DIPLOMATIE Dienst nach Vorschrift
AA-Staatssekretär Paul Frank unterschätzte den Starrsinn seines Chefs. Außenminister Walter Scheel weigerte sich, einen Kompromiß abzusegnen, mit dem Frank die Affäre um den deutschen Vatikan-Botschafter Hans Berger entschärfen wollte.
Am Donnerstag letzter Woche ließ Frank seinen Minister in Kolumbiens Hauptstadt Bogota ans Telephon rufen, um ihm vorzutragen, was er in mehrstündigen Gesprächen mit dem aus Rom nach Bonn zitierten Diplomaten ausgehandelt hatte. Doch Scheel, der Bundespräsident Gustav Heinemann auf einer Südamerika-Reise begleitet, blieb hart: »Ich denke nicht daran, meine Personalentscheidung rückgängig zu machen.«
Frank hatte vorgeschlagen, die von Scheel zum 1. Oktober dieses Jahres verfügte vorzeitige Pensionierung des Bonner Vertreters beim Heiligen Stuhl ins nächste Jahr zu verschieben. Dann sollte der Botschafter in aller Stille verabschiedet werden.
Aufsehen war entstanden, als Botschafter Berger am vorletzten Donnerstag sein Entlassungsschreiben empfangen hatte und das Auswärtige Amt wenig später verlautbarte, der 61 Jahre alte Diplomat sei nicht aus politischen Gründen, sondern wegen der »ungünstigen Alterspyramide« des Auswärtigen Dienstes in den einstweiligen Ruhestand versetzt worden.
Gerade diese harmlos klingende Begründung für einen Abschied, der nach dem Beamtengesetz jedem Botschafter ohne Begründung gegeben werden kann, erweckte den Argwohn der Regierungsgegner. Denn in Bonn war der rechtskatholische CDU-Anhänger und einstige Staatssekretär von Bundespräsident Heinrich Lübke als entschiedener Gegner der neuen Ostpolitik bekannt.
So hatte die polnische Regierungszeitung »Zycie Warszawy« Berger Anfang März als den Mann denunziert, der die Bonner Ostpolitik beim Vatikan zu hintertreiben versuche. Nach Scheels Kündigungsbrief lobte das Blatt den »Akt der Entschlossenheit und des politischen Mutes«.
Bergers CDU-Freundeskreis In Bonn organisierte Widerstand. Partei-Sprecher Willi Weiskirch rügte die »höchst dubiosen Umstände«, und der konservative »Rheinische Merkur« orakelte, daß die Bundesregierung in Zukunft »keine Kritik mehr zu hören bekommt, sondern, wie unter Hitler, falsch unterrichtet wird«.
In Abwesenheit seines Ministers versuchte Staatssekretär Frank zu vermitteln. Am Mittwoch und Donnerstag letzter Woche schlug er dem Botschafter vor, die Pensionierung auf nächstes Jahr zu verschieben. Berger war einverstanden.
Wenig später meldete der Diplomat bei seinen Glaubensbrüdern im Bonner »Katholischen Büro« Erfolg. Entgegen Scheels Order werde er nun doch länger beim Heiligen Stuhl wirken. Tags darauf aber bat Frank den Botschafter noch einmal zu sich und übermittelte dem Diplomaten das Scheel-Veto aus Südamerika.
Mit der In anderen westlichen Demokratien üblichen Entscheidung, einen Botschafter ohne Angabe von Gründen abzuberufen, machte sich Scheel selbst bei Kabinettskollegen verdächtig. Einige Minister mutmaßten, Bergers Reserve gegen die Ostpolitik habe nicht den Ausschlag gegeben. Denn der korrekte Beamte habe sämtliche AA-Anweisungen, zwar ohne Enthusiasmus, aber Immerhin buchstabengetreu, ausgeführt.
Die Scheel-Kollegen meinen, der Außenminister habe dem Botschafter einen provokatorischen Dienst nach Vorschrift nicht vergessen. Als sich Scheel bei der Nato-Konferenz im Mai 1970 mehrere Tage lang In Rom aufhielt, hatte Berger seinem Chef keine Aufwartung gemacht. Begründung: Für Konferenzen in der italienischen Hauptstadt sei Rolf Lahr, Botschafter beim Quirinal, zuständig, nicht aber Bonns Vertreter beim Vatikan. Scheel fühlte sich brüskiert und äußerte im Kabinett Mißfallen über seinen Untergebenen.
Kabinettskollege Georg Leber hatte sich schon früher in der Ministerrunde über den Botschafter beschwert. Der Verkehrsminister vermutete in Berger den Informanten eines »Welt« -Berichts. Das Springer-Blatt hatte nach einem Besuch Lebers beim Papst im November 1969 gemeldet, die Bundesregierung dränge die Kurie, ihren Standpunkt zu den Bistumsgrenzen in den ehemals deutschen Ostgebieten zu revidieren.
Um Spekulationen entgegenzuwirken, ließ Scheels Amt am Freitag letzter Woche offiziell verbreiten, daß für Bergers Abberufung »keinerlei persönliche Motive« maßgebend gewesen seien.
Ein Kabinettsmitglied wollte es besser wissen: »Persönliche Kränkung vergißt der Scheel nie.«