Die Reichen in Deutschland
1. Fortsetzung
Mäzene und Gönner
Es gehört zu den angenehmen Seiten
des Kapitalismus, daß einigen Kapitalisten gelegentlich etwas übrigbleibt, wofür sie weder zu Hause noch in ihrer Firma Verwendung haben.
Bei dem Ingenieur Kurt A. Körber, einem kinderlosen Erfinder und Fabrikanten in Bergedorf bei Hamburg, waren es in zehn Jahren runde zehn Millionen; hatte er doch das Glück, eine Maschine zur Anfertigung von Filterzigaretten zu entwickeln und anzufertigen, kurz bevor auf der ganzen Welt die Epoche der Filterzigarette anbrach.
Genießerisch zurückgelehnt in einem von ihm ebenfalls erfundenen automatischen Direktionssessel, erwog er zunächst den Gedanken, das Geld unter
seine 2000 Leute zu verschenken. Langsam ging er dabei im Geiste eine Verteilerliste durch, die sich vom Oberingenieur bis weit hinunter zur Gilde der Pförtner und Raumpflegerinnen erstreckte, die schließlich auch etwas bekommen mußten, falls er sozial verfahren wollte.
An diesem Punkte fing er an, sich zu erregen. Was schließlich war ihr Verdienst am Erfolg seiner phänomenalen Filtermaschine? Waren sie daran nicht genausowenig beteiligt wie die Raumpflegerinnen im Polizeipräsidium? Warum also nicht auch jene einbeziehen in seinen freiwilligen Dukatenregen? Plötzlich schlug der Erfinder, wie er mir nachträglich zeigte, energisch auf seinen Spezial-Schreibtisch. »Schluß!« rief er, »keiner soll was bekommen! Ich mach' 'ne Stiftung!«
Er hatte in Bergedorf bereits eine Ingenieurschule für Tabak-Technik gegründet - die einzige der Welt - und einige Jahre allein aus seiner Tasche unterhalten. Nun wollte er für 6,5 Millionen eine allgemeine Ingenieurschule stiften. Doch fand die Hansestadt Hamburg seinen Gedanken so überzeugend, daß sie anbot, ihrerseits runde 60 Millionen draufzulegen, um eine ordentliche Hochschule für 1200 Studenten zu entwickeln.
Der Bau war noch lange nicht fertig, da begann Körbers Stifter-Phantasie bereits um ein drittes Projekt zu kreisen: Auf Kosten seiner privaten Wissenschafts-Stiftung rief er ein Lehr- und Forschungsinistitut ins Leben, an dem dieses Jahr erstmalig erfahrene Ingenieure zu - wie Körber es nennt »industriellen Kronprinzen« fortgebildet werden. Auch damit zog er magnetisch staatliche Unterstützung an.
Nebenbei ermutigte er die Millionen-Erbin Johanna Schwerin, Kommanditistin seiner mittlerweile bis nach Mexiko, Japan und in den amerikanischen Bundesstaat Virginia verzweigten Zigaretten -Maschinenfabrik
»Hauni«, 900 000 Mark für ein Wohnheim zu stiften, in dem die Studenten seiner Ingenieurschule anständig untergebracht werden können. Und wieder ließ Hamburg sich nicht lumpen und machte einen Zuschuß locker.
Körber selbst gab die ersten 400 000 Mark in eine Stiftung, deren Ziel es war, in Bergedorf ein Altersheim für drei Millionen Mark zu errichten. Der Staat versprach einen Zuschuß.
Offenbar hatte der unerschöpfliche Erfinder eine Art katalytische Methode entdeckt, den Staat zum zahlenden Teilhaber zu gewinnen: Man mußte als Kapitalist eben nicht nur Geld stiften, sondern dazu einen zugkräftigen Einfall, es zum Vorteil der Allgemeinheit anzulegen, dann ließ der Fiskus sich - jedenfalls in Hamburg - aus der gewohnten Zugeknöpftheit locken.
Freilich setzt das voraus, daß man Einfälle hat, wie Kurt A. Körber, der Philanthrop vom Jahrgang 1909, dessen kapitalistische Marotten darin bestehen, allmorgendlich über ein vor seinem Eigenheim gespanntes Drahtseil zu balancieren, in seinem Ferienhaus am Tegernsee einen falschen Bart am Kinn zu tragen und sich keinen Chauffeur zu leisten, dafür aber einen Mercedes von demonstrativ hohem Lebensalter.
Körber war es, der mit seinem Geld und diesem unwiderstehlichen »Hoppla, jetzt komm' ich«, das Berlinern manchmal angeboren scheint, Hamburgs Thalia-Theater aufbauen half - früher, als es der Stadtstaat sich sonst geleistet hätte, und schließlich doch unter dessen kräftiger Mitwirkung.
Nur Körber kann helfen - fand der Hamburger Staatsopern-Intendant Professor Rolf Liebermann, als er immer wieder mit seinen Spiel-Plänen beim Streben nach internationalem Niveau an die Grenzen seines kameralistisch verwalteten Etats stieß. Der Fabrikant, geschmeichelt, tat dem Freunde den Gefallen: Ein durch sein Geld und sein Prediger-Talent belebter gemeinnütziger Stifterverein mit einem Gründungskapital von 300 000 Mark sorgte fortan dafür, daß der Intendant jederzeit an zusätzliches Geld für außergewöhnliche Inszenierungen heran konnte. Nur mußte der Staat Hamburg versprechen, die dadurch hereinkommenden Mehreinnahmen wiederum nur der Verbesserung von Liebermanns Oper vorzubehalten.
Daß Igor Strawinski zu seinem 80. Geburtstag gerade in Hamburg - und nicht in New York oder Moskau
seinen »Apollon Musagète« selbst dirigierte und dazu, wie er es sich ausbedungen hatte, den Choreographen Balanchine und das New Yorker Ballett mitbrachte, wäre jedenfalls ohne die Mittel der Stiftung nicht denkbar gewesen. Das Deutsche Fernsehen verbreitete die Aufführung in Eurovision, und die Stiftung bekam am Ende 300 000 Mark in die Kasse, obwohl sie für den Abend mit Strawinski nur 160 000 Mark hatte vorschießen müssen.
Als Max Brauer noch Erster Bürgermeister war, rief er eines Tages nach Körber und erzählte ihm von einem Triptychon, das Oskar Kokoschka bereit wäre, der Hansestadt zu dem günstigen Preis von einer. Viertelmillion zu widmen, einem Freundschaftspreis gewissermaßen, den man nichtsdestoweniger unter den gegebenen Verhältnissen aus dem Etat nicht aufbringen könne.
Körber verabredete sich mit seinem Freunde Philipp Fürchtegott Reemtsma, und sie handelten beim Essen aus, wie sie die Kaufsumme unter sich aufteilen könnten. Reemtsma: »Wieviel übernehmen Sie?« Körber: »Ich? Ich übernehme den Rest!« Da nickte der viel reichere Zigaretten-Fabrikant und berappte zwei Drittel.
Nach dem Tode Reemtsmas ging Körber zu dessen Witwe und redete ihr zu, ihm seinen Anteil an dem Kokoschka-Kauf wieder herauszugeben, damit das Werk als eine reine Reemtsma -Stiftung bezeichnet werde könne. Gertrud Reemtsma war zu überzeugen, und Kokoschkas Triptychon »Thermopylae« wurde in ihrer Gegenwart feierlich der Hamburger Universität überantwortet.
Kurt A. Körber verwendete seine wiedergewonnenen 80 000 Mark zur Unterstützung der Hamburger Kunsthalle. Dort deponierte er vor kurzem auch eine Kollektion riesiger Schachfiguren aus der Werkstatt der Bildhauerin Germaine Richier, die ihn, so sagt er, ein »Schweinegeld gekostet haben«, obwohl er sie nicht schön findet.
Er gehört nicht zu dem Heer von reichen Spendern, die ihr Geld geben für allerlei sogenannte und wirkliche gute Zwecke, von denen keiner ihnen näher vertraut geworden ist, und sich dann wieder abwenden, in dem Gefühl, das Ihre getan zu haben. Stiftungen sind für ihn wie eigene Unternehmungen. Zu ihrem Gedeihen wendet er seine robusten kaufmännischen Energien nicht weniger an als die Erfindergabe, die in seinem zuversichtlichen Gemüt ohne Unterlaß gärt.
Er legt sich bei Blutspender-Aktionen deutlich sichtbar als erster nieder und hält den Arm hin, mit dem Erfolg, daß in seiner Fabrik 25 Prozent der Belegschaft desgleichen tun, fünfmal soviel wie im deutschen Durchschnitt.
In der nationalen Paralyse des 13. August 1961 mußte ein Körber seiner praktischen Veranlagung einfach Luft machen: Er rief, wie er das gerne tut, seine Bergedorfer Belegschaft zusammen, um mit ihr gemeinsam unter der deutschen Misere zu leiden und ihr, statt der Teilnahme an einer Protestkundgebung; eine Überstunde zugunsten von Ostflüchtlingen zu empfehlen.
96 Prozent der Arbeiter folgten ihm.
Auf die 22 000 Mark, die dadurch eingearbeitet wurden, legte der Unternehmer 22 000 aus der eigenen Tasche. »Die
Opferbereitschaft ist riesengroß«, triumphierte er, »man muß nur deutlich genug sagen, wofür.«
Selbstverständlich sah Kurt A. Körber auch in dem Mord an John F. Kennedy den Anlaß zu einer Betriebsversammlung. Diesmal forderte er den Nachwuchs seines Werkes auf: »Gründen wir eine Kennedy-Mission! Ich stifte mal als erstes 20 000 Mark.« Er hatte wieder einen seiner phantastisch einfachen Gedanken, der ihn nun nicht losließ. Die Lehrlinge sollten an ihren Maschinen Silberfische aus Leichtmetall ausschneiden und sie alten, einsamen Bewohnern von Bergedorf bringen. Dies, schärften sie den Überraschten ein, sei ein Zeichen, ins Fenster zu hängen, sobald sie Hilfe brauchten.
Ein Patrouillendienst der Körberschen Kennedy-Mission garantierte den einwandfreien Vollzug des Versprechens, bis die Sache sich allmählich totlief wie Körber glaubt, »weil die Nachbarn so einen Fisch im Fenster ihres Hauses als Schande empfanden und lieber anfingen, selber zu helfen«.
Den Sonntagsmaler Körber, für den man in jedem seiner Firmenbüros in Tokio, in Richmond oder Mexico City eine gebrauchsfertige Ausstattung für seine bekannt eiligen Arbeiten mit Pinsel und Stichel griffbereit hält, treibt eine fröhlich zur Schau getragene Unrast, stets an irgend etwas herumzumodellieren.
Von Körber stammen Idee und Geld für die Lostrommel der Fernseh-Lotterie »Ein Platz an der Sonne«, die, wie es bei ihm heißt, »effektiv größte vollautomatisehe Lostrommel der Welt«.
Von Körbers Manie, gestaltend um sich zu greifen, zeugt das Blumenbeet vor seinem Bergedorfer Verwaltungsgebäude - angelegt in Form einer Palette -, zeugt auch seine Art, ein Gastgeber mit erhobenem Zeigefinger zu sein.
Manchmal lädt er zwei Dutzend Freunde ins Hotel zum Essen ein (dunkler Anzug) und veranlaßt sie, sich mit ihm an allerlei sinnreichen Unterhaltungsspielen zu erfreuen, etwa, reihum eine Stegreif-Ansprache unter Verwendung bestimmter Worte zu halten. Im Hamburger Hotel »Vier Jahreszeiten« sträubte sich die Küche anfänglich, ihm eine Marzipantorte mit der Aufschrift KPD zu bereiten. Dabei war sie nur Requisit für ein Quizspiel, bei dem die Gäste - darunter der evangelische Theologe Helmut Thielicke - um den Preis einer von Körber gestifteten Flugreise nach Teneriffa herausbekommen mußten, daß die drei Buchstaben in diesem Fall als Kürzel für die von Körber erfundene Bezeichnung »Kulturfördernde Persönlichkeiten Deutschlands« standen. Kein Zweifel: Für eine solche Persönlichkeit hält er sich selbst, und mit Recht.
Der Herr der Hauni-Werke war der erste Unternehmer der Bundesrepublik, der auf eigene Faust und eigene Kosten regelmäßigen geistigen und gesellschaftlichen Austausch mit Gewerkschaftsführern, mit Gesellschaftsforschern, Theologen oder Politologen sucht: Bei den von ihm einberufenen »Bergedorfer Gesprächen« im lokalen Schlößchen (dunkler Anzug) bereiten Tafelfreuden und ein bißchen Streichquartett die von weither anreisende Prominenz darauf vor, mit ihm über so komplexe Probleme zu debattieren wie den Kommunismus. Den Kommunismus, von dem er sich als Lieferant und Besucher der Sowjet-Union eine recht positive Vorstellung gebildet hat, und dem er bereit wäre, einen ganz neuen, den Körberschen Kapitalismus entgegenzusetzen.
Immer finden seine Gäste dabei ein amüsierliches Geschenk neben ihrem Gedeck. Ein Allzweck-Whiskyglas mit bronzenem Aschenbechersockel und einer in den Boden eingeschliffenen Lupe etwa, ein Allzweck-Feuerzeug - Gaben, die, Körbers Temperament entsprechend, jeweils verbunden werden mit einem langen, auf Wachstuch gedruckten Sinnspruch, dessen allzu launige, allzu naive Form zu Trugschlüssen auf das Gemüt des Stifters anregt.
Ein fideles kleines Männchen nach Art der Hummel-Postkarten ist dabei Körbers Hoheitssymbol: Er nennt es Haunikus. Man findet es auf allen Geschenken eingraviert, und ich glaube, in diesem Homunculus begegnet einem die Sehnsucht des Unternehmers. Haunikus, Luftikus, Hans im Glück will er im Grunde sein, ein famoser Mitmensch, der am Ende beglückt seinen Klumpen Gold wieder weggegeben haben wird.
Für den Fall seines Ablebens vermacht er den Betrieb nicht nur einer Stiftung, was auch andere Unternehmer mitunter tun, sondern hinterläßt obendrein eine vollkommene Verfassung, die eine Wahl seiner künftigen Nachfolger vorsieht, einschließlich der Möglichkeit, dieselben im Falle des Versagens durch Mehrheitsbeschluß eines erlauchten Wahlgremiums von Direktoren und Professoren wieder abzusetzen.
Das Lied vom guten Kapitalisten hat unendlich viele Strophen, deren Refrain immer wieder auf Geben hinausläuft: Körber rührt nicht der Skrupel an, ob es feiner Art entspricht, es öffentlich anstimmen zu lassen. Eben kein totaler Hanseat.
Bisher hat noch keine Dekoration ihn erreicht, ausgenommen die goldene Diesel-Medaille. (Das Bundesverdienstkreuz scheint für Menschen dieses Schlages nicht geschaffen.) Dafür fand er in seinem Tischgenossen Martin Beheim-Schwarzbach einen hingebungsvollen Apologeten. Jetzt auch im Buchhandel ("Bergedorfer Offensive«, Hans Christians Verlag, Hamburg).
Das ist ein Punkt, an dem sich vor allem im protestantischen Norden der Bundesrepublik die Geister scheiden: Über die eigenen guten Werke öffentlich zu reden, gilt als mangelhafter Stil, wo nicht gar als sündhafte Hoffärtigkeit.
Einem Hamburger Unternehmer, der seine erste Million noch nicht auf dem Konto hatte, als er sich seiner evangelisch-lutherischen Pfarrgemeinde durch die Stiftung eines Kirchenfensters für 30 000 Mark erkenntlich zeigte, gelang es trotz wiederholter Bitte nicht, vom Pfarrer als Spender erwähnt zu werden.
Um gelegentlich wenigstens Verwandten das schöne Exempel seiner Opferbereitschaft und der modernen Glasmalerei vor Augen führen zu können, erbat der Stifter sich einen Schlüssel zur Kirche. Aber selbst damit biß er auf Granit. Künftig wurde die Kirche von ihm nicht mehr bedacht. Denn ihm war es darum zu tun, wie die gottgefälligen Geber im puritanischen Nordamerika sein Beispiel im Kirchensprengel zur Nachahmung empfohlen zu sehen.
Wenn der Firmen-Teilhaber Hermann Reemtsma der Stadt Hamburg auf ihrem Grund das Barlach-Haus mit den bedeutendsten Werken dieses im Dritten Reich verfemten Bildhauers verehrte, so ist das einer der Fälle, in denen die Güte des Kapitalisten sich einfach nicht verheimlichen ließe. Ähnlich offen wäre unweigerlich die Mitwirkung der Zigaretten-Fabrik bei einem geplanten Hamburger Volkspark mit Pferdebahn.
Doch schon die Frage, ob das Altersheim, das der Firmenchef Philipp Reemtsma nach dem Kriege an der Hamburger Bernadotte-Straße stiftete, unbedingt eine Stiftertafel mit seinem Namen tragen muß, ob die Spende einer halben Million für die neue Ruhr-Universität, oder die von 550 000 Mark für ein Kokoschka-Bild der Hamburger Kunsthalle im Namen Reemtsma an die große Glocke gehängt werden darf, verursacht den deutschen Puristen der
guten Tat ein diskretes, anhaltendes Kopfschütteln.
Auf ihr Konto geht es zum großen Teil, wenn man öffentlich nicht davon Notiz nimmt, daß die deutschen Kapitalisten mitunter besser sind als ihr Ruf.
Ihren Musterfall kann man im wortkargen Wirken des Hamburger Importeurs Alfred Toepfer sehen, einem Hai im internationalen Getreidehandel, der sich nach Feierabend in einen selbstlosen Philanthropen und Naturfreund verwandelt. Diesem reichen Mann, den man an Sonntag-Abenden dabei beobachtete, Papierabfälle von den (mit seinem Geld erhaltenen) Wanderwegen der Heide aufzuspießen, gelang es jahrzehntelang, seine Urheberschaft an der sogenannten F.V.S.-Stiftung im dunkeln zu halten. Bis heute behauptet er, nicht entscheiden zu können, ob er bei ihrer chiffrierten Bezeichnung mehr an Friedrich von Schiller oder an den Freiherrn vom Stein gedacht habe.
Nach ihrer Gründung im Jahre 1931 wurde aus dem Vermögen dieser Stiftung zunächst der Bau von Jugendheimen und Herbergen finanziert. Dann wurden bis 1965 dreihundert Kulturpreise und mindestens ebenso viele Stipendien verliehen sowie Naturschutzparks und andere Einrichtungen zur Erhaltung der Landschaft finanziert.
Mehr als zwölf Millionen Mark flossen für diese Zwecke aus dem Fonds, der von dem einen Hanseaten allein und, wie er sagt, zu mehr als 95 Prozent »aus vollversteuerten Kapitalien« gespeist wurde.
100 000 Mark werden alljährlich allein als Gottfried-von-Herder-Preis
von der Wiener Universität an Wissenschaftler aus sieben Ländern Ost-Europas vergeben, die im Krieg von der deutschen Wehrmacht besetzt waren. Jeder der sieben Ausgezeichneten kann seinerseits noch einmal einen Kandidaten für ein Jahresstipendium an der Wiener Universität benennen.
Sachwalter des weit ins internationale Kulturleben verzweigten finanziellen Engagements von Alfred Toepfer sitzen in New York (Alexander-von-Humboldt-Stiftung), in Vaduz und Basel (Johann-Wolfgang-von-Goethe-Stiftung). Seiner Stifterhand entsprangen der begehrte Freiherr-vom-Stein-Preis für vorbildlich soziale Haltung, der Berliner Friedrich-von-Schiller-Preis für »Verdienste um die Pflege des Gedankens der deutschen Einheit«, ein Shakespeare -Preis in England, ein Rembrandt-Preis in den Niederlanden und ein Henrik -Steffens-Preis in Skandinavien.
So unbeirrbar und uneingeschränkt vollzieht der Kaufmann seine sozialpolitische Kür, daß seinen Erben der Gedanke an ihre künftigen Revenuen Beklemmungen bereiten könnte.
Ein Mäzen von solcher Distinktion gibt den Reichen ringsum jedenfalls keine Veranlassung, sich ihrer Knauserigkeit zu schämen. Er macht es ihnen leicht, seine Opfer zu übersehen. Was ihm eine erstrebenswerte hanseatische Tugend scheint - die diskrete Wohltat -, wird von viel Reicheren oft aus wesentlich anderen Motiven bevorzugt: Sie scheuen vor dem Licht, das in einer demokratischen Gesellschaft wie zwangsläufig auf den vermögenden Kaufmann und Unternehmer fällt. Sie empfinden das Mißverhältnis zwischen ihren Dotationen und ihrem privaten Aufwand und wollen beides jeder öffentlichen Betrachtung entzogen wissen. Sie sind vom Ziel ihrer finanziellen Zuwandungen nicht überzeugt und wünschen nicht, sich durch deren Bekanntmachung die Fürsprecher anderer Ziele auf den Hals zu ziehen, von denen sie vielleicht noch weniger überzeugt sein würden.
Der Wille zum diskreten Opfer kennzeichnet in der Bundesrepublik keineswegs, wie gerne behauptet wird, den althergebrachten Reichtum. Ebensowenig ließe sich der Vorsatz, sich öffentlich als gutes Beispiel beliebt zu machen, als eine typische Eigenheit von Neureichen erklären.
Einerseits entdeckt man Herren von neuem Reichtum, die durch klamme Zurückhaltung nicht nur Geld sparen, sondern sich als gereifte Geldleute erweisen wollen. Andererseits ziehen nicht selten Erben uralten Industrie- und Adelsvermögens den Vorhang auf, um eine moderne Einstellung zu Publikum und Publicity zu beweisen.
Helmut Horten hat in Düsseldorf einmal 2,5 Millionen für ein Pflegeheim der Caritas ausgegeben, mehr jedenfalls, als ihn später die Brillanten seiner Wiener Lebensgefährtin Heidi, geborene Jelinek, gekostet haben sollen. Mit einiger Mühe findet man seinen Namenszug an der verschlossenen Hinterpforte dieses schlichten Hauses der Nächstenliebe, das im übrigen aber nicht nach ihm - sondern nach dem Herzen Jesu - benannt ist.
Dr. Günter Henle, der Herr des Duisburger Klöckner-Konzerns, der seine erstklassige Sammlung niederländischer Meister gelegentlich ausstellt und
in seinem eigenen Liebhaber-Verlag die Originalpartituren musikalischer Meisterwerke herausgibt, stiftete in seinem Wohnort Duisburg einem Krankenhaus die erste nuklear-medizinische Abteilung in der Bundesrepublik und in seiner Verlagsheimat München für 400 000 Mark eine der größten Brunnen-Anlagen. In Duisburg ließ er seinen Namen auf eine Stiftertafel setzen. Sein Brunnen in München trägt lediglich die Inschrift: »Kein Trinkwasser«.
Hinweise darauf, daß der Fürther Umsatz-Milliardär Max Grundig seiner Stadt »größere Summen« für soziale Zwecke gestiftet hatte, erschienen, offenbar auf eine amtliche Indiskretion hin, vor drei Jahren in den Lokalnachrichten, als dem mächtigen Mit-Fürther die Ehrenbürgerschaft verliehen wurde. Grundigs Public-Relations-Chef behauptete, er habe selbst erst auf diese Weise von einer so gezielten Wohltätigkeit seines Vorgesetzten gehört. »Herr Grundig«, erklärte er, »möchte das nicht, daß er mit seinem Namen hervortritt.« In Italien gibt es ein Sportstadion, das seinen Namen trägt, aber dafür hat er keinen Pfennig bezahlt. Geschäftsfreunde haben es nach ihm so benannt.
Die Geschäftsleitung des Familien-Konzerns Henkel (Persil) verweigert getreu dem Stil der Familie jegliche Auskunft über die Leistungen auf derartigen Gebieten, obwohl, wie man mir andeutete, »irgendwo schon auch mal 'ne Million gestiftet worden ist« (nämlich für die sogenannte Dr.-Jost-Henkel-Stiftung, die, ursprünglich als Stipendienfonds für den Firmen-Nachwuchs gedacht, zum Teil der Allgemeinheit zugute kommt).
Mit einer Million ist nicht viel Staat zu machen bei einem Jahresumsatz von 1900 Millionen. Doch verstehen es viel Reichere, sich mit vergleichsweise geringen Auslagen in den Ruf hervorragenden Mäzenatentums zu bringen.
Alfried Krupp von Bohlen und Halbach in Essen stellte seine Villa Hügel, dieses architektonische Unding, mit dem er nichts mehr anzufangen wußte, samt den weniger wertvollen Stücken der Kruppschen Kunstsammlung als Tempel der Musen zur Verfügung und erntete damit weltweite Hochachtung. Die Ausstellungen dort haben dem Namen Krupp weit mehr gedient, als die 2,5 Millionen, die dabei im Laufe der Jahre zugeschossen wurden, es je auf dem Werbe-Etat hätten tun können.
Daß Alfried Krupp wegen der Leihgaben für die Ausstellung indischer Kunst ein Gespräch mit Nehru führte, daß Berthold Beitz wegen der Freigabe von Bildern für die Canaletto -Ausstellung seine östlichen Verbindungen bis hoch hinauf strapazierte, verlieh den Hügel-Angelegenheiten das Brio allerhöchsten Ehrgeizes.
Gelegentlich verlassen solche geliehenen Kostbarkeiten die Villa Hügel wertvoller als sie hinkamen. Die Grabstele des Anaxander wurde für eine Ausstellung bulgarischer Kunstschätze zum Preise von 60 000 Mark restauriert. »Der Kerl war ja einzementiert«, sagt Professor Hundhausen, von Krupp mit der Leitung des gemeinnützigen Vereins »Villa Hügel e. V.« betraut, dessen Jahres-Etat in Höhe von 330 000 Mark sich aus festgesetzter Einzelbeträgen der Kruppsehen Betriebe summiert.
Mehr als die Fortführung der defizitären Kruppschen Krankenanstalten, für die wegen Personalmangels kürzlich sogar 27 Krankenschwestern aus Japan nach Essen geflogen wurden, mehr auch als die Projektierung eines neuen Krankenhausturmes nach amerikanischen Vorbildern, poliert die Aktivität auf dem Hügel das Firmenschild mit den drei Ringen.
Das Bolschoi-Ballett kommt zu Gast, Indologen, Ägyptologen, Koptologen und die deutschen Olympioniken treffen sich in den Räumen, auf deren Tapeten anfangs der Kultur-Kritiker Schulze-Vellinghausen noch die Soßen-Flecke einer großen Kapitalisten-Dynastie wahrzunehmen vermeinte.
Bei so regem Kulturleben auf Kosten eines noblen Kapitalisten -denkt außer den Kennern deutscher Privatsammlungen niemand an die Auslese wahrhaft kostbarer Gemälde in der wohlgehüteten Familien-Sammlung derer von Bohlen und Halbach, auf die seit dem Kriege kein gewöhnlicher Sterblicher einen Blick werfen durfte.
Aus dem reichen Geber einen Mäzen zu machen, von dem eine homöopathische Wirkung auf das schäbige Image des Begüterten in der Bundesrepublik ausgeht, dazu ist in der Regel - die Villa Hügel lehrt es - mehr erforderlich als die Bereitschaft, sein Scherflein beizutragen: vielleicht sogar eine Idee.
Rudolf August Oetker, der unter den Reichen als knauserig verschriene Reeder aus Bielefeld, ließ immerhin Philip C. Johnson, einen der ersten Architekten Amerikas, herüberkommen, um ihm den Bau eines neuen Kunsthauses für Bielefeld in Auftrag zu geben.
Dieser spröde Kaufherr ohne Hobby, der nach einem wissenschaftlichen Vortrag in seiner Heimatstadt dem Redner gestand, ihn interessiere in Wahrheit überhaupt nur, was unterm Bilanzstrich stehe, finanzierte in Hamburg den Bau eines siebenstöckigen Studentenheims und wird demnächst ein ähnliches Heim für Kiel übergeben können. Über den Portalen steht in leuchtenden Buchstaben, in wessen Namen diese Häuser entstehen: »Studentenheim der Dr. August Oetker-Stiftung«. Es ist der Name seines Großvaters.
»Früher ging man zum Fürsten, heute geht man zum Wirtschaftler«, behauptet der erfolgreiche Enkel, der, wie alle Konzernherren seiner Größenordnung, ein eigenes Sekretariat für Bittgesuche unterhalten muß. Denn mit den Leistungen der Stiftung ist es nicht abgetan, abgesehen davon, daß er - unter erheblichen Steuervergünstigungen - Kunstwerke erwirbt. Gelegentlich auch große Kostbarkeiten, die er zum Teil in deutschen Museen ausstellt, zum größeren Teil allerdings in seinen Häusern und Schiffen aufhängt. Auf sie ist er stolz: Einen erstklassigen Niederländer an sich zu reißen, gleicht heute einem geschäftlichen Fischzug.
Gustav Schickedanz krönte seinen geschäftlichen Aufstieg durch die Idee für ein Opfer, die er nicht geheimzuhalten begehrte. Aus dem Gewinn seiner Quelle, seiner Papierfabriken und Brauereien stiftete der eisern gütige Puritaner seiner Stadt Fürth das Geld für eine Gustav-Schickedanz-Sporthalle, eröffnete einen reichlichen Stipendienfonds für begabte junge Leute, denen die Mittel zum Studium fehlen, baute ein kleines Altersheim, zahlte die Orgel für seine Vorortkirche in Dambach und die Fenster für die Paulskirche in Fürth. Erkenntlichkeiten, die sich bisher auf zusammen sieben Millionen Mark belaufen.
Kein weltbewegender Opfergang für einen Menschen, durch dessen Kassen im Jahr 2200 Millionen Mark rollen. Und doch, er gestand es mir, ist es ihm nicht leichtgefallen, sich davon mitten im schwindelerregenden Wachstum seines Betriebes zu trennen, dessen Bedarf an Investitionen frisch gewonnenes Kapital in jeder Menge wie ein Schwamm in sich aufnimmt.
»Aber ich habe mir gesagt, ich bin alt«, seufzt er, »und ich wollte das mit den Stiftungen noch erleben, nachdem ich es mir so lange vorgenommen hatte.«
Auf den Bargeldbedarf ihrer in zunehmenden Konkurrenzkampf mit großen Kapitalgesellschaften verwickelten Betriebe berufen sich auch die erfolgreichen deutschen Unternehmer gerne, wenn von mäzenatischen Verpflichtungen des reichen Mannes die Rede ist.
»Wir sollen für den VW ein automatisches Getriebe entwickeln«, erzählt mir der Schweinfurter Kupplungs-Kapitalist Ernst Wilhelm Sachs, »das kostet erst mal 50 Millionen, und das Volkswagenwerk kümmert sich nicht, woher wir die nehmen. Hätten wir sie nicht, dann macht das Geschäft ein anderer.«
Trotzdem bleibt noch ein Rest, genug, auch seinen Namen in die Spenden-Chronik der Familie einzuritzen: Vom Großvater Ernst bekam die Stadt das Hallenbad mit dessen Namen, Vater Willy schenkte ihr ein Stadion das nach ihm benannt ist. Unter der Ägide des Enkels Ernst Wilhelm stiftete das Werk eine Million für den Bau des Schweinfurter Politechnikums. Mit dem Namen des neuen Konzernchefs aber, dessen rechter Fuß wie magnetisch' von jedem besseren Gaspedal angezogen wird, verbindet sich die Halbmillionen-Stiftung eines Klub-Hauses am Hockenheim-Ring. Dazu kommt der häufige kleine Aderlaß für Bedürfnisse der Gemeindekultur oder des Sportes, dem der Geldmann sich in verbindlicher Haltung zu unterziehen hat.
Bei Rennfahrer Mayenburgs Angriff auf den Geschwindigkeits-Weltrekord für Motorboote der 900-Kilogramm-Klasse den Finanzier zu spielen, konnte man den drehfreudigen Unternehmer leicht überreden, zumal die Sache sich am Wörthersee in angenehmer Atmosphäre abwickeln ließ. Noch leichter war die kontaktfreudige Unternehmersfrau zu überzeugen,
daß man das neue Schweinfurter Stadttheater, zu dessen Bau die Sachs-Werke ihren Obolus von 50 000 Mark bereits erstattet hatten, nicht ohne einen Vorhang lassen könne.
Schweinfurts Oberbürgermeister Georg Wichtermann soufflierte der gnädigen Hausfrau im Verlaufe einer Jubilarfeier im Werk das Problem auf eine so diplomatische Weise, daß es ihr dringlich und klein genug erschien, über den Rand des Glases hinweg Abhilfe zu versprechen. Da bedankte er sich schnell und galant wie ein rechter Sozialdemokrat und überwies ihrem Gemahl den Kostenvoranschlag für den Theatervorhang, bei dem auch so ein Unternehmer schon ein bißchen schluckt, denn er belief sich auf 40 000 Mark.
Rechnet man's zusammen, so haben Ernst Wilhelm und sein Bruder Gunter, der von alldem nichts weiß und es für seine mäzenatische (und gewinnbringende) Spezialität hält, noch nicht ganz arrivierte Maler durch großzügigen Kauf ihrer Bilder zu Arrivierten zu machen, binnen zehn Jahren fünf Millionen Mark aus dem Firmentopf hergegeben. Das ist nicht wenig, wenn auch sicher weniger, als Brüderlein fein in Paris und anderswo in der gleichen Zeit verlebt hat.
Bedeutende Aktionäre, die ihren Reichtum in erster Linie mit der Schere vermehren, verweisen gerne darauf, daß es den Inhabern großer Betriebe relativ leicht falle, vom Firmenerlös eine Scheibe für die allgemeine Wohlfahrt abzuschneiden. Sie aber als Dividenden-Empfänger müßten ihr Mäzenatentum von dem bereits versteuerten Gewinn aus Gesellschaften bestreiten, die ihrerseits ein beträchtliches Quantum an Spenden vor der Bilanz bereits abgeführt haben.
Manchmal mengt sich die Freigebigkeit von Aktiengesellschaften innig mit der ihrer tonangebenden Aktionäre. Das verhältnismäßig einfache Mäzenatentum des mächtigen Siemens-Konzerns gipfelte in der Gründung einer Stiftung, die ihren Namen nach dem großen, letzten Firmenchef Carl Friedrich von Siemens hat.
Es ist ihr Zweck, aus einem erweiterten ehemaligen Kavaliershaus am Nymphenburger Schloß zu München einen »Ort der Begegnung zwischen
Menschen verschiedener Generationen und verschiedener Berufe zu machen und damit insbesondere der Jugend zu dienen«.
Was die Häuser deutscher Industrieller nicht mehr sind, das soll - mit akademischem Anspruch - aus dieser gesellschaftlichen Retorte werden: ein Salon für musische und geistige Diskussion beim kleinen Abendimbiß. Das Programm wird nur einem esoterischen, je nach Themen wechselnden Kreis zugänglich gemacht und läßt nicht viele Abende im Jahr ungenutzt.
In dieses Stifterobjekt, wird bei Siemens angedeutet, werde wohl der heutige Chef des Hauses, der wenig gesellige Junggeselle Ernst von Siemens, einen Teil seines persönlichen Vermögens eines Tages einmünden lassen. Seine Hand, wenn schon nicht sein Geld, macht sich auch in anderen musischen Anstrengungen des zweitgrößten deutschen Unternehmens bemerkbar, an dem seine Familie heute nur noch mit etwa fünf Prozent beteiligt ist. Die Schallplatten-Produktion »Archiv«, mit ihrem - scheinbar - profitlosen Ziel, alte Musik mit wiederhergestellten alten Instrumenten stilgerecht zu reproduzieren, war von ihm a priori als ein vornehmes Liebhaber- und Zuschuß -Unternehmen gefördert worden.
Er selbst, ein angesehener, aktiver Dilettant auf dem Gebiet der Botanik, ist auf diesem Gebiete andächtiger Konsument; wer bei den Schallplatten-Konzerten in seinem Hause zu sprechen wagt, muß damit rechnen, nicht mehr eingeladen zu werden. Sein Generalsekretär studierte Musik, und sein Neffe Peter, der designierte Nachfolger für den Vorsitz im Aufsichtsrat, mietet sich als ausgebildeter Dirigent gelegentlich zum Schallplatten-Tarif den Kammermusik-Kreis der Münchner Philharmoniker, um im Takt zu bleiben.
Wider Erwarten wurde aus der Archiv-Serie ein Geschäft. Vom Studio für Klangforschung, einer für Millionenbeträge im Untergeschoß des Siemens-Hauses am Münchner Oskar-von -Miller-Ring konstruierten elektronischen Apparatur, ist Ähnliches nicht zu erhoffen. Die AG, auf Spargang geschaltet, hat nun auf einmal von dieser musischen Belastung genug. Da bisher kein neuer Mäzen oder Verein gefunden werden konnte, der die Musikmaschinen aus dem Siemens-Keller heimführen möchte, fürchtet das musikalische München, dieses für Europa einmalige Kulturgut an eine andere Stadt zu verlieren.
Der Großaktionär Ernst von Siemens ist weniger robust und weniger reich als der Großaktionär Georg von Opel. Der bekennt sich freimütig zu seinen freiwilligen Guttaten, während die Herren von Siemens sich über den finanziellen Umfang ihres kleinen Mäzenatentums in Andeutungen ergehen. Der sagt rundheraus, daß er jedes Jahr für seinen speziellen sozialpolitischen Parade-Akt, an dem er selbst allerhand Spaß hat, eine halbe Million hinlegt; mehr sogar als die höchstens zehn Prozent seines Einkommens aus eigenen Fabriken und dicken Aktienpaketen, die er nach Paragraph 10 b des Einkommensteuergesetzes für gemeinnützige wissenschaftliche Aufwendungen absetzen könnte.
Den Löwen-Anteil davon verschlingt der für jedermann kostenlos zugängliche Opel-Tiergarten im Taunus; dazu stiftet Opel unentwegt für Sängerfeste, Schützenfeste und die Erfordernisse der Volksgesundheit, wie er als Fanatiker der sportlichen Leistungskraft sie versteht.
2000 Mark kostet ihn monatlich die »Stiftung Spazierengehen«, von ihm dazu ausersehen, die verfetteten Mitbürger durch Anstecknadeln in Form eines Schuhes zu regelmäßiger Bewegung unter Selbstkontrolle anzuspornen. 110 000 Mark hat er für die Ausbreitung einer ideellen »Verkehrs-Kameradschaft« drangegeben, in der bisher 40 000 Kraftfahrer durch bloßes Ausfüllen eines gelben Formulars geschworen haben, vorbildlich zu sein.
Jemand überzeugt ihn, daß es dringend notwendig sei, die physischen und psychischen Leistungskurven des Menschen einmal wissenschaftlich zu erforschen. Er schreibt einen Scheck über 10 000 Mark aus.
Eine Universität, der er in den letzten 15 Jahren bereits 100 000 Mark gespendet hat, schreit nach 5000, eine kunstgeschichtliche Bibliothek aus Italien anzuschaffen. Und er zahlt.
Beinahe wäre er sogar dem Sehwindel mit einem goldenen Buch für seine Wohngemeinde Kronberg aufgesessen, in dem er gegen Unkostenbeteiligung gewürdigt werden sollte. Sein kapitalistisches Mißtrauen sagte ihm gerade noch rechtzeitig, daß es sich bei dem teueren Band (Auflage ein Stück) nur um einen Trick mit der Einfalt der Reichen handelte.
Seine Leidenschaft für körperliche Ertüchtigung teilt sich naturgemäß den Continental Gummi-Werken mit, deren Großaktionär und Aufsichtsratsvorsitzender er ist. Im Einzugsgebiet des Werkes zehren zwei Dutzend Sport vereine von dessen Zuwendungen.
Die Orthopädische Heil- und Pflegeanstalt Hessisch-Lichtenau, eingerichtet vor allem für Contergan-Kinder und spastisch Gelähmte, wurde von einem Freundeskreis mit aufgebaut, dessen Präsident Georg von Opel ist. Die Deutsche Olympische Gesellschaft, die den Bau vorbildlicher Sportanlagen, Spielplätze und Turnhallen, die Produktion von Sportfilmen, die seelische und finanzielle Unterstützung sportlicher Hoffnungen fördert, hat ihn zum Präsidenten. In der »Arbeitsgemeinschaft für Freizeit und Erholung« ist er Präsident.
In solchen Ehrengeschäften versieht der Multimillionär Dr. h.c. Georg von Opel jedes Jahr so gegen 20 000 Bittbriefe mit seinem Namenszug und trommelt damit runde zehn Millionen Mark zusammen. Vermutlich, um immer genügend Füllfederhalter bei sich führen zu können, hat er außer der üblichen Einstecktasche links außen am Jackett noch eine zweite auf der rechten Seite.
Auch besitzt er einen grünen Jägeranzug mit goldener Kette. Den trägt er zwar nicht mehr als Jäger, da ihn die komfortablen Abschußpraktiken der Neureichen auf diesem Gebiet abstinent werden ließen, sondern auf den Festen des Deutschen Schützenbundes, dessen 566 206 Mitglieder ihn ebenfalls zum Präsidenten erkoren.
»Das mit den Schützen können Sie Karneval nennen«, kommt er mir entgegen, »aber das brauchen die Menschen.«
Da von Freigebigkeit die Rede ist, liegt die Anspielung nahe, dieser reiche Mann, hinter dem der hessische Fiskus seiner steuerlichen Geschicklichkeit wegen bereits mit den Zähnen knirscht, habe der Allgemeinheit in erster Linie sich selbst gestiftet.
Wollte man allerdings ernsthaft anfangen, die Opfer an Freizeit auch als eine Art Spendenkapital zu rechnen, so müßte die große Mäzenatenrolle im Sport dem kleinen Turnfunktionär zugesprochen werden, der nichts hingeben kann außer Feierabende: Nach einer Bilanz des Deutschen Sportbundes würde die ehrenamtliche Arbeit dieser Mannen bei Anwendung normaler Tarife mit jährlich 226 Millionen zu Buche schlagen.
Die Mangelerscheinungen der Wohlstandsgesellschaft und das zu ihrer Linderung tausendfältig geschaffene gemeinnützige Vereinswesen erschweren es den namhaften Reichen sehr, ihre eventuelle Großzügigkeit ausschließlich auf das zu richten, was ihnen am Herzen liegt. Ein beträchtlicher Teil der privaten Wohlfahrts-Einrichtungen, der wissenschaftlichen Forschung, des Kultur-, Vereins- und Sportbetriebes könnte ohne regelmäßige Zufuhr von Häppchen aus dem Gewinn der Wirtschaft nicht mehr existieren und heiligt den interesselosen Spender.
Sogar der extrovertierte Typ des Multimillionärs, der mit dem vehementen Bedürfnis, sich auch außerhalb seines Betriebes ein Monument zu setzen, läßt es dann doch meist mit einem kleinen Denkmal bewenden und trägt sich gern in alle Listen ein, mit denen ohne Unterlaß Krümel für edle Zwecke zusammengekratzt werden, So macht er seinen Frieden mit der Umwelt. So ist es auch besser fürs Geschäft.
Wenn Gustav Schickedanz für das fränkische Vereinsleben, für die Nürnberger Symphoniker oder den Windsbacher Knabenchor, den man bei seinen Familienfeiern tirilieren hört, das Scheckbuch öffnet, hängt das innig mit den Interessen an gewissen Quelle -Schwerpunkten zusammen; ist aber doch wohlgetan.
An Offenburgs katholischem Buntdrucker Franz Burda oder Dingolfings katholischem Autofabrikanten Hans Glas hat die Kirche ihres Geldsegens wegen ein Wohlgefallen, auch wenn sie zum Gottesdienst nicht erscheinen und ketzerische Bemerkungen machen. Imperator Hans: »Ich glaube an Gott den Allmächtigen, aber dann muaß a Ruah sein.« Imperator Franz: »Ich gehe nur an Weihnachten in die Kirche, und dann in der Hauptsache aus musikalischen Gründen.«
Glas, Burda, Schickedanz, der Schweinfurter Sachs-Bruder, die Wurst -Dynastie Schweisfurth in Herten oder die Kornwestheimer Schuhhersteller -Familie Sigle verkörpern jene Spezies des Provinz-Patriziats, die im kleinen Fähnlein der reichen Stifter durch die Buntheit ihrer Spendierhosen hervorsticht. Nach Fürstenart, nur selten in fürstlichem Umfang, säen sie ihre Gaben in die nähere Umgebung.
Kein Sport, kein Spaß, kein Spiel, zu dem in Dingolfing nicht der alte Glas seinen Geldsegen erteilt hätte. Keine Beerdigung in Kornwestheim, bei der man nicht auch der Salamander-Sigles gedenken könnte. Denn von ihnen stammen die Friedhofskapelle, das Friedhofsmosaik und die Friedhofsorgel ihrer Gemeinde, die der Marke Salamander die Erhebung zur Stadt dankt.
Doch damit nicht genug: Die Kirchenglocken (für beide Konfessionen), 100 000 Mark fürs Gymnasium, 500 000 Mark fürs Altersheim, eine Stiftung für die Armen und für die armen Begabten, eine Viertelmillion für den Stadtpark - das alles summiert sich zu einem Potpourri der Gutwilligkeit, das es den Mitbürgern schlechthin unmöglich macht, Leute wie die Sigles für gewinnsüchtig zu halten.
Diese Familie könnte sich wohl messen mit den aristokratischen Fürstenbergs, die in Donaueschingen die Musikfestspiele ermöglichen, oder dem Fürsten von Thurn und Taxis, der in Regensburg eine halbe Million für Studienhilfen stiftete und gemäß einer Überlieferung auch heute noch jeden Mittag 340 Bedürftige in einem Saal seiner Residenz frei verköstigt.
Der Fürst wiederum könnte sich darauf berufen, daß er nach dem Kriege zehn Millionen Mark hat aufbringen müssen, seine unter Denkmalsschutz gestellten Schlösser zu erhalten.
Es ist unmöglich, nicht an Franz Burda zu denken, wenn man nach Offenburg kommt; tonangebend, breitspurig beherrscht er die kleine Stadt-Gesellschaft. Seine Geschäftshäuser, sein Steuerbeitrag überragen alles; Dazu braucht er nur geringfügige künstlerische Monumente seiner Anwesenheit zu hinterlassen: die Ursula-Säule auf dem Marktplatz von Offenburg, ein Gutenberg-Denkmal vor seiner Verwaltung, den Philippus-Brunnen im nahen Philippsburg, wo er geboren und am Tage der Brunnen-Einweihung zum Ehrenbürger erhoben wurde.
Befriedigt nimmt er zur Kenntnis, wie man ihn den »Kaiser Franz« nennt, hält aber vom Direktions-Büro im obersten Stock seines Büroturmes doch Ausschau nach größeren Kreisen für seinen Stifter-Ehrgeiz.
In München stiftet er für einen Burda -Kunstpreis 40 000 Mark im Jahr. Sonderliches Ansehen hat ihm das an der Isar nicht gebracht, obwohl die Stadt von den eigenen Reichen nicht sehr verwöhnt wird.
Einige sind dort mit dem Hut in der Hand zu Mäzenen geworden, indem sie ihren Mitbürgern für den Wiederaufbau und die Verschönerung Münchens Millionen-Beträge abknöpften. Der Hutfabrikant Curt M. Zechbauer, einer der größten Nutznießer am Auftrieb der Münchner Grundstückspreise, mobilisierte die Spender für ein Siedlungsprojekt, das den letzten tausend Evakuierten die Heimkehr in die alte Heimat ermöglichte. Der Pfanni-Hersteller Werner Eckardt spannte sich vor eine Bürgergemeinschaft, die in einem Jahr drei Dutzend Kinderspielplätze finanzierte.
Der Name des Kaufhaus-Besitzers Gustl Feldmeier, einer Falstaff-Gestalt mit durchdringender-Baßstimme, ist mit vielen Projekten des Münchner Wiederaufbaus und des urbanen Denkmalskultes so eng verbunden wie die Bauchbinde mit der Zigarre. Mit Behagen läßt er sich einen »Millionen-Bettler« nennen: Das besondere Verdienst dieser Spezies von Reichen ist es ja, selbst nur den ersten Obolus in den Hut zu legen, den dann die Mitbürger füllen sollen.
Die Mehrheit der Multimillionäre in München zieht freilich den Kopf ein, wenn die Rede auf so spektakuläre Gelegenheiten für das leidige Geldausgeben kommt. Zu den vornehmlich Zurückhaltenden gehört auch der kunstsinnige Bankier, Großagrarier und Großaktionär August von Finck der im Rufe steht, Bayerns reichster Mann zu sein, und für ein Muster an Bescheidenheit gilt, weil man ihn gelegentlich mit schiefgetretenen Absätzen oder mit VW beobachtete.
Seine letzte auffallende Tat als Mäzen liegt schon etwas zurück: Ihm besonders und seinem Einfluß auf die deutsche Industrie ist es zuzuschreiben, daß Adolf Hitler das Haus der Deutschen Kunst beschert wurde.
Figuren wie die Reemtsmas, wie Körber oder Toepfer scheinen im kleinbürgerlichen Humus dieser Region nicht zu gedeihen. So kann ein Möbelkaufmann und Innenarchitekt namens Hans Ziersch, dem das Glück unter anderem die deutsche Lizenz für String-Regale in den Schoß warf, für sich den Ruf überragenden Mäzenatentums in Anspruch nehmen: Er richtet seiner Stadt ein kleines Museum ein. Seine Sammlerliebe gilt dem Jugendstil, und in der Villa des berühmten Jugendstil-Malers Stuck, die er für 1,5 Millionen Mark erworben hat, will er dieser Liebhaberei nun zu einer immerwährenden Kultstätte verhelfen.
Dafür hat er sich als Kaufmann zu wenig schmackhaften Steuerkonditionen von einem bereits verdienten Vermögen getrennt, während der Großindustrielle Georg Schäfer seinem Schweinfurt den Museumsbau bisher - nur immer versprochen hat, für den er - mit eigenem Sammlungsdirektor und großem Steuernachlaß - seit vielen Jahren Gemälde der romantischen Epoche in seinen Besitz bringt.
Wie man sich in einer Industrie-Gesellschaft zum Mäzen macht, darüber gehen die Meinungen unter den Reichen eben auseinander, Manche stiften günstig angekaufte Bilder, erhalten vom beschenkten Museum den höheren Marktwert bescheinigt und machen so ihren Schnitt mit der Steuer. Manche richten zerbombte Baudenkmäler für ihre eigenen Zwecke wieder auf und zahlen dafür jahrelang keine Steuern. Es gibt wenig, womit der Allgemeinheit nicht gedient wäre.
Die erhabenste Version, die Hingabe des Besitzes an eine Stiftung mit gemeinnützigen Zielen, schreckt die Besitzenden wie eine sozialistische Fiebervision, selbst wenn ihnen beim Gedanken an ihre Erben und die Erbschaftssteuer vor der Zukunft grauen müßte.
Der gelehrte Mitbesitzer Ernst Abbe hat zwar bereits 1891 durch die Umformung der Carl-Zeiss-Werke in ein Stiftungsunternehmen bewiesen, wie vorzüglich geschäftliche Selbständigkeit und das in der kapitalistischen Wirtschaft lebensnotwendige Profitstreben zu einer gemeinnützigen Verwendung der Überschüsse passen. Doch haftet dem Gedanken, auf dem Altar des öffentlichen Wohls nicht nur Steuern, nicht nur Geschenke nach. Laune, sondern einen stetigen Anteil, ja vielleicht den Hauptanteil am Reingewinn des Unternehmens niederzulegen, nach wie vor der haarsträubende Charakter des Unwiderruflich an: Das ist, als ginge man ins Kloster.
Robert Bosch, ein Gegner Hitlers, dem einst die linksradikale Familien-Freundin Klara Zetkin und seine eigenen Töchter Margarete und Paula die Auseinandersetzung mit dem Sozialismus ins Haus trugen - nuancenreicher, als einer der wichtigen Kapitalisten der Bundesrepublik sie zu führen gewillt wäre -, ist bis auf weiteres der letzte Industrie-Souverän geblieben, dem sein Werk zu bedeutend schien, um in erster Linie der Sättigung einer Familie zu dienen.
Er hinterließ 1942 den Letzten Willen, mit den Erlösen seiner Firma (heutiger
Jahresumsatz: 2,9 Milliarden) in der Zukunft »neben der Linderung von allerhand Not vor allem auf Hebung der sittlichen, gesundheitlichen und geistigen Kräfte des Volkes hinzuwirken«.
Vor zwei Jahren erst war die Umwandlung beendet, in deren Ablauf seine fünf Erben 86 Prozent des überkommenen Grundkapitals (155 Millionen Mark) an die vom sterbenden Vater ins Leben gerufene Stiftung veräußerten. Da sie dafür nicht den Börsenwert, doch ein stattliches Vermögen nach und nach bar ausbezahlt bekommen, brachte die Stiftung vorerst nur wenige Millionen für ihre eigentlichen Ziele hervor. Einen Teil davon nahm das berühmte Krankenhaus, das Robert Bosch seiner Heimatstadt Stuttgart noch zu Lebzeiten bezahlt hatte.
Seine Erben könnten trotzdem ein opulentes Leben führen, wenn sie wollten. Aber sie verhalten sich - ungeachtet einiger ererbter Jagd- und Landsitze - wie bescheidener Mittelstand und tragen den sozialen Impulsen ihrer Jugend in Gestalt regelmäßiger sozialer Zuwendungen persönlicher und finanzieller Art Rechnung. Unter anderem erhalten sie gemeinsam eine Pflegestation für Opfer der multiplen Sklerose. Robert Bosch jun., ein ernster Wanderer und Sonntags-Maler und vom üblichen Luxus seiner Einkommensschicht vorerst so weit entfernt wie vom Genie seines Vaters, sagt, er spende jedes Jahr aus eigener Tasche 100 000 Mark.
Es sieht so aus, als habe den schwäbischen Fabrikanten Hermann und Ernst Mahle das Modell des alten Bosch zum Vorbild gedient, ihren Besitz, die von Hermann gegründete Kolben- und Kornpressoren-Fabrik (mit schätzungsweise 180 Millionen Umsatz), den gleichen edlen Zwecken zu weihen.
Sie übergaben ihrer Stiftung nicht 86, sondern 99,9 Prozent ihrer drei Gesellschaften, in denen sie - das alles ermöglicht das komplizierte, oft geschmähte deutsche Stiftungsrecht durchaus - auch mit einem zehntel Prozent noch ihre uneingeschränkte Souveränität in geschäftlichen Fragen behaupten. Das erste Ziel ihrer Stiftung erinnert aufs neue an Bosch: In Stuttgart wollen sie eine Poliklinik bauen.
Vorerst wird das alles noch weit übertroffen von den kulturellen Wirkungen des jährlichen Ertrages jener 100 Millionen Mark nominalen Aktienkapitals der August-Thyssen-Hütte, von denen sich die beiden in der Zeit des Nationalsozialismus verfolgten weiblichen Erben dieses Montangebildes freien Willens und auf Empfehlung von Konrad Adenauer für eine Stiftung lossagten. Es war diesen Damen, die ihre private Caritas deshalb nicht im mindesten einschränken, nicht vergönnt, die übrigen Herren an der Ruhr zur Nachahmung anzuregen.
Zu einer dauerhaften Ansiedlung gemeinnützigen Strebens unter seinem Hamburger Firmendach rüstet seit einer Weile der Verleger Axel Springer (Jahresumsatz: 1100 Millionen Mark). Die Stiftung »Die Welt«, welcher von der Besatzungsmacht Großbritannien beim Verkauf der gleichnamigen Tageszeitung an Springer ein Anteil von 25 Prozent gesichert worden war, um allerlei kulturellen Zwecken zu dienen und dem Blatt eine gewisse Unabhängigkeit von seinem Verleger zu sichern - diese ältere Stiftung mag nun in den
wuchtigeren Wohltaten einer Axel -Springer-Stiftung aufgehen.
Voraussichtlich werden diese weit über die Leistungen hinausreichen, die der Wanderfrohe Asket Reinhard Mohn, an Umsatz (500 Millionen) stärkster Buch-Verleger der Bundesrepublik, für die Allgemeinheit vollbrachte. Seine Technik der gemeinnützigen Tat scheint insofern beachtenswert, als sie sich weitgehend auf die Kümmernisse der Branche konzentriert.
Sie gipfelt darin, daß Mohn aus einer vor sechs Jahren gegründeten Jubiläums-Stiftung seines einst ganz im Pietismus wurzelnden Bertelsmann-Verlages insgesamt bisher 1,5 Millionen für die wissenschaftliche Erforschung der zukünftigen Entwicklung des Buchmarktes ausgab. Eine Wohltat, die dem deutschen Buchhandel und den Geschäften des Bertelsmann-Verlages eines Tages sicher zustatten kommen wird.
In ihre steuerträchtigen Geschäfte ganz eingesponnen, dürfen die neuen reichen Männer Verständnis dafür erwarten, daß sie manchmal mit ihrer Nächstenliebe ohne böse Absicht auf sich selbst zielen. Frankfurts Getränke -Unternehmer Generalkonsul Bruno Schubert sieht sogar eine seiner wesentlichen Leistungen für die Heimatstadt darin, mit der von ihm nebenbei betriebenen Immobilien-Firma Bürohäuser zu schaffen. Bürohäuser: Das bringt neue Firmen, neues Geschäftsleben, mehr Gewerbesteuer. Dafür kann eine Stadt sich schließlich kaufen, was sie will.
Außerdem, wie es bei Getränke-Herstellern so kommt, ist Schubert förderndes Mitglied von 50 oder 60 Vereinen, wieviel genau, kann er nicht sagen.
Und am Main will er helfen, eine Rollschuhbahn zu bauen. Da muß man nicht gleich fragen, ob Rollschuhlaufen durstig macht.
Durst wird es jedenfalls in dem riesigen Tanzschuppen geben, mit dem er die Jugend Frankfurts kulturell zu erfreuen gedenkt. Durst gibt es in dem aussichtsreichen Restaurant oben auf dem Getränkesilo seiner Henninger-Brauerei, mit dem er Frankfurt auch bereicherte. Ganz zu schweigen vom »Henninger-Turm-Rennen« der Radfahrer, das er alljährlich finanziert. Was gut ist für Henninger, ist meist auch gut für die Kultur.
Schubert hält seine regelmäßigen Wohltaten bei 15 000 Mark jährlich. Der Hühner-Griller Jahn hat dreimal soviel Umsatz und reserviert jedes Jahr 100 000 Mark für soziale Einrichtungen, wie Blindenvereine, Arbeiterwohlfahrt, die Ortsverbände der Caritas oder schmächtige Sportvereine in sämtlichen Städten, die er an seinen »Wienerwald« jetzt angeschlossen hat. Er kann natürlich nicht verhindern, damit den einen oder anderen Hühner-Esser für sich zu gewinnen.
Dem Berliner Zoo kam er mit einem Flußpferd und einem Paar Robben entgegen. Das traf sich in den Zeitungen günstig mit den Anzeigen für die Eröffnung neuer Wienerwald-Stationen.
Einmal war er zu einer Abendgesellschaft beim Münchner städtischen Kulturreferenten Dr. Hohenemser eingeladen. Das fand er nett, weil nämlich die amtlichen Herrschaften den Reichen sonst fast nur zur Kasse bitten.
Er hatte auf Anregung dieses Referenten freilich bereits rund 50 000 Mark zum Kulturleben von München beigesteuert, was für den »Wienerwald« annähernd den Gewinn eines Tages bedeutet. München bekam dafür das neuzeitliche Standbild »Fischer mit Fang« für einen beliebten Park und ein expressionistisches Gemälde.
Es fehle, meint nun der Kulturreferent, manchem Reichen vielleicht nur an ansprechenden Hinweisen auf mäzenatische Okkasionen.
Rudolf Münemann, den - laut Emnid zwei Prozent der Bundesbürger seines -Auftretens wegen beharrlich für den Reichsten in der Republik halten, pflegt beispielsweise seinem Leber-Spezialisten in
Bad Pyrmont jedes Jahr 25 000 Mark für die Erforschung einschlägiger Molesten zu überweisen. Einmal schenkte er auf der Frankfurter Automobilausstellung dem Roten Kreuz ein Clinomobil für 70 000 Mark. Weitere Ideen für individuelle Dotationen haben sich dann bei ihm nicht mehr einstellen wollen - falls man von einem Eisschrank absieht, den er dem deutschen Waisenhaus in Buenos Aires anläßlich eines dortigen Aufenthaltes übereignete.
Diese Tat, von wohlgesonnenen Chronisten ohne sein Zutun etwas hochgespielt, wird nach Meinung der Kenner überschätzt. Sie erinnern sich, daß der alkoholfreie Makler sich den Kühlschrank hatte anschaffen müssen, um in seinem Quartier über frische Säfte zu verfügen. Es lag nahe, ihn nach Erledigung der argentinischen Geschäfte nicht mit nach Hause zu nehmen.
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