Südafrika Die Sache mit Winnie
Makellos, jeder in feinstes Tuch maßgekleidet, trafen sich die beiden Erzfeinde im »Royal«, dem Luxushotel der Hafenstadt Durban. Mit der Anrede »Madiba«, der ehrerbietigen Bezeichnung für einen älteren Mann, wandte sich Zulu-Häuptling Mangosuthu Buthelezi an Nelson Mandela.
Der Führer des African National Congress (ANC), 72 und somit zehn Jahre älter als sein Rivale von der »Inkatha-Freiheitspartei«, revanchierte sich mit dem formellen Titel »Prinz Buthelezi«. Nach siebenstündigen Verhandlungen am letzten Dienstag erzielten die Edelmänner, die beide Nachfahren königlicher Geschlechter sind, eine »historische Übereinkunft« (Cape Times): Inkatha und ANC versprachen, den blutigen Bruderkrieg der Organisationen zu beenden, der seit 1986 mindestens 5000 Menschenleben kostete.
Der Symbolwert der Begegnung war größer als ihr politisches Resultat. Zwei Tage nach der demonstrativen Umarmung starben nicht weit von Durban acht Menschen, als ANC- und Inkatha-Kämpfer mit Messern, Speeren und Gewehren übereinander herfielen.
Die Spannungen zwischen ANC-Anhängern und den Zulus von Häuptling Buthelezi hatten sich nach der Freilassung Nelson Mandelas im Februar vorigen Jahres dramatisch verschärft. Buthelezi fürchtete, daß Mandela ihn an den Rand drängen wolle: »Es wurde versucht, mich politisch zu kastrieren«, klagte der Zulu-Chef. Seine Inkatha erinnerte daraufhin gewalttätig daran, daß die Zulus eine zu mächtige Gruppe sind, als daß sie bei den Verhandlungen zwischen Schwarz und Weiß über die Zukunft des Landes beiseite gelassen werden könnten.
Mandela hatte sich lange gegen eine Begegnung mit Buthelezi gesträubt. »Wir können nicht mit einem Mann sprechen, der das Blut von Schwarzen sehen will«, sagte er. Jetzt akzeptierte er den Häuptling als politischen Mitspieler. Für die Schwarzen, das ist Mandela klar, gibt es wenig Hoffnung, die Macht zu übernehmen, solange in ihren Reihen ein Bürgerkrieg tobt, der die Ängste und Vorurteile der weißen Minderheit schürt.
Auf einer Massenveranstaltung soll demnächst öffentlich Frieden geschlossen werden. »Toleranz trotz Unterschieden«, so wurde der gemeinsame Kampf für ein »neues, demokratisches Südafrika« verkündet. Zwar warnte Sowetan, die größte Zeitung für schwarze Leser, vor der »Illusion, daß ab sofort alle Feindseligkeiten aufhören«. Dennoch sei Mandela knapp ein Jahr nach der Haftentlassung »ein weiterer wunderbarer Erfolg gelungen«.
Kein Zweifel: Der große alte Mann des ANC ist unentbehrlich für den friedlichen Wandel am Kap. Vor genau einem Jahr hatte der weiße Präsident Frederik Willem de Klerk im Parlament das Ende der Apartheid verkündet. Seitdem haben sich der letzte burische Herrscher und sein prominentester Gefangener häufig getroffen, wurden sogar »Verbündete«, wie rechte und linke Extremisten inzwischen lamentieren.
Doch das Versöhnungswerk ist in Gefahr, die Zeit drängt, selbst für einen so rüstigen Greis wie Mandela. In seiner eigenen Organisation gerät der alte Mann, der die Hoffnung auf Frieden einer großen Zahl von weißen wie schwarzen Südafrikanern verkörpert, immer stärker unter Druck. Mit Rücksicht auf seinen Freund, den von Krankheit geschwächten ANC-Präsidenten Oliver Tambo, begnügt sich Mandela mit dem Vize-Titel.
Derweil warten im zweiten Glied des Afrikanischen Nationalkongresses ungeduldig jüngere und oft radikalere Nachwuchspolitiker darauf, daß ihnen die Macht zufällt.
Dazu droht Mandela jetzt eine persönliche Krise, die seine Energie für Monate beanspruchen wird und von der selbst seine Freunde befürchten: »Das könnte ihn schaffen.« Seine 15 Jahre jüngere Ehefrau ist wegen Menschenraubs und Körperverletzung angeklagt, der Prozeß wird diese Woche eröffnet.
Der ANC ist in der »Sache mit Winnie« gespalten: Viele verübeln ihr ihre aufrührerischen, zuweilen unbedachten Äußerungen. Andere ANC-Anhänger verehren sie gerade wegen ihrer kämpferischen Natur; das Strafverfahren in Johannesburg gilt ihnen als politische Verfolgung.
Alle Fakten, so versichert Chefankläger Klaus Peter Constantin Otto von Lieres und Wilkau (ein Abkömmling österreichischer Aristokraten), »wurden in Betracht gezogen, auch solche, die jenseits der herkömmlichen juristischen Konsequenzen liegen«. Im September beschuldigte er die »Mutter der Nation« und sieben weitere Angeklagte, am Tod des jugendlichen Revolutionärs James Moeketsi ("Stompie") Seipei beteiligt gewesen zu sein.
Der 14jährige sogenannte kleine General hatte zur berüchtigten _(* Bei der Beerdigung eines ermordeten ) _(Klubmitglieds. ) Fußballmannschaft »Mandela United« gehört. Die Bande verbreitete damals Angst und Schrecken in den Townships um Johannesburg und trat als Leibwächterteam für Winnie Mandela auf.
Bereits 1989 wurde der Trainer von »Mandela United«, der damals 41jährige Jerry Richardson, wegen des Mordes an Stompie verurteilt. Zeugen erhoben in dem Verfahren schwere Vorwürfe gegen Winnie Mandela, sie warfen ihr vor, an Mißhandlungen von Gegnern und ungehorsamen Gefolgsleuten beteiligt gewesen zu sein.
Der Prozeß verspricht Schlagzeilen, die Winnie Mandela kompromittieren und auch den ihr treu ergebenen Nelson treffen könnten. Staatsanwalt Lieres, ein konservativer, aber unparteiischer Beamter, dürfte es schwer haben, den Prozeß nicht zum Politspektakel verkommen zu lassen.
Das Ehepaar Mandela verpflichtete Südafrikas bekanntesten politischen Strafverteidiger, George Bizos. Die Klientenliste des griechischstämmigen Juristen, der sich nicht ungern als »Kämpfer für die Menschenrechte« bezeichnen läßt, ist ein Who''s Who des Widerstands gegen die Apartheid. In der Verfilmung des systemkritischen Romans »Weiße Zeit der Dürre« wird er von Marlon Brando dargestellt.
Seine Freundschaft zur Mandela-Familie begann vor nahezu 30 Jahren: Er bewahrte Mandela damals vor dem Galgen. Dank der geschickten Verteidigung durch George Bizos wurden der ANC-Chef und sieben weitere Angeklagte 1964 wegen Sabotage und Umsturzversuchs zu lebenslanger Haft verurteilt.
* Bei der Beerdigung eines ermordeten Klubmitglieds.