WEIN-MARKTORDNUNG Die Preise hoch
In Bonn sagt man, daß sich die Herzbeschwerden des Leiters der Abteilung III im Ernährungsministerium, des Ministerialdirektors Dr. Fritz Staab, in den letzten acht Tagen wieder verschlimmert haben. Dies soll ursächlich mit dem »Gesetz über die Errichtung einer deutschen Weinstelle« zusammenhängen, dessen Entwurf der Weinbergsbesitzer und Bundesbeamte Fritz Staab letzten Monat streng vertraulich an einige interessierte Stellen verschickte.
Seitdem kommt Staab nicht mehr aus dem Ärger heraus, weil die Mainzer »Deutsche Wein-Zeitung«, das Leib- und Magenblatt der deutschen Weinhändler, den Staabschen Plan für eine Art Verstaatlichung der deutschen Weinwirtschaft vorzeitig veröffentlichte und dabei nicht nur in Trinkerkreisen auf ungläubiges Staunen stieß.
Denn dieses jüngste Gesetzesprodukt aus Bonn, dessen Tenor noch einige weitere Überraschungen aus dem Bundesernährungsministerium befürchten läßt, muß selbst die gewiegtesten Aktivisten des alten Reichsnährstandes aufhorchen lassen. Zum Schutze der Weinwirtschaft »vor dem Druck der importierten Weine und vor Schleuderpreisen bei guten Ernten« soll nach dem Staabschen Entwurf in Mainz eine »Deutsche Weinstelle« errichtet werden.
Diese Anstalt des öffentlichen Rechts, in deren zweiunddreißigköpfigem Verwaltungsrat die Erzeugerseite um ein Vielfaches stärker als der Handel (und der Verbraucher überhaupt nicht) vertreten ist, soll außer dem Anbau von Wein schlechterdings alles machen dürfen, was man sich in der Weinwirtschaft ausmalen kann:
* Wein kaufen und verkaufen,
* Wein lagern, behandeln und destillieren,
* Kredite, insbesondere an Winzer und Winzergenossenschaften, gewähren,
* die Weineinfuhr überwachen,
* Weinhandelsbetriebe zulassen (oder nicht zulassen),
* Wein- und Betriebskontrollen durchführen und
* Qualitätsbezeichnungen verleihen.
»Eine solche umfassende Plan- und Zwangswirtschaft, wie sie hier vorgeschlagen wird, hat es in der Weinwirtschaft noch niemals gegeben«, versicherte der Bund der deutschen Weinhandelsvereinigungen vergangene Woche in einem Protestbrief, mit dem sich Marktwirtschaftsprofessor Erhard, der ganz konträre Thesen vertritt, noch auseinandersetzen muß.
Der Grundgedanke des Ministerialdirektors und Weinbergsbesitzers Staab war, daß nicht nur die Weinpreise oft starken Schwankungen unterliegen, sondern, daß die Winzer in quantitativ guten Weinjahren oft auch auf ihren Fässern sitzenbleiben, weil der Handel nicht über das nötige Kapital zur Aufnahme sämtlicher Weine verfügt. Hier möchte Staab mit seiner »Deutschen Weinstelle« ausgleichend eingreifen, wenn dem deutschen Weinbau wieder einmal eine Schwemme droht*).
Von Staats wegen soll eine Mammutweinhandlung geschaffen werden, die zugleich Kontrollrechte über die gesamte Weinwirtschaft besitzt. Sie soll den Winzern die überschüssigen Fässer abkaufen,
*) Der Gesetzentwurf baut damit für die Zukunft vor, denn die großen deutschen Weinernten 1950, 1951 und 1952 konnte der Weinhandel reibungslos aufnehmen und absetzen. An 1953er herrscht infolge der Frostschäden des letzten Jahres sogar eine gewisse Knappheit. die qualitativ schlechteren Weine selbst destillieren oder destillieren lassen und die guten Weine in knapperen Jahren zu »besseren« Preisen wieder abstoßen.
Damit diese knapperen Jahre nicht ausbleiben, setzt die strenge Überwachung der Weineinfuhr ein. »Im Benehmen mit der Deutschen Weinstelle« stellt das Bundesernährungsministerium nach diesem Gesetzentwurf alljährlich einen Versorgungsplan auf, der die Weinmengen festlegt, die über den im Inland zur Verfügung stehenden Vorrat hinaus noch »aus der Einfuhr für die Deckung des notwendigen Bedarfs erforderlich sind«.
Danach bedarf jeder Weinimport der Genehmigung der Weinstelle. Auf ihren Antrag kann das Bundesernährungsministerium darüber hinaus Weinimporteuren die Auflage machen, bereits eingeführte Weine auf die Dauer von sechs Monaten nicht in den Inlandsverkehr zu bringen. Die dabei entstehenden Lager- und Finanzierungskosten sollen die betroffenen Importeure tragen.
Die Weinstelle soll weiterhin der Weinwirtschaft Kredite gewähren. Dazu - und zum Ankauf der Weine - muß sie mit Kapital ausgestattet werden Dieses Kapital aber sollen ihr dieselben Leute schenken, denen eigentlich durch das Gesetz geholfen werden soll.
Wörtlich sagt der Gesetzentwurf: »Zur Ausstattung der Deutschen Weinstelle mit den notwendigen Eigenmitteln leisten alle Winzerbetriebe des Bundesgebietes eine kleine Abgabe in Höhe von zehn Prozent des Jahreshektarertrages des jeweiligen Weinbaugebietes.« Da in Westdeutschland pro Jahr im Durchschnitt für 250 Millionen Mark Wein geerntet wird, sollen die Winzer der Weinstelle unter gesetzlichem Zwang Wein im Werte von rund 25 Millionen Mark dedizieren.
Dem Gesetzesautor Staab scheinen diese Mittel jedoch noch nicht auszureichen. Auch der Weinhandel soll der Weinstelle seinen Tribut zollen und einmalig vier Prozent des Jahresumsatzes nach Mainz überweisen. Das wären bei einem Gesamtjahresumsatz von schätzungsweise 600 Millionen Mark weitere 24 Millionen Mark, die Staabs Weinstelle geschenkt bekäme. Die Im- und Exporteure schließlich sollen laufend vier Prozent vom Werte aller ein- und ausgeführten Weine zahlen, wobei wiederum runde vier Millionen Mark jährlich heraussprängen.
Zugleich soll die Weinstelle alle Möglichkeiten erhalten, ihre frei wirtschaftende Konkurrenz an der Kandare zu halten. Wenn das Staab-Gesetz durchkommt, werden sich die Weinhändler nur noch mit besonderer Genehmigung der Weinstelle etablieren können. Auch bereits bestehende Betriebe müssen, wenn sie nicht schon vor dem 21. Juni 1948 gearbeitet haben, ihre Zulassung neu beantragen.
Dr. Staabs Gesetzentwurf käme gerade rechtzeitig, um die bis zu vierzig Prozent über die Vorjahrespreise reichende Verteuerung der knappen, aber guten Ernte des Jahres 1953 zu stabilisieren, ohne daß ihr billigere Importe gefährlich werden könnten. Zeitlich trifft der Entwurf außerdem zusammen mit der »Gemüsemarktordnung«, die in der vergangenen Woche im Bundestag eingebracht wurde.
Auch nach diesem Initiativentwurf, der von einigen Abgeordneten der CDU und FDP und in einem fast gleichlautenden Text schon von der SPD vorgelegt wurde, soll auf einem Gebiet der Landwirtschaft, diesmal bei Obst und Gemüse, die freie Marktwirtschaft durch Reglementierungen zum Nachteil der Verbraucher ersetzt werden.
Der Gemüseentwurf sieht die Aufgliederung der Bundesrepublik in vierzehn Anbaugebiete
vor, die jeweils von einer errichteten Bundesstelle betreut werden sollen. Ähnlich wie bei der Weinstelle sollen diese Institutionen Gemüse bis zum letzten Radieschen erfassen. Das ganze planwirtschaftliche Instrumentarium, bestehend aus Meldepflichten, Andienungsvorschriften, staatlichen Stützungskäufen und Importregulierungen, soll ihnen zur Verfügung stehen.
Der Referenten-Entwurf des Dr. Staab und die Gemüseordnung sind eines Geistes. Mit ihnen schwärmt der grüne Frontkämpferverband zu seinen diesjährigen Frühjahrsmanövern aus.