so üblich - bei jedem Geschäft kräftig mitkassiert, läßt an ihrem unermeßlichen Reichtum das Volk teilhaben. Nach offiziellen Angaben sind 25 Prozent aller 470 000 Bewohner Dubais Einheimische, tatsächlich aber wohl höchstens 15 Prozent. Das Gros bilden Ausländer, vor allem Inder, Pakistaner, Filipinos. Sie verrichten die Dreckarbeit.
Verglichen etwa mit dem benachbarten Emirat Abu Dhabi gilt das politische Klima in Dubai als liberal. Um westliche Investoren und Touristen nicht unnötig abzuschrecken, hat Emir Maktum Bin Raschid, 49, islamische Einflüsse auf den Alltag so gering wie möglich gehalten. Auch im strengen Fastenmonat Ramadan sind für Ausländer Restaurants und Hotelbars geöffnet.
Als einzige Fernsehstation am Golf übernimmt Dubai TV rund um die Uhr die Nachrichtensendungen des US-Senders CNN. Allerdings werden sie immer dann unterbrochen, wenn israelische oder palästinensische Politiker auftauchen. Auch Auftritte oder Reden von Saddam Hussein fallen unter die Zensur.
Im Laden von Anwar el-Henai, 27, in der NaIf-Straße, steht das Fernsehgerät nicht still. Henai handelt mit arabischen Musikinstrumenten. Auch er, an dessen linkem Handgelenk eine goldene Yves-Saint-Laurent-Uhr funkelt, sieht sich »als Opfer des Krieges«. Die Geschäfte hätten merklich nachgelassen. Vor allem der Nachschub an Instrumenten aus dem Emirat Bahrein, wo zu Spottpreisen gefertigt wird, ist ins Stocken geraten.
Mitleid mit Henai ist dennoch nicht erforderlich. Seine Familie gehört zur einheimischen Mittelschicht - und die besitzt gewöhnlich Millionenvermögen. »In ein paar Wochen«, glaubt der Händler, werde der Krieg zu Ende sein. »Das Schlimmste ist ja schon vorbei.«
Darauf mag Fatima, 33, allerdings nicht mehr bauen. Die dreifache Mutter arbeitet im Verteidigungsministerium und führt nebenher einen Modesalon mit überwiegend westlicher Kundschaft.
Die politischen Folgen, die der Krieg über die Region bringen wird, sieht Fatima klar: »Die Besetzung Kuweits war der Anfang vom Ende unserer Herrscher. Es wird vielleicht noch zehn Jahre dauern. Das wissen die Scheichs, und davor haben sie Angst.«
Diese Angst hat immerhin auch angenehme Folgen für Fatima. Denn stets, wenn sich arabische Ölpotentaten bedroht fühlen, werfen sie mit Geld um sich. Um sich das weitere Wohlwollen der Untertanen zu sichern, hat die Herrscherfamilie Maktum in den letzten Wochen exzellente Baugründe praktisch zum Null-Tarif an ausgewählte Einheimische abgegeben. Auch Fatimas Familie kam so zu einem schönen Grundstück in bester Geschäftslage.
Ängste besonderer Art treiben offenbar Hansjoachim Neumann um, den bundesdeutschen Generalkonsul in Dubai. Bei einem Treffen der deutschen Gemeinde ermahnte der Diplomat jetzt seine Landsleute zu besonderer Disziplin.
Wer immer das Land zu verlassen gedenke, so Neumann, möge vorher die in Empfang genommene Gasmaske an seine Behörde retournieren. Denn die kosteten pro Stück 450 Mark und seien »Eigentum der Bundesregierung«.